Message 11172 [Homepage] [Navigation]
Thread: oxdeT11021 Message: 6/10 L3 [In index]
[First in Thread] [Last in Thread] [Date Next] [Date Prev]
[Next in Thread] [Prev in Thread] [Next Thread] [Prev Thread]

Re: [ox] charta dieser liste u.a. (was: Ciao



Hallo & Danke für die (wenn auch nicht so gemeinte?) Anregung zur
Präzisierung!

Mein Interesse zielt im Moment darauf herauszufinden, welche
Faktoren einen kollektiven geistigen Prozeß stören oder behindern.
Darum möchte ich nochmal betonen: Ja, wo keine Substanz ist, kann
keine zerstört werden.  

Da trifft keinen Neuling und keinen Altling irgendeine Schuld.
Höchstens den, der kein Interesse an substantieller
Auseinandersetzung hat und es wichtiger findet, seine eigenen
Ideen für so neu und wichtig zu halten, daß sich alle andern
sofort und nur darauf einlassen müßten. Und der sofort rumpöbelt
oder verärgert ist, wenn dies nicht der Fall ist. -- Obwohl dies in
der Regel zu erwarten ist, wenn er sich selber nicht auf die Ideen
der anderen einläßt.  

Müssen aber solche Leute mit formalen Mitteln ausgegrenzt bzw. in
die Schranken gewiesen werden?  Warum gelingt es nicht,
weitergehende Ansprüche dadurch durchzusetzen, daß alle, die an
einer gehaltvollen Diskussion und am _gegenseitigen_
Aufeinandereinlassen interessiert sind, einfach daran festhalten,
dies vorleben?  Es hat ja auch auf dieser Liste Leute gegeben, die
kurz aufgetaucht und dann selber recht schnell wieder gegangen
sind, weil sie gemerkt haben, daß dies nicht ihr Lebensraum ist --
ohne daß sie gemobbt wurden oder die Liste in eine Krise gestürzt
hätten. Mir will scheinen, daß die Liste damals von ihrem Klima
her eine andere war und schon dadurch (?) mehr Substanz hatte.

Der ox-Liste Doktrinarismus vorzuwerfen halte ich für völlig
unnachvollziehbar, auch wenn das für einzelne Mitglieder
anders aussehen mag.

Verweise aufs Archiv sind nicht immer feindselig gemeint.  Wenn
Leute müde sind, quasi als Tonband mißbraucht zu werden, und
lieber nachdenken oder diskutieren wollen, statt auf Knopfdruck
immer die selben Sachen sagen oder schreiben zu müssen, weil sich
die Anfechtungen oder Argumente, die ihnen entgegengeschleudert
werden, doch nicht so arg voneinander unterscheiden, wie sich die
Autoren gerne einbilden, dann hat das noch lange nichts mit
Verknöcherung zu tun.  Vor allem, wenn es sich dabei um Autoren
handelt, die an der Neuheit ihrer Überlegungen festhalten, ohne
bereits existierende Überlegungen überhaupt lesen oder zur
Kenntnis nehmen zu wollen.

Klar macht es keinen Spaß, wenn man diskutieren will, auf ein
Archiv verwiesen zu werden.  Aber irgendwo ist hier die Balance
zwischen dem sogenannten Stammtisch-Niveau und der Möglichkeit zur
geistigen Entwicklung zu suchen.  Letzteres erfordert nunmal auch
ein *gegenseitiges* sich-Einlassen.  Und es erfordert auch, daß
man die Bedürfnisse seiner Diskussionspartner respektiert, auch
dann wenn sie einem dezente Lektüre-Hinweise geben, statt sich zum
x-ten Male die Finger wund zu tippen.  (Ich selbst neige ja
mitunter dazu, dies trotzdem zu tun, aber mehr Zeit zum
Selber-Lesen habe ich dadurch auch nicht gerade...)

Nochmal zur Frage der Diversität:

Wolfram Pfreundschuh (2006-05-10 10:19 [PHONE NUMBER REMOVED]):
Ohne als "Neuling" einen "tieferen Einblick" in die Diskussion zu  
haben, meine ich, erkennen zu können, dass sie nichts bringen kann,  
wenn die Bandbreite der darin aneinander vorbeiziehenden Positionen  
zwischen neoliberal bis autonom pendelt, incl. aller  
"Zwischenschattierungen" marxistischer, psychoanalytischer und  
antimarxistischer Provenienz.

In der Uni habe ich die Erfahrung gemacht, daß die
Auseinandersetzung mit Marx keinem Neoliberalen geschadet hat, und
daß es auch keinem Marxisten schadet, sich mit neoliberalen
Theorien oder Ansätzen auseinanderzusetzen.  Anekdote: der erste
neoliberale Regierungschef von Rußland in den neunziger Jahren
(Gaidar) hat auf Anfrage, was ihm denn im Studium am meisten
gebracht hätte, tatsächlich geantwortet, das sei das
Spezialseminar zum Kapital von Marx gewesen.  Und wenn er quasi
zugibt bzw. beweist, daß die intensive Auseinandersetzung mit
welchem Stoff auch immer nicht automatisch zu Dogmatismus führen
muß, warum soll das in einem sich freizusammenwürfelnden Haufen
wie zum Beispiel den Teilnehmern einer oekonux-Liste so anders
sein?  Ich glaube nicht, daß die Positionen und Ideologien selbst
das Problem sind, sondern die Einstellungen der Leute, die diese
vertreten.  Diese Einstellungen sind aber nicht durch technische
oder formale Mittel zu ändern, oder doch?

Natürlich sieht das anders aus, wenn man eine wissenschaftliche
Schule etablieren möchte, oder ein praktisches Projekt
vorantreiben will, welches mehr Einmütigkeit auch in ideologischen
Fragen verlangt.  Aber ich halte produktive und dauerhafte
Beziehungen in `offeneren' Zusammenhängen für durchaus nicht
unmöglich.

Von der Möglichkeit, bestimmte Leute wegzufiltern, halte ich
relativ wenig, obwohl es ja eigentlich nichts anderes wäre, als
wenn man in einer Kneipe eine Diskussion führt und bei Auftauchen
einer dominanzsüchtigen Person "unauffällig" den Tisch wechselt,
um die Diskussion frei von deren Dominanz weiterzuführen... (An
diesem Beispiel wird auch klar, daß man eine Diskussion nicht
wirklich weiterführen kann, selbst im nicht-virtuellen Raum, wenn
ständig jemand dazwischenquakt, der nicht gewillt ist länger
zuzuhören, als bis er einen neuen Anlaß gefunden hat, um sich in
den Vordergrund zu drängen.)

Auch ist das Ausweichen vor Dominanz in meinen Augen noch kein
Anzeichen von Dogmatismus und Feindseligkeit gegenüber neuen
Gedanken, Beobachtungen oder Positionen.  Und ich glaube auch, daß
erfahrungsgemäß von den Leuten, die am meisten auf den Putz hauen
zu müssen glauben, am wenigsten neues zu erwarten ist.  (Im
Gegenteil deutet ja die Formulierung `etwas beitragen' schon an,
daß das, wozu etwas bei-getragen werden soll, erstmal akzeptiert
wird.  Ansonsten kann man eben nur von Konfrontation oder
Missionierung sprechen, deren implizites Ziel offenbar die
Zerstörung oder Usurpation dessen ist, was vorher da war.)

Kann (noch?) jemand was zur Geschichte der Dominanz in oekonux
sagen?  Mir scheint gerade, daß hierin ein wichtiger Knackpunkt zu
suchen ist.  Dominanz einerseits im inhaltlichen Sinn und
andererseits im Sinne der puren `Präsenz' wäre wohl ein
interessanter Aspekt für die Verfolgung der Geschichte dieser
Diskussionsrunde und vielleicht auch anderer `freier Projekte'.¹

... dann gute Nacht...

Danke, gleichfalls!
...und bis `morgen'! 
;-)

Gruß, 
El Casi.

¹) Puh, doch noch ein on-topic Schlenker!

--
Es gehört unvorstellbar viel Phantasie dazu, sich die Wirklichkeit
so vorzustellen, wie sie ist.
________________________________
Web-Site: http://www.oekonux.de/
Organisation: http://www.oekonux.de/projekt/
Kontakt: projekt oekonux.de



[English translation]
Thread: oxdeT11021 Message: 6/10 L3 [In index]
Message 11172 [Homepage] [Navigation]