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[ox] wdh. Stefan Meretz: Den Kampfhund ...



Hi,

vor dem FWD ein Gedanke, andere schrieb ich vor nicht allzulanger 
Zeit auch an pox. Ich such mal den link...

Manchmal laufen threads aus dem ruder. warum ist nicht immer zu 
sehen. ich denke, ein punkt ist sicher, das auf verschiedenen 
ebenen diskutiert wird, also zum einen auf einer sachlichen (da 
kann es meist keine probleme geben) und zum anderen auf einer 
persönlichen (da dann eher schon...)


------- Weitergeleitete Nachricht / Forwarded message -------
Von:            	"Karl Dietz" <karl.dietz online.de>
Datum:   	Thu, 21 Apr 2005 11:46:12 [PHONE NUMBER REMOVED]


Klaro, der text war im juni 2004 schon hier zu lesen, aber er passt 
gut zum aktuellen thread. daher die wdh. - und auch schön: der 
text ist frei zu verbreiten. ...ist ja nicht bei allen texten so. k.dz.


------- Weitergeleitete Nachricht / Forwarded message -------

...

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Quelle: http://www.freitag.de/2004/26/04260501.php

Stefan Meretz: Den Kampfhund bändigen

Nicht um den Fetisch "neue" Gesellschaft tanzen, sondern täglich die
alten Spielregeln außer Kraft setzen

In der Vergangenheit herrschte auf einem Sechstel der Erde die
Vorstellung, dass nach der Konzentration aller Kräfte auf den Staat das
Morgenrot schon leuchten werde. Diese Besessenheit ist aus guten Gründen
passé. Die sozialdemokratischen Geschwister des Staatssozialismus, die
eher sanften Attacken auf das Verfügungsprivileg der Kapitaleigner, sind
ebenfalls verschwunden. Wirtschaftsdemokratie und Beteiligung am
Produktivvermögen - irgendwie scheinen auch diese zarten Reformpflanzen
den Anschluss an die heutige Zeit verloren zu haben. Was also bleibt? Wo
sind die Hoffnungsträger, die Keime für eine postkapitalistische
Ökonomie? Wenn es den großen alternativen Entwurf schon nicht gibt, dann
wird das alltägliche Anders-Handeln vielleicht um so wichtiger. 

Warum wiederholt sich linke Geschichte, seit es sie gibt? Warum gibt es
seit Generationen einen gleichsam "natürlichen" Durchlauf individueller
Biografien vom Revoluzzer über den Politikaster zum Privatier? Warum
können wir hämisch über die angepassten Grünen oder Sozis jeder Couleur
lästern und verhalten uns - mehr oder weniger - genauso? 

Die Antwort, die ich hier entfalten möchte, ist kurz: Weil wir Teil des
Spiels sind. Es spielt uns. So wie wir uns im "Mensch-ärgere-dich-nicht"
oder "Risiko" ereifern können, so im Spiel "Reform oder Revolution", das
heute ohnehin nur eines von "Konterreform und Konterrevolution" ist. Die
Spielregeln sind gesetzt. Es wird Zeit, die Spielregeln - fangen wir
bescheiden an - zu verstehen, um sie, wo immer es geht, zu umgehen. 

alle wissen, wo´s langgeht,
aber keiner weiß, warum * 

...

so lang wir noch tanzen können 
und richtig echte tränen flennen, 
ist noch alles offen, 
ist noch alles drin 

...

ich geb´ nicht auf, 
ich geb´ nur nach. 
ich werf´ die flinte in´s korn, 
und merk mir, wo ich sie 
hingeschmissen hab´, 
neben meine abgeriss´nen Ohr´n 

...

so wird es tag und nicht anders, 
so wird es ein leben, 
wenn wir nicht 
wie tote fliegen kleben 
an dem süssen leim, 
zu dem man schicksal sagt 

Ich plädiere für eine wahrnehmende Distanz zum eigenen Tun, für einen
Überblick über Handlungsmöglichkeiten. Für das alltägliche Handeln ist
es ein Unterschied, ob ich mich von der Entfremdungslogik aufsaugen
lasse, sie verinnerliche und wieder hinaustrage und Andere damit unter
den gleichen Druck setze, unter dem ich stehe. Oder, ob ich distanziert
und ohne moralischen Zeigefinger auf mein eigenes Tun schaue, um es
genau nach solchen quasi-automatischen Wiedergaben fremder Sachzwänge
abzusuchen - auf das ich es beim nächsten Mal vielleicht lassen kann
oder wenigstens nicht mehr als "richtig" oder "gerecht" rechtfertigen
muss, vor mir und anderen. 

Trete ich erst einmal zurück, erwerbe ich mehr Überblick, erkenne ich
Verwertungslogiken als Sachzwänge, so entdecke ich zunehmend
Entfaltungsmöglichkeiten als Handlungsoptionen. Das sind die Ansätze,
die mit Anderen zur Geltung gebracht werden wollen. Das ist nicht
einfach, schwerer sicher, als auf beliebige Schuldige zu verweisen oder
mich fordernd an Staat und Politik zu wenden. Diese Haltung hat jedoch
den ungeheuren Vorteil, dass sie nicht auf Opferbereitschaft setzt. Jede
Opferbereitschaft ist irgendwann erschöpft oder wird verwandelt in einen
Durchsetzungsvorteil im Rangeln um die Macht. Diese Haltung sucht nach
Widersprüchen in einer zerfallenden Gesellschaft, die täglich bedient
werden will und gleichzeitig nach Neuem schreit. Sie entwickelt aus der
Ablehnung der entfremdenden Formen unseres Alltags neue Praxisformen,
Keimformen im Alten, die das Alte aufnehmen, ohne in ihm aufzugehen,
weil sie nach einer anderen Logik funktionieren: der Logik Mensch. Und
die kennt eigentlich jede und jeder. 

Stefan Meretz ist Informatiker und arbeitet für die Gewerkschaft ver.di 

(*) Alle Zitate sind entnommen aus Liedtexten von Gerhard "Gundi"
Gundermann 
 

------- Ende der weitergeleiteten Nachricht / End of forwarded message -------

der text ist als ot-projet auch kommentierbar

------- Ende der weitergeleiteten Nachricht / End of forwarded message -------

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