Forken und Demokratie (was Re: [ox] Abschied)
- From: Till Mossakowski <till informatik.uni-bremen.de>
- Date: Sat, 12 Mar 2005 17:45:36 +0100
Hallo Stefan,
Für mich ist es kein Ziel, eine inhaltliche Übereinstimmung zu
erreichen oder andere Leute von Richtigkeit meiner Auffassungen zu
überzeugen, sondern einen Prozess zu haben, in dem sich
unterschiedliche Leute mit unterschiedlichen Meinungen bewegen
können, die aber grundsätzlich den Zweck des Projektes
(Verallgemeinerung der Prinzipien Freier Software) teilen.
Eine Grenze wäre dort erreicht, wo das nicht mehr geht. Das wäre ein
Grund zum Fork (und nicht einer "Wahl"). Ein Fork ist dann nötig,
wenn sich Leute blockieren und der Prozess zum Erliegen kommt. Dann
kann eine Trennung produktiv sein. Na ja, wie du von unserem
WAK-Haufen in Berlin weisst, wo ein Teil des Haufens unseren Fork
nicht akzeptieren kann, ist auch das leicht formuliert und schwer
gemacht. Anderes Negativbeispiel ist Krisis/Exit, die auch nicht in
der Lage waren, einen produktiven Fork zu vollziehen.
Kennst du einen Fork, den du als erfolgreich bezeichnen würdest?
Und gibt es so etwas außerhalb es Code-Forkings?
Meine These ist, dass ein inhaltlicher Fork ein letztes Mittel ist,
das aber schon zeigt, dass die Kooperation nicht funktioniert hat,
dass also die Prinzipien der Konkurrenzgesellschaft noch nicht überwunden
werden konnten. Früher gab es den Scherz "Drei Trotzkisten, vier
Organisationen". Krisis/Exit ist eine Komödie der vielen Spaltungen
unter den unsäglichen K-Gruppen der 1970er.
Eine Gemeinschaft, in der der Verweis auf Fork die einzige Möglichkeit
der Einflussnahme auf zentrale Entscheidungen ist, fällt meiner
Meinung nach hinter den Emanzipationsstand jedes bürgerlich-demokratischen
Vereins zurück, und erst recht hinter die leuchtenden Beispiele der
Räte der Pariser Commune oder der Arbeiter- und Soldatenräte 1918/19.
Oder die demokratisch organisierten Betriebe im ehemaligen Jugoslawien,
oder die Alternativbetriebe der 1970er (die sich wegen fehlender
Überwindung des Tauschwerts leider wieder anpassen mussten
und die betriebliche Demokratie wieder aufgaben).
Sollen z.B. für einen Betrieb keine demokratischen Entscheidungen
gefällt werden, sondern der Maintainer (neudeutsch: Direktor) nach Rücksprache
mit der Belegschaft im Konsens entscheiden? Was passiert, wenn kein
Konsens gefunden werden kann? L'etat c'est moi?
Als Modell für gesellschaftliche Entscheidungen (z.B: die Frage: wie
bekämpfen wir das Ozonloch? das müsste weltweit entschieden werden)
taugt der Fork überhaupt nicht, da wir keine zweite Erde haben,
auf die wir uns forken können.
Etwas anderes sind quantitative Forks, die z.B. bei englischen
Tauschringen sehr erfolgreich funktioniert haben: wenn ein
Tauschring zu groß wird, teilt er sich auf. Ich bin nun kein
Verfechter von Tauschringen, aber quantitative Forks halte ich
für sehr sinnvoll. Es ist schade, dass z.B. Apache neue Projekte
ablehnt mit der Begründung, das Apache-Projekt würden zu groß,
statt einen quantitativen Fork zu machen.
Gruß Till
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