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Re: [ox] Hans-Gert Graebe * Die Macht des Wissen in der (post)modernen Gesellschaft



Hi Hans-Gert!

Yesterday Stefan Merten wrote:
Hans-Gert Gräbe [graebe at informatik.uni-leipzig.de]
[...]
Marktmechanismen spielten in diesem Zusammenhang eine progressive
Rolle in der Entwicklung menschlicher Vergesellschaftungsformen.
Während in vorkapitalistischen Zeiten Zwecksetzung für die produktive
Arbeit extern, durch Clanführer, Sklavenbesitzer, Feudalherren -
allerdings auf einer dinglichen Basis - erfolgte, so rückt die
Zwecksetzung nun in die unmittelbare Nähe der produktiv Tätigen. Wir
befinden uns dabei an einem Bifurkationspunkt menschlicher
Entwicklung: Während in der ganzen bisherigen Entwicklung die
"Korngröße" der gesellschaftlichen Entwicklungsstrukturen mit
Zwecksetzungsvollmacht linear mit der Korngröße der durch die
produktive Arbeit in Gang gesetzten "Macht der Agentien" wuchs und so,
wenigstens notdürftig, der dinglichen Logik der Planung produktiver
Arbeit Genüge getan war, sind wir mit Beginn der kapitalistischen
Marktwirtschaft mit dem Phänomen konfrontiert, dass ein weiteres
Wachstum der Korngröße der Macht der Agentien mit einem Rückgang der
Korngröße der Zwecksetzungsvollmacht einher geht.

Ich habe nicht verstanden, was hier ein Korn sein soll. Kannst du mal
ein paar Beispiele angeben?

Es ist generell interessant, die Dynamik solcher kooperativer
Strukturen mit den normativen Argumenten, die ich in [3] mit dem
Übergang von einer Waren- zu einer Wissensgesellschaft verbunden habe,
zu vergleichen. Neben der bereits beschriebenen Tendenz zur optimalen
Korngröße kann man nach der Dynamik von Konkurrenz im
marktwirtschaftlichen Sinne in einer solchen Umgebung fragen.
Konkurrenz setzt voraus, dass zwei "Körner" auf sich überlappenden
Geschäftsfeldern tätig sind, so dass auf natürliche Weise eine
(gesellschaftlich sinnvolle) Verdrängung des weniger effizienten
Akteurs eintritt. Durch die sehr hohe Dimensionalität des Raumes
dinglicher Logiken ist der Effekt dieser Verdrängung aber ein anderer
als der heute zu beobachtende Effekt räumlicher Verdrängung: Der
Verdrängte hat viel mehr Ausweichdimensionen zur Auswahl als in einem
System, welches nur auf die blinde Geldmacht gründet, und kann (und
muss!) sich eine neue, seinen Neigungen und Fähigkeiten entsprechende
"sinnvolle" Tätigkeit suchen und dabei sein Kompetenzprofil
entsprechend weiterentwickeln und schärfen. Nach kurzer Zeit wird es
keine überlappenden Geschäftsfelder mehr geben - und sie werden dann
auch nicht mehr Geschäfts- sondern Kompetenzfelder heißen. Die einer
solchen Struktur inhärenten Austarierungsmechanismen führen also nicht
nur dazu, dass etwa gleich und optimal große "Körner" entstehen,
sondern dass diese auch in der Gesamtheit ihrer Kompetenzen optimal
aufgestellt sind. Dynamik gewinnt diese kompetenzbasierte Struktur vor
allem durch den Eintritt junger Menschen und den Rückzug alter, also
aus der Lebensdynamik der intellektuellen Leistungsfähigkeit der
einzelnen Individuen selbst.

Verdrängung? Warum sollte überhaupt verdrängt werden? Der Raum ist ja
nicht durch knappes Geld begrenzt.

Bei Freier Software können beliebig lange parallele Projekte mit
"überlappenden Geschäftsfeldern" existieren. Wo ist da das Problem?

Vermutlich liegt der Schlüssel im "gesellschaftlich sinnvoll". Wie
wird das bestimmt? Wo kommt die Knappheit her, die solcherlei
Hineinregieren rechtfertigen könnte?

Ist es nicht viel mehr so, dass nicht nur auf der Ebene der Güter ein
Überfluss eigentlich oft schon da ist, sondern eben auch auf der Ebene
der Arbeitskraft - sich im Kapitalismus in Arbeitslosigkeit
manifestierend. Warum muss da noch verdrängt werden? Könnte es nicht
sein, dass anstatt Verdrängung die Menschen von selbst zu dem gehen,
was gesellschaftlich sinnvoll ist?


						Mit Freien Grüßen

						Stefan

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Organisation: projekt oekonux.de



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