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Re: [ox] Etikettenschwindel (war Exit-Texte)



on Donnerstag, 15. Juli 2004 at 23:23 Uhr [PHONE NUMBER REMOVED] 
crox iac-research.ch (Christoph Reuss) wrote:
Frage dazu:  Besteht in einer GPL-Gesellschaft das Copyright weiterhin
"parallel", oder wird persönliches geistiges Eigentum völlig abgeschafft ?

Eine GPL Gesellschaft wird es nur als lebendiges Übereinkommen
assoziierter Produzenten geben. Es macht daher wenig Sinn, nach der
Geltung juridischer Fiktionen zu fragen. Es stimmt daß die derzeitige
"Überzeugungskraft" der GPL auf dem Urheberrecht beruht. Dennoch wird
dieses Recht inhaltlich vollkommen anders bestimmt, sozusagen um
hundertachzig Prozent umgekehrt. Wenn dieser "Umkehrschub" gezündet hat,
dann bildet sich eine Produktionsweise heraus, in der es eben
vorteilhafter ist, daß es gar kein "geistiges Eigentum" gibt.
Es gehört übrigens zum "Ehrenkodex" der GPL Gesellschaft, daß Leute, die
ihre Kreationen nicht zur Verfügung stellen wollen, auch nicht "bestohlen"
werden. Das ist auch eine Frage der Qualität von Information.  Sie werden
"bloß" nicht weiter beachtet und ihre geistige Produktion ist schlicht
unbrauchbar geworden.. Das heißt, daß es dann eben notwendig ist, diese
Elemente, geistigen Muster etc. separat nochmals herzustellen: "Kapieren"
nicht "kopieren" hat das Hartmut Pilch genannt. Das ist ein Modus der
Koexistenz, der auch manchmal ganz schön mühsam sein kann. Wo er nicht
eingehalten wird, weil die Vertreter des Allgemeinen diesen Ehrenkodex
misachten (indem sie z.B. Roberts Texte auf der Website lassen anstatt sie
wo notwendig sinngemäß zu referieren) oder umgekehrt weil die
Informationsbarönchen glauben sie haben ein privates Recht auf
Allgemeinheiten, erst dann gibt es Krieg. 
Nachdem Robert Kurz wohl nicht vorhat sich die Wertkritik patentieren zu
lassen ist diese Form von Krieg nicht zu erwarten. Wohl aber der traurige
Effekt, daß er sich außerhalb sehr spannender Methoden einer kollektiven
geistigen Produktion gestellt hat und damit seinem Denken vielleicht auch
einiges an Relevanz genommen hat. Und daß eben die wesentlichen Gedanken
wertkritischen Denkens - so sie in solche Produktion einfließen - einfach
jenseits der Person rekonstruiert werden müssen.Ist immer ein wenig
mühsam, so etwas. Aber vielleicht auch sehr lohnend.

Mit anderen Worten:  Wird in der GPL-Gesellschaft jeder "Schaffende"
dazu gezwungen, seine Werke der Allgemeinheit frei zugänglich zu machen,
oder bleibt dies freiwillig ?

Genau solche Fragen sind durch 15 Jahre Wertkritik als ideologische
überführt worden. Die Illusion der Willensfreiheit drückt sich gerade in
der Dichotomie "Zwang oder Freiwilligkeit" aus. Dazu gibts in der Krisis
einiges nachzulesen.

Was die GPL-Gesellschaft anbelangt, so funktioniert sie eben so, daß die
Gesellschaft, wenn wir sie schon fälschlicherweise als ein Subjekt
betrachten wollen, dem Menschen ohnehin alles was er zum Denken braucht
gibt; das ist millionenfach mehr als er ihr jemals zurückgeben kann. Ein
Mensch der der Allgemeinheit nichts zurückgeben will solls halt bleiben
lassen. Die GPL Gesellschaft basiert ohnehin auf Überfluß und hat ihre
Stärke gerade darin das ihr diese Haltung nichts ausmacht. Aber so ein
Mensch bringt weder sich noch die Gesellschaft weiter und darf sich daher
auch nicht auch noch Respekt für seine Handlungsweise erwaren. Die alten
Griechen nannten solche Leute, die lieber für sich bleiben wollten,
trefflich "idiotes". Das ist ganz wertfrei, die Griechen haben das gar
nicht so bös gemeint, und trotzdem finde ich das semantische Resultat
recht schön und treffend.


Falls es freiwillig bleibt, warum sollte es die Mehrheit der Schaffenden
dann tun ?  (wäre ja sozusagen ein Wettbewerbsnachteil für sie)

Wenn die "Mehrheit der Schaffenden" jemals so gedacht hätte, dann hätten
wir heutzutage keine Kultur. Die denen es wirklich auf das Werk ankam, die
haben ihr Wissen verfügbar gemacht. 

Wiederum auf die GPL Gesellschaft geblickt, ergibt sich eine Logik
geistiger Produktion, bei der alles was ich weggebe eine Möglichkeit für
andere ist, es zu verbessern, zu lernen, zu modifizieren;  sie nehmen mir
schlechthin Arbeit ab. 

In diesem Sinn hat eine Community, die auf einem Prinzip freien Wissens
beruht, als ganze einen Wettbewerbsvorteil. Aber letzlich ist der
Wettbewerb nur externe Randbedingung. Die Möglichkeit kooperativer Arbeit
durch die technischen Kanäle des Internet legt den Sinngehalt von Arbeit
radikal frei: es kommt eben letztlich drauf an, daß sie ihr Ziel erreicht.
Der ganze Scheiß Wettbewerb ist dabei nur hinderlich und kann getrost
abgeschafft werden.

FranzN




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