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Re: [ox] Reichtum in unseren kleinen Welten



Jürgen Ernst schrieb:
So viel "Initiative" hätte ich gar nicht erwartet.
Am genauesten wäre es wohl die Publikationen der Wissenschaftler zu lesen.
Konnte ich leider noch nicht "ergooglen". 

Das Thema paßt eben gut zu den verschiedenen Problemen, mit denen ich mich
derzeit herumschlage.

Den initialen Artikel von Watts/Strogatz fand ich hier:
tam.cornell.edu/SS_nature_smallworld.pdf 

Außerdem fand ich eine Studie über die Anwendung der Small-Worlds auf
P2P-Netzwerke (ich hatte nämlich folgendes Problem: eine P2P-Struktur als
random-network blockiert sofort das ganze Netzwerk; meine Überlegung
war also, sie als Gitter zu organisieren - aber dann wird sie schrecklich
unflexibel. Die Lösung liegt also irgendwo dazwischen:)

Reichtum ist hier Kapital; woher es kommt, wird - wie ich
es vermutet habe - gar nicht erst gefragt.
Ach so. Aber: Ist das so wichtig?
Ich hatte schon geschrieben, dass man jedem Knoten beliebige Bedeutung 
zuordnen kann. Also was mir die Zahlen sagen, ob das nun Geld, 
Grundbesitz oder sonst was ist.

Strogatz erwähnt, daß ihm die (ohnehin vereinfachten) Beispiele aus der
sozialen Gesellschaft in erster Linie zur Illustration seiner Theorie
dienen, für ihn sind die Zusammenhänge also in der Tat nicht so wichtig.
Aber wir diskutieren hier über die soziale Gesellschaft, 
und da muß man schon die Frage nach dem Charakter des gesellschaftlichen
Reichtums und der gesellschaftlichen Produktion stellen. Die Anwendung
mathemathischer Modelle führt sonst nämlich genau zu einer - indirekten -
Idealisierung; und von der Idealisierung wolltest Du ja gerade abrücken.

Wenn ich es mal krass formuliere ist Reichtum demnach eher ein 
psychologisches Konstrukt. Es ist unabhängig von der Art des Gutes, 
Man hat ein Bild im Kopf, dass Reichtum eine große Quantität darstellt.
Fertig. Mehr iss es nicht.

Reichtum in der kapitalistischen Gesellschaft - und da leben wir nun mal -
erscheint als unabhängig von der Art des Gutes durch die Art
und Weise, wie er entsteht. Das ist ja das Vertrackte an der ganzen Sache.
Aber bei dieser Gesellschaft handelt es sich nicht um eine 2. Natur, in der
lauter "objektive (also quasi natürliche) ökonomische Gesetze" wirken,
sondern der Reichtum im Kapitalismus ist eine _historisch spezifische Form_
gesellschaftlichen Reichtums, die an seine historisch spezifische 
_Produktionsweise_ gebunden ist. 

Man muss aber nur ein bisschen interpretieren.
Da "Reichtum" ja nicht aus der Luft entsteht und auch nicht früher 
entstand, muss es ein Vorgang gewesen sein, der zur Akkumulation führte. 
Das wird nun aber sehr gut mit dem Netzansatz beschrieben.
Und das interessante dabei war, dass in den Simulationen dies unabhängig 
von menschlichen Präferenzen passiert.

In der Simulation vielleicht. In der Realität nie. Die "Reduktion komplexer 
sozialer Vorgänge und Gegensätze auf mathematische Kürzel" und das bißchen
Interpretieren können auch ziemlich bösartige Folgen haben. 

Mir erscheint der Netzwerk-Ansatz viel näher an der 
"Basis" als andere Theorien. Wir stehen erst am Anfang. Bisher war es 
so, dass die Komplexität reduziert wurde, indem man stark idealisierte 
und dann eine hierarchische Ordnung aufpfropfte, weil der Mensch eben 
hierarchisch denkt. Da liegt dann das Problem, wenn man nicht 
weiterkommt. Die Natur ist eben ein Netzwerk.

Man darf eben die Natur nicht einfach gleichsetzen mit der "zweiten Natur",
also der Gesellschaft, die aus _der_ Form gesellschaftlicher Herrschaft
resultiert, um deren Aufhebung es mir hier geht. _Die_ ist hierarchisch
und jeder Ansatz, nur bestimmte Parameter zu ändern, aber die gesamte 
_Produktionsweise_ beibehalten zu wollen, führt zwangsläufig wieder zur
Bildung von Hierarchien.
Das zeigt die Simulation ja wunderbar. Aber daraus abzuleiten, daß "der
Mensch", der unter genau diesen Bedingungen sozialisiert wird, 
"eben hierarchisch denkt", ist diese indirekte Art der Idealisierung,
die ich oben andeutete. Und genau darüber wollen wir ja hinaus.
Die Simulation zeigt nämlich _nicht_, was passiert, wenn wir die
Produktionsweise ändern und sich damit die gesellschaftliche Perspektive
auf den Reichtum verschiebt. 

Viele Grüße

 Stefan
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