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GesellianerInnen und Oekonux? (was: Re: [ox] interessantes Interwiev)



Hi Liste!

Zunächst mal dieses, weil das nicht so sichtbar wird: Seit dem
(erneuten) Beginn der GesllianerInnen-Debatte melden sich Leute
relativ zahlreich ab. In der Statistik

      http://www.oekonux.de/projekt/statistik/liste/

als kleiner Abwärtsstrich ganz rechts zu erkennen. Besorgt mich
momentan nicht aber ich finde es zumindest erwähnenswert. Der Traffic
ist wirklich rasend hoch:

	http://www.oekonux.de/projekt/statistik/liste/traffic/usage_200406.html#DAYSTATS

Ich bin nicht wirklich sicher, ob es zu diesem Thema wirklich sooo
viel Substantielles und Erkenntnisförderndes zu sagen gibt...

Weiter würde ich gerne die Bezüge zum Listenthema hier und da
deutlicher heraus arbeiten wollen. Immerhin handelt es sich bei den
Vorstellungen der GesellianerInnen um eine Tauschgesellschaft reinsten
Wassers, die in der Freien Software / den Commons ja gerade nicht
relevant ist. Aber vielleicht habe ich entsprechende Ausführungen nur
noch nicht gelesen. Ich wühle mich mal nach und nach durch die
Sub-Threads.

Was ich überhaupt nicht verstehe ist dies:

Last week (7 days ago) Michael Hoennig wrote:
zunächst einmal scheinst du trotz meines Hinweises, dass ich ein
Freiwirtschafts-Laie bin, deine Argumentationskünste an mir üben zu
wollen.

Also wenn du, Michael, nicht willst, dass von dir gepostetes Material
hier diskutiert wird, dann frage ich mich sehr ernsthaft, warum du es
dann überhaupt erst herschickst - und dann noch wieder und wieder.
Ideen? Dass du ein Gesell-Fan bist, ist m.E. klar geworden und muss
nicht andauernd wiederholt werden.

Was willst du dir damit beweisen? Dass die Freiwirtschaft falsch
liegt, kannst du damit NICHT beweisen, dann musst du dich schon mit
einem Experten messen.

Auch diesen Duktus verstehe ich überhaupt nicht. Auf dieser Liste wie
im ganzen Projekt geht es um Erkenntnisgewinn. Wenn hier einer Sachen
persönlich nimmt, dann bist nach meiner Wahrnehmung du das. Dabei
frage ich mich, wie das überhaupt geht. Hat irgendwer - außer dir -
gesagt, dass du blöd^H^H^H^H unwissend bist?

Davon abgesehen wäre es natürlich spannend rauszukriegen, *was* dich
an diesen GesellianerInnen-Thesen eigentlich genau begeistert - und ob
es einer kritischen Analyse stand hält. Ich meine, du willst uns doch
nicht sagen, dass du dich einfach von dem ja oft durchaus fein
gesponnenen Netz der GesellianerInnen hast einfangen lassen und jetzt
gar nicht weißt, warum du das eigentlich alles so gut findest. Das
wäre dann nämlich reine Glaubenssache und es gibt x Systeme, die von
innen alle sehr logisch aussehen. Aber über Glaubensfragen sollten wir
hier nun wirklich nicht diskutieren.

Last week (7 days ago) Michael Hoennig wrote:
ich mache einen Vorwurf daraus, aus der Tatsache, dass ich nicht alle
Fragen zur Freiwirtschaft beantworten kann, zu schließen, dass die
Freiwirtschft nichts tauge, obwohl klar ist, dass ich Laie bin.

Die Debatte um die GesellianerInnen ist so alt wie diese. Holger hat
auch erwähnt, dass er sich schon länger damit befasst hat, Holger
solche Kurzsichtigkeit vorzuwerfen finde ich schon am Rande der
Unverschämtheit.

Um die Kurz-Sicht zum Thema kennen zu lernen, kann ich übrigens nur

	http://www.giga.or.at/others/krisis/r-kurz_antisemitismus_krisis16-17_1995.html

empfehlen, wo eigentlich - IIRC - alles ganz nett erklärt ist.

Aber noch zu ein paar Inhalten aus diesem Sub-Thread.

Last week (11 days ago) Michael Hoennig wrote:
Der Kapitalismus ist eine unfreie Form der Marktwirtschaft, in dem der
Marktfaktor Kapital den Vorteil gegen überandern Warenarten
(Produktionsfaktoren) hat, dass er sich vom Markt zurückziehen könnte und
damit einen Zins erpressen kann.

Hier machst du m.E. einen fundamentalen Fehler. Deine Sicht ist die,
die früher mal als kleinbürgerlich bezeichnet wurde, und die Kapital
mit einem Schatz verwechselt. Ein Schatz ist dazu da gehortet zu
werden. Kapital ist überhaupt erst Kapital wenn es sich verwertet, das
heißt in Umlauf gehalten wird. Es gibt hier also einen kategorialen
Unterschied, der in deiner Argumentation völlig verwischt. Dieser
Unterschied unterscheidet aber gerade kapitalistisches Geld von
vor-modernem.

Es ist also keineswegs so, dass das Kapital sich irgendwie anders
zurückziehen könnte als die Seite der Arbeit. Und in Zeiten, in denen
Vollbeschäftigung herrscht - ja, das gab's mal in den 1970ern - ist
die Macht des Faktors Arbeit sogar größer als die des Kapitals. Die
einzelnen KapitaleignerInnen merken dann nämlich sehr wohl, dass der
Faktor Arbeit sie meiden kann und sie ihr Kapital eben nicht mehr
verwerten können.

Konsequent zu Ende gedacht müsstest du also auch gleich einen
Arbeitszwang einrichten, damit auch ja die Seite Arbeit nicht in die
Übermacht kommen kann. Aber IIRC haben die GesellianerInnen auch das
gleich im Köcher...

Nun, alles sehr kraus. Was das mit Freier Software / Commons-basierter
Produktion zu tun haben könnte, ist mir völlig unklar. Ideen?

Zins ist leistungsloses Einkommen, d.h.
andere müssen dafür arbeiten.

Leistungsloses Einkommen wird auch gerne mit Mehrwert bezeichnet.
Mehrwert ist genau der Teil des Werts einer Ware, der über ihre
Gestehungskosten hinaus geht. Zins ist nur eine Form des Mehrwerts,
bei der es scheint, als würde der produktive Teil weg fallen. Das ist
aber nur Schein.

Würdest du den Mehrwert ganz abschaffen - über dessen Höhe sich die
Arbeiterbewegung Jahrhunderte lang erbitterte Kämpfe mit der
Kapitalseite geliefert hat -, entfiele der (entfremdete) Grund Kapital
produktiv einzusetzen - mensch würde ja nichts mehr dran verdienen.

Ich bin völlig bei dir, den Mehrwert und mit ihm den von ihm
abgeleiteten Zins ganz abzuschaffen, denn damit wäre Wert und Geld
jeglichen Sinns beraubt. Das ist in der Freien Software / den Commons
so. Und das existiert sogar schon keimförmig, aber deutlich sicht- und
studierbar.

Die Freiwirtschaft ist eine freiere Form der Marktwirtschaft, in der keine
Warenart einen solchen Vorteil hat (weder Kapital noch Boden).

Eine freiere Form, in der bestimmte durchaus nur abgeleitete
Nutzungsarten von Geld verboten werden? Das finde ich zumindest
erklärungsbedürftig.

In der
Freiwirtschaft gibt es daher auch langfristig gesehen keine leistungslosen
Einkommen, die auf Zwang basieren.

Jeder Mehrwert beruht auf einem strukturellen Zwangsverhältnis. Auch
der einfache Gewinn, den die mittelständische UnternehmerIn sich aus
dem Mehrwert aneignet ist auf einem solchen strukturellen
Zwangsverhältnis gegründet.

Anstatt aber zu versuchen, einen ausgewählten Schein des universalen
Zwangsverhältnisses abzuschaffen, würde ich lieber das ganze
Zwangsverhältnis abschaffen. Das scheint mir jedenfalls ein wesentlich
konsistenterer Ansatz.

Ich bin jedenfalls fest davon überzeugt, dass wir schon in der
bestmöglichen aller auf Tausch basierenden Welten leben. Besser wird's
nur noch, wenn wir den Tausch hinter uns lassen, zumindest aber aus
dem Zentrum der Vergesellschaftung nehmen. Darum geht's auch bei den
utopischeren Gedanken dieses Projekts.

Ansonsten scheint mir, dass Holger viel Richtiges gesagt hat. Ich
würde allerdings die Schwerpunkte ein wenig weniger klassisch setzen
;-) .


						Mit Freien Grüßen

						Stefan

--
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________________________________
Web-Site: http://www.oekonux.de/
Organisation: projekt oekonux.de



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