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[ox] heise online: Europaparlament bläst zum Halali auf die Tauschbörsen-Nutzer



Diese Meldung aus dem heise online-Newsticker wurde Ihnen von "Benni
<benni obda.de>" gesandt. Wir weisen darauf hin, dass die
Absenderangabe nicht verifiziert ist. Sollten Sie Zweifel an der
Authentizität des Absenders haben, ignorieren Sie diese E-Mail bitte. 
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Leider mal wieder eine verlorene Schlacht :-(
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Europaparlament bläst zum Halali auf die Tauschbörsen-Nutzer

Das Europaparlament[1] hat am heutigen Dienstagnachmittag ein heftig
umkämpftes "Kompromisspapier"[2] des Rats der Europäischen Union zur
"Richtlinie[3] über die Maßnahmen und Verfahren zum Schutz der Rechte
an geistigem Eigentum" in der entscheidenden Plenarabstimmung ohne
große Debatte durchgewunken. Eine Mehrheit von über 300 Parlamentariern
stimmte in Straßburg für das Paket, nur eine kleine Allianz aus Grünen,
Radikalen und Sozialisten lehnte es ab. Änderungsanträge, die etwa vom
fraktionslosen Italiener Marco Cappato[4] oder von den Grünen[5]
eingebracht worden waren, erhielten nur ein Minderheitsvotum von rund
150 Stimmen.

Ziel der Richtlinie sollte es nach Willen der EU-Kommission
ursprünglich sein, Inhabern und Verwertern von Urheber- und
Markenrechten scharfe Sanktionsmittel gegen kommerzielle Fälscher und
Produktpiraten in die Hand zu geben. Die Musik- und die Filmindustrie
erkannte in dem Vorstoß[6] aus Brüssel jedoch rasch ihre Chance, die
drastischen Strafen des Entwurfs auch gegen Privatkopierer, CD-Brenner
und die Nutzer von Online-Tauschbörsen in Stellung zu bringen, die sie
hauptsächlich für die eigenen Geschäftsprobleme verantwortlich macht.
So wurde der Geltungsbereich der Richtlinie mithilfe der
Parlamentsberichterstatterin Janelly Fourtou[7] und des EU-Rats
deutlich aufgebohrt[8]. Er beschränkt sich nun nicht mehr auf
kommerzielle Verstöße, sondern macht illegales Kopieren generell zur
Straftat -- zu privaten Zwecken begangene Urheberrechtsverletzungen
sollen nun nicht, wie urspränglich vorgesehen, nur bei einem
"nachhaltigen Schaden" für die Rechteinhaber geahndet werden.
Einschränkende Formulierungen wie "Rechtsverletzungen zu gewerblichen
Zwecken" wurden konsequent aus dem Gesetzestext gestrichen -- was
Fourtou, Gattin des Vivendi-Chefs, von vielen Seiten
Befangenheitsvorwürfe eingebracht hat.

Datenschützer[9], Verbraucherschützer, Bürgerrechtsverbände und
Organisationen aus dem Umfeld der freien Softwarebewegung hatten seit
längerem heftige Kritik an der Direktive[10] geübt. Dementsprechend
warnte Andreas Dietl von der "European Digital Rights"-Initiative
(EDRi[11]) nun gegenüber heise online vor dem Einzug von
"US-Verhältnissen" bei der Verfolgung von Tauschbörsen-Nutzern in
Europa. "Sturmtruppen" der Musikindustrie dürften seiner Meinung nach
bald die Wohnungen von Surfern nach Beweismaterial für
Urheberrechtsverstöße durchforsten. Auch andere Nutzerlobbys wie die
Initiative Privatkopie.net[12] oder das Grünen-nahe Netzwerk Neue
Medien[13] malen in einer gemeinsamen Stellungnahme Schreckensszenarien
mit "Hausdurchsuchungen und Kontosperrungen bei Jugendlichen" an die
Wand. Es sei eine "vollkommen unverhältnismäßige Richtlinie" auf den
Weg gebracht worden, die "Tauschbörsen-Nutzer mit dem Organisierten
Verbrechen gleichsetzt."

Unzufrieden zeigt sich auch Cappato mit dem Abstimmungsverhältnis. Der
Abgeordnete der Radikalen monierte im Gespräch mit heise online vor
allem den Prozess der Einigung[14] zwischen den
Parlamentsberichterstattern und dem Rat. Hinter verschlossenen Türen
sei in Anwesenheit der großen Industrielobbys verhandelt worden, sodass
die Richtlinie ohne echten Einbezug der Volksvertreter in aller
Schnelle verhandelt worden sei. Trotz einiger begrüßenswerter
Änderungen im Vorfeld biete das Gesetz nach wie vor Raum für einen
"völlig fehlgeleiteten Crackdown gegen Nutzer sowie kleine und mittlere
Unternehmen", fürchtet der Italiener. Schlicht als "desaströs"
bezeichnete die österreichische Grünen-Abgeordnete Mercedes Echerer[15]
das im Plenum erzielte Ergebnis. Ihre größte Sorge ist neben der
infrage gestellten Privatkopie die beschlossene Ausweitung des
Geltungsbereichs der Richtlinie auf Patente. "Das Parlament hat ein
Paradies für amerikanische Rechtsanwälte gebaut", kritisiert Echerer.
Der Einführung trivialer Softwarepatente, der das Parlament im
September die rote Karte gezeigt hat[16], stehe nun durch die Hintertür
nichts mehr im Weg.

Als "sehr bedauerlich" empfindet auch Evelyne Gebhardt[17],
SPD-Vertreterin im Europaparlament, den Versuch, "die klare
Stellungnahme zu Softwarepatenten durcheinander zu bringen". Die
Abgeordneten müssten in der 2. Lesung der entsprechenden Richtlinie
über "computerimplementierte Erfindungen" darauf achten, dass die über
den Umweg erfolgten Rechtsausweitungen wieder zurückgenommen würden.
Als Grundproblem sieht Gebhardt ähnlich wie Cappato die große Hektik im
Gesetzgebungsverfahren, die eine Schaffung anderer Mehrheiten
verhindert habe. Bürgerrechtler sprechen gar von "Taschenspielertricks"
der EU-Bürokratie angesichts der vorgezogenen Absprachen mit dem Rat.
Die Richtlinie kann so schon am Donnerstag endgültig von dem Gremium
der nationalen Minister abgesegnet und wenige Tage darauf amtlich
veröffentlicht werden.

Die nationalen Regierungen müssen die Gesetzesinhalte dann in eigenes
Recht umsetzen, wobei sich schon jetzt neue Konfliktherde für die
zweite Stufe der Urheberrechtsnovelle[18] hierzulande abzeichnen. Denn
die Balance zwischen den Belangen von Autoren und Verwertern auf der
einen sowie den Nutzern und der Öffentlichkeit auf der anderen Seite
ist mit der neuen EU-Richtlinie weiter zugunsten der Lobby des
geistigen Eigentums verschoben worden. Dennoch hat der
Bundesverband[19] der Phonographischen Wirtschaft bereits in einer
ersten Reaktion auf die Verabschiedung der Richtlinie Änderungsbedarf
hierzulande angemeldet: Der Musikindustrie geht es demnach vor allem um
eine zügige Regelung des von den Rechteinhabern geforderten
Auskunftsanspruchs[20] gegen Internet-Provider. (Stefan Krempl) /
 (jk[21]/c't)

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  http://www.heise.de/newsticker/meldung/45368

Links in diesem Artikel:
  [1] http://www.europarl.eu.int/
  [2] http://www.heise.de/newsticker/meldung/44054
  [3] http://register.consilium.eu.int/pdf/de/04/st06/st06376.de04.pdf
  [4] http://wwwdb.europarl.eu.int/ep5/owa/whos_mep.data?ipid=0&ilg=DE&iucd=4740&ipolgrp=NI&ictry=IT&itempl=&ireturn=&imode=
  [5] http://www.heise.de/newsticker/meldung/44993
  [6] http://www.heise.de/newsticker/meldung/34221
  [7] http://www.epp-ed.org/Members/en/ShowMember.asp?PERS_ID=4336
  [8] http://www.heise.de/ct/aktuell/meldung/40727
  [9] http://www.heise.de/newsticker/meldung/44075
  [10] http://www.heise.de/newsticker/meldung/39379
  [11] http://www.edri.org/
  [12] http://www.privatkopie.net/
  [13] http://www.nnm-ev.de/
  [14] http://www.heise.de/newsticker/meldung/44799
  [15] http://www.mercedes-echerer.at/
  [16] http://www.heise.de/newsticker/meldung/40547
  [17] http://www.gebhardt-mdep.de/
  [18] http://www.heise.de/ct/04/06/058/
  [19] http://www.ifpi.de/
  [20] http://www.heise.de/newsticker/meldung/42871
  [21] jk ct.heise.de

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