Re: [ox] soziale Mechanismen von Softwareentwicklung am Beispiel Wikis
- From: Thomas Uwe Gruettmueller <sloyment gmx.net>
- Date: Sat, 6 Mar 2004 20:17:25 +0100
Hi, Franz!
Der wichtigste Unterschied zwischen der Wikipedia und den
Wikiservice.at-Wikis ist imho, daß der Inhalt der Wikipedia frei
ist. Diesen Punkt hat Helmut total ausgeklammert.
Zur Erklärung: Die Wikipedia verlangt von jedem Teilnehmer, daß
die Beiträge, bzw. Änderungen unter die GFDL gestellt werden
müssen. Dementsprechend darf Textmaterial nur übernommen werden
aus gemeinfreien Quellen (z.B. Lexikonartikel von 1888),
teilweise aus anderen GFDL-Texten (unter Beachtung der
bürokratischen GFDL-Regeln) oder aus dem selbstgeschriebenen
Bestand. Eine entsprechende Bemerkung steht deutlich unter jeder
Edit-Box. (Trotzdem raffen es einige nicht und kopieren ganze
Artikel von sonstwoher. Das ist imho die schlimmste Form von
Vandalismus, mit der sich die Wikipedia rumschlagen muß.
Penis-Bilder auf der Titelseite o.ä. sind dagegen harmlos.)
Anders z.B. im Gründer-Wiki: Dort gibt es unter den Edit-Boxen
keinen solchen Hinweis, und selbst nach aktiver Suche findet man
nur dies:
http://www.wikiservice.at/gruender/wiki.cgi?action=HomePage#aktuelleRegeln
Demzufolge hat derjenige, der dort schreibt, "mit der weltweiten
Publikation seiner Beiträge im Rahmen dieses Wiki einverstanden"
zu sein -- mehr nicht. Während also in der Wikipedia schon
manche Leute von einer ledergebundenen, gedruckten Ausgabe
träumen, dürfte es sogar schwer werden, das Gründer-Wiki auf
einen anderen Server umzuziehen (Dann wäre es ja nicht mehr das
selbe Wiki.), geschweige denn zu forken.
(Eine Policy zur Verwendung einer freien Lizenz kann übrigens
auch nicht nachträglich eingeführt werden, denn diese Regelung
würde ja die bestehenden Inhalte nicht betreffen. Es müßte somit
erst das Einverständnis aller bisherigen Teilnehmer eingeholt
werden.)
- - - - -
Helmuts Ansichten zur Wikipedia, insbesondere zur Kultur und zur
Idee hinter der Sache, kann ich nach meinen bisherigen
Erfahrungen nicht zustimmen. Ich wundere mich daher nun, was in
anderen Wikis wohl Seltsames abgeht???
Am Samstag, den 06. März 2004 um 13:30, zitierte Franz Nahrada
Helmut Leitner:
Innerhalb der WikiPedia werden Einflußzonen von Editoren
entstehen, die letztlich kontrollieren, was die "Wahrheit der
Wikipedia" ist.
Es gibt imho keine Wahrheit, sondern nur Ansichten, davon
wiederum so viele wie Beobachter, und das auch nur zu einem
einzelnen Zeitpunkt. Je weiter man diesen Gedanken treibt, um so
schwerer wird es, überhaupt ein Lexikon zu schreiben...
Um mit den verschiedenen Ansichten klarzukommen, gibt es in der
Wikipedia das NPOV-Konzept. D.h. der (fiktive) "Erzähler" des
Artikels stellt die verschiedenen Ansichten gegenüber, ohne
selbst Partei zu ergreifen. Dies ist jedoch keine inhaltliche
Einschränkung, sondern ein stilistischer Trick, durch den
inhaltliche Einschränkungen abgebaut werden. Was dabei
herauskommt, ist ein bisher ungekanntes Maß an Objektivität.
Ein gutes Beispiel ist imho z.B. der Artikel "Wiedervereinigung".
Auch wirkt es Wunder, unsachliche Artikel unter "Artikel, die
mehr Neutralität benötigen" aufzulisten. Ich denke nicht, daß
einmal sachliche Artikel so schnell wieder unsachlich werden.
Das wäre Vandalismus.
Es wird auch nicht mehr so leicht sein, sich
in Zukunft Räume zu sichern,
Was ist damit gemeint? Daß man einen Artikel gestartet hat? Das
interessiert doch später keinen mehr, wenn er zigmal geändert
wurde.
oder Themen zu entwickeln. Die
zweiten 100.000 Seiten sind nicht so lohnend, wie die ersten
100.000. Es müssen neue Ziele gefunden werden,
Institutionalisierung findet bereits statt.
Erste Anmerkung: Hier wird mir nicht klar, in wie weit das Wort
"lohnend" überhaupt auf die Wikipedia paßt.
Zweite: Wissen verästelt sich sehr stark, und nach ein paar
100.000 Themen ist natürlich noch lange nicht Schluß. So
schreiben bereits etliche Leute über ihre verrückten Hobbys
("Bobbing for Apples", "Einrad-Hockey"), aber auch die ernsteren
Themen wachsen und verteilen sich dann nach einer Weile auf
mehrere Artikel (z.B. tendiert die Geschichte der verschiedenen
Staaten schnell dazu, aus der jeweiligen geographischen
Übersicht in einen eigenen Artikel zu ploppen). Dabei könnte es
durchaus sein, daß die Wikipedia schnell über das Ziel eines
herkömmlichen Lexikons hinausschießt und nicht nur alle Themen
grob anreißt, sondern auch Detailwissen zum Lernen bereitstellt.
Für Leute, die an Bildung interessiert sind, lohnt es sich also
durchaus, auch an den nächsten 100.000 Artikeln mitzuwirken.
Außerhalb wird das Problem entstehen, dass Menschen glauben,
sie bräuchten nur die Technik der WikiPedia verwenden, um
ebenso erfolg- reich und in den Medien zu sein.
Möglich, aber dies war ja nicht das Ziel der Wikipedia, sondern,
eine freie Enzyklopädie zu schaffen.
cu,
Thomas }:o{#
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"Look! They have different music on the dance floor..."
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