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[ox] heise online: EU-Rat macht sich für grenzenlose Softwarepatente stark



Diese Meldung aus dem heise online-Newsticker wurde Ihnen von "Benni
<benni obda.de>" gesandt. Wir weisen darauf hin, dass die
Absenderangabe nicht verifiziert ist. Sollten Sie Zweifel an der
Authentizität des Absenders haben, ignorieren Sie diese E-Mail bitte. 
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Wie man sieht, hat Hartmut einen guten Draht zum Heise-Ticker. Das ging
ja schnell :-)
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EU-Rat macht sich für grenzenlose Softwarepatente stark

Schneller als erwartet[1] hat der Rat der Europäischen Union[2] unter
seiner irischen Präsidentschaft Position zur heftig umstrittenen Frage
der Patentierbarkeit von Software bezogen. Das entsprechende
Arbeitspapier[3] soll am 2. März von der Ratsgruppe "Geistiges
Eigentum" diskutiert werden. Doch schon vorab stößt es auf heftige
Kritik von Softwarepatentgegnern wie dem Förderverein für eine Freie
Informationellen Infrastruktur (FFII[4]), der das Dokument auf seiner
Website kommentiert[5] hat. Grund für die Aufregung: Die Experten des
Ministerrats wollen fast alle Grenzen der Patentierbarkeit
"computerimplementierter Erfindungen" wieder zurücknehmen, die das
Europaparlament nach langen und heftigen Debatten im September
beschlossen hatte[6].

"Gestrichen" oder "umformuliert" ist die Standardformel in den
Fußnoten, wenn der neue Text auf die Änderungen der Abgeordneten zu
sprechen kommt. Zwar macht der Rat einzelne kleine Zugeständnisse an
das Lager der Softwarepatentkritiker: So sollen die Auswirkungen der
EU-Gesetzgebung laut Artikel 7 "insbesondere auf die kleinen und
mittleren Unternehmen und die Open-Source-Bewegung" hin untersucht
werden. Von einem "Kompromiss" könne dennoch keine Rede sein, stemmt
sich der FFII gegen die Argumente des Rats. "Es ist, als wenn als
Ergebnis einer Diskussion über Tempolimits auf den Straßen nicht nur
die Geschwindigkeitsbeschränkungen aufgehoben, sondern auch noch die
Gurtpflicht abgeschafft würde", kommentiert der belgische FFII-Sprecher
Jonas Maebe die Kehrtwende in Brüssel.

Was den Verband besonders beunruhigt, ist die erneute Entgrenzung der
begrifflichen Fassung "computerimplementierter Erfindungen". So soll
der "technische Beitrag", der für die Gewährung des staatlich gewährten
Monopolschutzes in Form eines Patents eigentlich entscheidend ist, sich
nun allein daran bemessen lassen, "inwieweit sich der Gegenstand des
Patentanspruchs in seiner Gesamtheit [...] vom Stand der Technik
abhebt." Damit würden sich die Autoren des Rats auf die so genannte
Ganzheitslehre berufen, kritisiert Hartmut Pilch vom FFII. Diese gelte
in der gesamten aktuellen Fachliteratur jedoch als "indiskutabel", da
damit letztlich jeder Schutzanspruch als "technisch" bezeichnet werden
könne. Dies beträfe auch die Patentierbarkeit von Geschäftsmethoden,
die der Rat -- genauso wie die Kommission[7] und das Parlament --
eigentlich als nicht schutzfähig aus der Richtlinie ausschließen will.
Der Kern der bisherigen Patentbestimmungen und der überarbeiteten
Richtlinie, wonach die Datenverarbeitung nicht als Gebiet der Technik
gilt, gehe damit verloren, warnte Pilch im Gespräch mit heise online.
Ein solcher Ansatz verstoße sogar gegen internationale Abkommen wie die
TRIPS-Übereinkunft[8] im Rahmen der World Intellectual Property
Organization (WIPO), auf die sich die Patentlobby ansonsten so gerne
berufe. Eine klare Definition des Technikbegriffs sei in der Richtlinie
unerlässlich.

Als Provokation sieht der FFII ferner den Versuch des Rats,
Patentansprüche letztlich mit dem wieder entdeckten Artikel 5 (2) auch
auf Computerprogramme im Quellcode zu gewähren. Hier befürchteten die
Patentgegner vor allem, dass die Publikationsfreiheit von Software
drastisch eingeschränkt werden soll. Sie sehen Entwickler und
Distributoren von Software ebenso wie andere Informationsmittler wie
etwa Internet-Zugangsanbieter damit "direkt den schweren Geschossen der
Patentjustiz ausgesetzt", falls sie patentgeschützten Code nur im Netz
bereithalten würden. Die Anbieter könnten genauso behandelt werden wie
die "Lieferanten von Industriegütern". Der FFII vermisst ferner die vom
Parlament eingeführte Interoperabilitätsklausel, die der
Monopolisierung technischer Standards entgegenwirken sollte. Zudem
würden Patentinhaber dem Rat zufolge nicht mehr angehalten, ihre
geschützten Programmtexte im Interesse der Öffentlichkeit zu
publizieren.

Die "völlige Begriffsverwirrung", die Pilch in das neue Papier
eingewebt sieht, ist nach Ansicht des FFII strategisch angelegt. Es
handele sich um ein Signal, erklärte Pilch gegenüber heise online, die
Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts[9] und deren weit
gefasste Patentierungspraxis als den eigentlichen Maßstab für die
Zukunft zu etablieren: "Die Ratsgruppe scheint die Richtlinie insgesamt
beerdigen zu wollen". Danach könne Artikel 52[10] des Europäischen
Patentübereinkommens, der bislang Schutzansprüche auf Programme "als
solche" zumindest dem Wortlaut nach verbietet, von einer europäischen
Regierungskonferenz gestrichen werden. Um dies zu verhindern, wäre es
dem FFII am liebsten, wenn neben dem Europaparlament auch die
Abgeordneten auf nationaler Ebene bereits jetzt über
Entschließungsanträge stärker Einfluss auf den Brüsseler
Gesetzgebungsprozess nehmen würden. (Stefan Krempl) /
 (jk[11]/c't)

URL dieses Artikels:
  http://www.heise.de/newsticker/meldung/44917

Links in diesem Artikel:
  [1] http://www.heise.de/newsticker/meldung/42439
  [2] http://register.consilium.eu.int/
  [3] http://register.consilium.eu.int/pdf/de/04/st05/st05570.de04.pdf
  [4] http://ffii.org/
  [5] http://swpat.ffii.org/papiere/europarl0309/cons0401/index.de.html
  [6] http://www.heise.de/newsticker/data/jk-24.09.03-000/
  [7] http://www.heise.de/newsticker/meldung/25015
  [8] http://www.wto.org/english/tratop_e/trips_e/trips_e.htm
  [9] http://www.european-patent-office.org/
  [10] http://www.european-patent-office.org/legal/epc/d/ar52.html#A52
  [11] jk ct.heise.de

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