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Re: [ox] Ein Versuch



zum Posting von Claus Mueller <claus open-craft.org>

Lieber Claus,

angeregt durch Oekonux und Koncraft (http://www.koncraft.de) habe ich ein 
Projekt ins Leben gerufen, mit welchem ich versuche, die Gedanken von
Oekonux 
in der Praxis umzusetzen. 
Im folgenden der Text, den ich an verschieden Stellen versandt habe:

danke für diesen bedeutenden Schritt. Das ist vielleicht das,
was einige von uns seit Jahren als"virtuelle Genossenschaft" 
thematisieren und anstreben. Unabhängig von all dem, was ich 
unten im Detail anmerke: mir gehts echt gut bei Deinem Posting.

OK, laß uns mal damit arbeiten!

Ich setz mal als Arbeitsdefinition:

Eine Genossenschaft ist ein Zusammenschluß von mehreren Unternehmen,
die einige Dinge gemeinsam machen. 

Eine virtuelle Genossenschaft ist ein potentiell unendlicher 
Zusammenschluß von Unternehmen, die mit freien partizipativen
Ressourcen arbeiten. An die Stelle von "Unternehmen" könnte man auch 
das neutralere Wort von den "assoziierten Produzenten" setzen.

Concraft scheint mir den klassischen Genossenschaftsweg zu gehen.

Open-Craft hingegen den Weg der virtuellen Genossenschaft.

meines Wissens ist es das erste Mal, daß letzterer Weg betreten wird.
Es ist wert, diese Tatsache einer breiteren Öffentlichkeit bekannt zu
machen.

eigentlich absurd, wenn man bedenkt, wieviele genossenschaftliche 
Produktionsbetriebe auf der Welt nach dem Prinzip der Gemeinnützigkeit
organisiert sind (z.B. Kibbuzzim, Benediktinerklöster, ...)

Das Potential für virtuelle Genossenschaften sollte daher vom Start weg
nicht allzu klein sein!

Aber die Schwierigkeiten sind auch nicht klein, siehe unten!


Open-Craft.org will gr??er werden

Das ist immer gut! Eine virtuelle Genossenschaft wird nämlich umso
leistungsfähiger je größer sie wird.


Open-Craft.org ist ein Projekt der Schreinerei Klee4
(http://www.klee4.de) in 
Ilsfeld (Landkreis Heilbonn). Aus Liebe zu freier Software stellt die 
Schreinerei Klee4 bislang auf der Internetseite http://www.Open-Craft.org 
...
zur Verf¸gung.

Einer muß den Anfang machen, verliert vielleicht aber die Lust, wenn
nichts zurückkommt. Mir scheint daß die Sache derzeit noch sehr einseitig
von Dir ausgeht.

Doch Open-Craft.org soll gr??er werden. Es soll seinem Namen gerecht
werden 
und zu einer Gemeinschaft von Handwerkern heranwachsen, die im freien 
Informationsaustausch die M?glichkeit wahrnehmen weiter zu kommen, als
durch 
Abgrenzung voneinander.

Mich stört ein wenig das einschränkende Wort "Handwerker". natürlich sind
das die wesentlichen  Träger, aber zu einer freien Entwicklung können auch
andere Akteure beitragen. 

Z.B. die Kunden, Hobbybastler, wissenschaftliche Forschungsinstitute,.....

Da hab ich einiges vom OsCar Projekt gelernt, das im Ansatz auf eine
virtuelle Genosssenschaft ging, aber leider komplett abgehoben von der
Produzentenschiene! Dennoch war das Potential an Goodwill und Kompetenz,
das in dieses Projekt fließen wollte, anfangs sehr groß!

Angeregt durch die Projekte Koncraft (http://www.koncraft.de) und Oekonux 
(http://www.oekonux.de) versucht Open-Craft.org die diesen Projekten
zugrunde 
liegenden Gedanken zu verbinden.

Das ist gut so. Ich freu mich schon auf die Präsentation auf der
Oekonuxkonferenz im Mai in Wien, machst Du bitte einen Vorschlag für ein
Referat, Workshop etc. Deinerseits? 

Im Projekt Koncraft haben sich f¸nf Schreinereien zusammengetan "....um
Ihre 
Erfahrung und Kompetenz auszutauschen.[...] Durch Arbeitsteilung wurden 
Projekte entwickelt, die die Arbeitsleistung der einzelnen Betriebe 
¸berfordert h?tte. Koncraft ist ein virtuelles Unternehmen, dass via
Internet 
kommuniziert und alle Daten und Projekte auf einem Internetserver
abgelegt 
hat. Die beteiligten Betriebe und Partner haben ¸berall und zu jeder Zeit 
Zugriff auf die Daten."

Unsere Interpretation dieser Zusammenarbeit ist, dass sich diese Betriebe 
durch den internen transparenten Informationsaustausch einen Wettbewerbs?
vorteil verschaffen ("Informationskartell" - dies ist nicht als Angriff 
gemeint, unterscheidet sich aber grunds?tzlich vom Ansatz von 
Open-Craft.org). Doch wir gehen einen Schritt weiter (s.u.)

ganz genau. Denn dieser Schritt ist der wesentlichste!

Im Projekt Oekonux wird diskutiert "... ob die Prinzipien der Entwicklung 
Freier Software (im Kern tauschfrei, selbstorganisiert, allgemeine und 
uneingeschr?nkte Teilhabe am Produktionswissen) eine neue ÷konomie
begr¸nden 
k?nnen, die nicht mehr auf dem Dogma der wirtschaftlichen Knappheit
beruht. 
[...] Eine eng damit zusammenh?ngende Frage ist, ob, wo und wie sich
bereits 
innerhalb des gegebenen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Rahmens
eine 
Kultur Freier Informationsg¸ter herausbildet, und damit die Prinzipien
der 
Entwicklung Freier Software in anderen Bereichen fruchtbar macht."
Open-Craft.org will auf der Grundlage des Ansatzes von Oekonux den
Gedanken 
des vermeintlichen Vorteils eines Informationskartells ¸berwinden. Es
setzt 
auf die Dynamik freier Entwicklung. Das hei?t, wir gehen davon aus, dass
sich 
durch den quelloffenen Austausch von Information eine st?rkere
Dynamisierung 
ergibt, die sich im Endeffekt zum Vorteil aller auswirkt.

Einerseits ist der Schritt positiv und zu begrüßen, andererseits wird IMHO
eine virtuelle Genossenschaft umso besser, je klarer die Vorgaben oder
zumindest Zielformulierungen des Maintainers sind. (Dazu hab ich unlängst
was von Kim Veltman gepostet: ich halte das Kathedralenmodell für
treffefnder als das Bazaarmodell, Helmut Leitner vom GründerWiki hat aber
dann die schöne Auflösung gemacht, daß wahrscheinlich beide Metaphern das
wesentliche an freier Software nicht treffen, daß vielleicht das Modell
"Garten wissend planen und anlegen und schauen was wächst und was
gebraucht wird" eine bei weitem gescheitere Metapher ist, die sowohl die
Maintainerrolle als auch die freie Kooperation beinhaltet)

Die erste Entwicklungstufe hat Open-Craft.org durch die Bereitstellung
von 
Kalkulations?tabellen zur Preiskalkulation, Zeiterfassung, ... bereits 
erreicht.

Dazu müßte man selbstkritisch sagen: das ist natürlich Wissen, das voll
und ganz an der betriebswirtschaftlichen Form der Produktion hängt.

Die n?chste Stufe kann durch den Austausch von Konstuktionszeichnungen
oder 
Kalkulations?grundlagen erreicht werden. In welcher Form dies geschehen
kann, 
muss noch diskutiert werden. 

Hier ist der Punkt, an dem man sagen könnte: die Konstruktionszeichnungen
sind so gut wie der Prozeß, durch den sie gegangen sind. Ulrich Sigor, der
die Theorie der virtuellen Genossenschaften schon vor nahezu 10 Jahren
entwickelt hat, hat nicht umsonst für synchrone Telekooperation im
Entwurfsprozeß plädiert.

Es ist allerdings auffällig und signifikant, daß die dafür notwendigen
Werkzeuge im Kontext der allgemeinen Softwareentwicklung eher
unterentwickelt sind, rudimentär und mehr oder weniger bewußt
vernachlässigt.

Open-Craft.org l?dt daher alle Handwerker ein zum quelloffenen kreativen 
Austausch. Wir laden ein zum fr?hlichen Diskutieren, in welcher Form ein 
Austausch stattfinden kann, wo Grenzen sind, in welcher Form man sich 
organisiert,... .

Wenn Ihr das ernst nehmt, werden Ihr auf eine Fülle von unerfüllten
Voraussetzungen stoßen:

?  Es gibt wenig bis gar keine systematisch entwickelte Entwurfssprachen
für kooperative Entwicklungen.

? Es gibt wenig "realisierende Technologie", die an freie Designs
anknüpfen kann. (Unlängst war ich bei einem Farbenhändler, dort suchte ich
mir eine von zehntausenden möglichen Farben aus. Die Mischmaschine war
angeschlossen an einen Computer, der in wenigen Sekunden aus den drei
Grundfarben und einer Trägersubstanz die gewünschte Farbe herbeizauberte.
Natürlich war das ein integriertes, proprietäres System, das schon bei
hunderten Farbenhändlern herumsteht, aber kein freies)
CNC-Schreinermaschinen, z.B. Kreissägen, sind auf abstrakte Produktivität
berechnet, nicht auf Umsetzung von Entwürfen und künstlerische Integration
verschiedener Arbeitsvorgänge. Insoferne ist Uli Sigors klassischem
Verdikt zuzustimmen, daß eine kapitalistische Kreissäge eben nicht
dasselbe ist wie eine sozialistische Kreissäge. 

? Es gibt keine Vorarbeit auf dem Gebiet der sozialen und institutionellen
Innovationen, die für die Aufrechterhaltung eines solchen Prozesses
entwirtschafteter kooperativer Tätigkeit vonnöten sind.

also die Fröhlichkeit schwindet, wenn man die Sache objektiv betrachtet,
und ein großer Berg unerledigter Aufgaben tut sich auf. Das soll aber
Eurer Fröhlichkeit natürlich keinen Abbruch tun!!

Interessierte m?gen bitte auf der Forumsseite von
http://www.Open-Craft.org an 
der Diskussion teilnehmen.

Naja, es kommt auch hier zum Ausdruck daß es mal um unerfüllte
Voraussetzungen geht. Bitte nicht den Mut nehmen lassen und lieber einen
gescheiten Zielkatalog formulieren als Kompromisse mit schlechten
existierenden Technologien machen.


beste Grüße

Franz Nahrada
GIVE Forschungsgesellschaft 
Labor für Globale Dörfer

________________________________
Web-Site: http://www.oekonux.de/
Organisation: projekt oekonux.de



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