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Re: [ox] Objektive Interessen???



Hi Holger et al!

Ein paar Bemerkungen hierzu.

3 weeks (21 days) ago Holger Weiss wrote:
* "Franz J. Nahrada" <f.nahrada reflex.at> [2003-05-01 22:08]:
In der Rede von "objektivem Interesse" liegt ein seltsamer
Widerspruch. Objektiv ist da gerade das Interesse, das ein bloß
zugerechnetes, nicht aktuell manifestiertes ist.

"Bloss zugerechnet": Das ist hier halt die Frage.

Aber das ist die entscheidende Frage! Du müsstest ein Kriterium
angeben können, wo es eben nicht "bloss zugerechnet" ist. Ich glaube
nicht, dass das gelingen kann.

`Objektivitaet' meint
tatsaechlich erstmal etwas vom subjektiven Bewusstsein unabhaengig
begreifbares. Ein Subjekt mag qua gesellschaftlicher Position ein
bestimmtes Interesse haben (oder auch qua "Mensch sein", das Beispiel
Nachhaltigkeit wurde ja genannt). Dieses Interesse hat es also,
_insofern_ es in der bestimmten gesellschaftlichen Stellung, _insofern_
es Mensch, _insofern_ es sonstwas ist.

Der Mensch also in bestimmten Rollen. Ok. Aus den Rollen heraus lassen
sich wahrscheinlich irgendwelche Interessen ableiten, wenn - und das
ist der entscheidende Knackpunkt - bestimmte Bedürfnisse unterstellt
werden. Das Auseinanderklaffen "objektiver Interessen" von den
subjektiven kommt dann nämlich genau daher, dass die Menschen nicht
die Bedürfnisse haben, von denen die Avantgarde meint, dass sie sie
doch eigentlich haben müssten. Oder wahlweise, dass diese Menschen zu
doof sind, die "richtige" Vermittlung ihrer Bedürfnisse zu begreifen,
die sich in den "objektiven Interessen" widerspiegelt.

Diese Geringschätzung der Menschen ist m.E. ein zentraler Pferdefuß
früherer linker Ansätze und auch heute noch weit verbreitet.

Nun bin ich nicht dafür, gar nicht mehr über unterschiedliche
Einschätzungen der Welt, unterschiedliche Vermittlungsformen, etc.
nachzudenken - sonst wäre ich nicht hier. Aber wenn ich es mir
irgendwann mal so einfach mache und von den "objektiven Interessen"
schwadroniere, die das dumme Volk ja nur nicht erkennt, dann weise
mich bitte jedeR auf diese Mail hier hin ;-) . Mein Ansatz ist
gänzlich anders. Ich möchte eine solche Diskussion als Angebot machen,
wo Leute sich einklinken können - oder auch nicht. Ich bin daran
interessiert, wo Menschen empfinden, dass das Angebot nicht mit ihren
Bedürfnissen zusammenpasst - nur so kann ich etwas lernen und
vielleicht auch andere.

Mit Deinem (und StefanMz's)
Begriff der "Transzendenz" bzw. "Zurechnung" bin ich aber dann nicht
einverstanden, wenn er unterstellt, dass ein beliebiger Bezug zu etwas
dem Subjekt aeusserlichem, etwas unabhaengigem Dritten hergestellt wird.
Das Subjekt _ist_ ja in einer bestimmten gesellschaftlichen Position, es
_ist_ Mensch, es _ist_ sonstwas, ob es will oder nicht.

Das ist aber immer noch *deine* Analyse. Offensichtlich fällt die
nicht notwendig mit dem zusammen, was die von deiner Analyse
Betroffenen über sich denken. Dieses Auseinanderklaffen würde ich
nicht gering schätzen.

`Objektives
Interesse' meint ein Interesse, das unabhaengig vom Bewusstsein des
Subjektes bestimmbar ist, nicht unabhaengig vom Subjekt. Zum
"Widerspruch" wird das erst dann, wenn `Subjekt' tatsaechlich als ein
von jeglichem gesellschaftlichen Zusammenhang isoliertes Individuum
verstanden wird, welches dann tatsaechlich nur noch beobachtet oder nach
seiner Meinung befragt werden koennte.

Hmm...

Das Muster ist bekannt und lautet z.B.: "die Arbeiterklasse hat das
objektive Interesse an Sozialismus, weil sie vom Kapitalismus nichts
als Ausbeutung zu erwarten hat oder zunehmend nicht mal die".

So. Interessant ist jetzt, warum sich nicht bestimmen lassen soll, ob
diese Aussage richtig oder falsch ist.

Noch viel wichtiger als diese Frage scheint mir, was aus einer solchen
Aussage folgt. Auf welche Frage ist sie denn eine Antwort?

Dieses Argumentations- muster geht an den tatsächlichen Interesen
vorbei bzw. nimmt diese als "subjektive" Interessen zur Kenntnis.

Das "Argumentationsmuster" beinhaltet, dass "tatsaechliche" und
"subjektive" Interessen nicht notwendig identisch sind. Es beinhaltet
keineswegs, dass das, was Du subjektive Interessen nennst, nur "zur
Kenntnis genommen" und nicht erklaert sein will. Deine Aussage hat auch
unterschwellig etwas moralisches: "Die individuellen Beduerfnisse werden
nicht ernst genug genommen", oder so aehnlich. Das geht m.E. voellig am
Thema vorbei.

Mag sein. Ich denke das Kriterium zu nennen, wo deine "objektiven
Interessen" eben nicht entfremdet sind, könnte klären.

Wir kennen die Folgen.

Nein Holger, Du haeltst Dich trotzdem mit Polemik zurueck.

Danke :-) .


						Mit Freien Grüßen

						Stefan

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Organisation: projekt oekonux.de



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