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[ox] Welt - Gewalt - Ordnung - oder wozu Soziologie taugt



Das Ärgerliche und Affirmative an der soziologischen Herrschaftauffassung
tritt manchmal klar zutage, wenn so ein wissenschaftliches Arschloch seine
Kategorien unmittelbar auf Wirklichkeit zu beziehen müssen meint.
Folgendes zum untenstehenden Artikel, der dem ORF eine Schlagzeile wert
war, ist daher nicht offtopic, sondern eine sehr schmerzhafte Lehre, warum
die systematische Soziologie nichts zum Verstehen der Welt und daher auch
nichts zu ihrer Veränderung taugt.

Wenn man die realen sozialen Zwecke zugunsten von Abstraktionen wie
"Möglichkeit, strukturiert handeln zu können" verwandelt hat, dann ist das
Kompliment an die realen Machthaber, sie würden Ordnung stiften, auch
problemlos mitten in der schönsten Schlächterei und Aufmischung der Welt
zu machen. Wäre ja ein Wunder, wenn ein eifriger Adept seiner Wissenschaft
nicht gerade jetzt die einmalige Gelegenheit ergriffe,  in der
wissenschaftlichen Welt und darüber hinaus den Krieg für die Propaganda
seiner Disziplin zu benutzen.

Denn dafür taugt die Soziologie (fast) einzig und allein: sich selbst
wichtig zu machen und allem, was passiert einen Schein der Begründung zu
verleihen. Würde eine (gewaltsame) Revolution passieren und Bush
weggefegt, dann würde sich der Soziologe vielleicht auch auf ihre Seite
stellen - er weiß ja den tieferen Grund *jeder*  Gewalt. Grenzenloser
Opportunismus und grenzenloser Schwachsinn paaren sich hervorragend. 

Für das oekonux - Anliegen einer gewaltfreien Kooperation sind meiner
Meinung nach die Abstraktionen dieser Wissenschaft nicht brauchbar. Wir
müssen uns schon die Mühe machen, Unterschiede wahrzunehmen und nicht
einzuebnen.

In einem hat er freilich recht: der Gewaltcharakter der Freiheit tritt
tatsächlich unverhüllt zutage. Wer Freiheit per se zum politischen
Programm erhebt, meint etwas anderes. Daß die Zunahme von Gewaltmitteln
und der Terrorismus nach nur viel mehr und weiterer Gewalt schreit, ist
eine mehr als seltsame Logik. Die Terroristen sehens im übrigen genauso.

Wenn die zivile Gesellschaft sich solche geistigen Patrone gefallen läßt,
wird sie über den Status einer Sonntagsrede nicht hinauskommen. Wenn wir
das Prinzip freier Software verallgemeinern wollen, dann suchen wir auch
nach etwas das effektiver ist als Gewalt. Das ist der Sinn unserer Debatte
und so glaube ich Stefan zu verstehen. Solange uns das nicht gelingt,
werden immer wieder wissenschaftliche Geister vom Krieg fasziniert sein
(Der ist ja nicht der einzige, auch Kittler und andere spinnen momentan
hemmungslos drauflos)

Franz


http://orf.at/[PHONE NUMBER REMOVED]/index.html

"Ordnung und Freiheit durch Gewalt"

Ein Krieg als "Probe aufs Exempel": Friedensstiftende Hegemonialansprüche?
In der Debatte über die Beweggründe für den Irak-Krieg meldet sich jetzt
auch der deutsche Soziologe Karl Otto Hondrich mit einem Aufsehen
erregenden Beitrag zu Wort.

In einem umfangreichen Text sieht er in dem Militärschlag ein Exempel, das
die USA als "nach dem Untergang des Sowjetimperiums und vor dem Aufgang
Chinas und Indiens einzige Gewaltmacht auf der Welt" statuieren.

Gewalteinsatz als Stichprobe

"Ginge es in ihm nur um den Irak, genügte die Kriegsdrohung. Aber nur der
Krieg selbst zeigt, was die Drohung allein nicht zeigen kann: dass die USA
sie wahr machen. Den Anspruch, Ordnungsmacht zu sein, können viele erheben
- aber nur der Krieg macht die Probe aufs Exempel", schrieb Hondrich am
Wochenende in der "Neuen Zürcher Zeitung".

Der Krieg sei nur ein Beispiel, eine Stichprobe und ein Glied in einer
Kette: "Keine Ordnungsgewalt ist gewaltig genug, um alle Gewalt gleicher-
und gerechtermaßen zu unterdrücken", so der Professor an der Uni Frankfurt.

"Weltgewaltordnungsmacht"

Die USA machen sich laut Hondrich als einziges Land für eine
Weltgewaltordnung stark. Diese Aufgabe mache ihnen niemand streitig, "aber
jedermann glaubt sie schelten und schmähen zu können", kritisiert Hondrich.

"Entscheidend für Weltfrieden"

"Die Handlungsfähigkeit der Hegemonialmacht ist entscheidend für den
Frieden in einer Welt, in der - obwohl vielfach verdrängt - Gewalt immer
wieder auch grundlegend ist", so Hondrich.

"Freiheit nur durch Gewalt"

"Ordnung und Freiheit stellen sich nicht einfach her durch
Gleichverteilung, sondern durch Unterdrückung von Gewalt durch noch
größere Gewalt", konstatiert der Soziologe. "Ohne eine Hegemonialmacht
kann es keinen Weltfrieden geben."

Den USA gehe es um noch Wichtigeres als Recht, Rechtfertigungen,
Resolutionen - zu beweisen, dass sie als überlegene Ordnungsmacht nach dem
11. September 2001 bereit seien, eine militärische Drohung auch wahr zu
machen.

Würden sich Europäer wehren?

Die Europäer mögen sich für besonders tolerant halten, "aber prüfen wir
selbst: Wenn Gleichberechtigung der Geschlechter, Freiheit der Religion
und der Rede, demokratische Kontrolle der Macht ernstlich angegriffen
würden - würden wir uns nicht mit aller Gewalt zur Wehr setzen?" fragt
Hondrich.

"Nur gewaltsam durchsetzbar"

"Nur weil wir uns der eigenen Lebensform so sicher sind (und damit
rechnen, dass sie sich wie von selbst durchsetzt, also in Beziehung zu
andern dominant ist), können wir vergessen, dass sie auf gewaltsamer
Durchsetzung beruht und des Gewaltschutzes bedarf, kurz, eine
Gewaltordnung ist", fügt der Soziologe hinzu.

Weit entfernt davon, darauf verzichten zu können, mache die westliche
Kultur Durchsetzung zu einem Wert eigener Art: Selbstbestimmung,
Selbstbehauptung, Selbstentfaltung - diese modernen Wertformeln enthalten
laut Hondrich "mehr Keime der Gewalt als das lakonische 'Allahs Wille
geschehe'".

Erzwungene Gewaltfreiheit

Das "Gleichgewicht der Kräfte" zwischen Stämmen, Fürsten und Staaten sei
immer zusammengebrochen - zuletzt im Kalten Krieg - oder habe zu
gewaltsamen Machtproben eingeladen.

"Daraus erst ging die Bändigung von Gewalt hervor. Nicht durch Recht,
sondern durch Gewalt selbst, nicht durch Gleichverteilung, sondern im
Gegenteil durch äußerste Ungleichverteilung und Konzentration der Gewalt
beim Staat entstand die Gewaltfreiheit, die wir heute als zivile
Gesellschaft genießen", erinnert Hondrich.

Gewalt auch als Schutz

"Gewalt verletzt und stört nicht nur, sie schützt und ordnet auch -
allerdings nur als überlegene, als hegemoniale Gewalt."

Heutzutage verschaffen sich laut Hondrich immer mehr Staaten, Banden,
Terrorgruppen "die modernsten Waffen, um bei der Ordnung der Gewalt
mitzumischen - und vergrößern die Unordnung der Gewalt". Das schreie nach
einer Weltgewaltordnung.

Von David Zelinger, ORF.at
Links:
Neue Zürcher Zeitung (Hondrich-Artikel)
Karl Otto Hondrich

Vielleicht wäre es besser zu fragen *warum* die schönen westlichen Werte
mehr Keime der Gewalt enthalten als "Allahs Wille geschehe"...?

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Web-Site: http://www.oekonux.de/
Organisation: projekt oekonux.de



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