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Re: [ox] Re: Warum Herrschaftsdebatte?



Hei Stefan Mn,

Tuesday, February 11, 2003, 10:20:27 PM, you wrote:
[...]
[Adorno: ] Ein gesellschaftliches Phänomen wie die moderne
Organisation läßt sich ohnehin bestimmen nur in seiner Stellung im
gesamtgesellschaftlichen Prozeß, also eigentlich durch eine
ausgeführte Theorie der Gesellschaft.

[SMn: ] Na gut. Was bedeutet das für eine Utopie? Organisation kann
da eigentlich nicht gedacht werden, da es keine ausgeführte Theorie
der Gesellschaft geben kann - oder?

Adorno - der alte Aufklaerer - ist der Meinung, dass wir zumindest
danach streben sollten.

[Adorno: ] Formalistisch wäre es, ein paar Merkmale herauszugreifen
und willkürlich den Umfang dessen, was diesen Merkmalen entspricht,
für die Sache selbst zu unterschieben.

[SMn:] Klar. Merkmale eines Begriffs sind nie der Begriff selbst.

Hier sehe ich den Seitenhieb: Was m.E. in den Stellen des
systematischen Soziologen, die du zitiert hast, gemacht wird, kann
auch so genannt werden: Systematisierung von ein paar Merkmalen, die
der Sache selbst unterschoben werden.

[A: ] Immerhin sei zur Orientierung daran erinnert, daß
Organisation ein bewußt geschaffener und gesteuerter Zweckverband
ist. Als solcher unterscheidet er sich ebenso von naturwüchsigen
Gruppen, etwa dem Stamm oder der Familie,

[SMn: ] Na, ob ihm das heute noch so durchgehen würde? Heute würden
wohl eher auch Stamm und Familie als (kulturelle) Konstrukte und
somit eben nicht als naturwüchsig angesehen. Aber das scheint mir
nicht so entscheidend.
[...]

In der Tat. Und da gibts bei Adorno noch wuestere Stellen. Wichtig
fuer unseren Zusammenhang ist hier allerdings erstmal nur, dass die
Organisation, von der er hier spricht, ein modernes Phaenomen ist.

[SMn:] Hier ist aber auch schon drin, worum es mir bei der
Frage nach H. geht. Ich würde nämlich argumentieren, dass
ausschließlich diese Zweckrationalität die Legitimation oder auch
Begründung für eine Organisation liefert. Damit liefert einzig diese
Zweckrationalität auch die Begründung für das (machtvolle) Handeln
im Rahmen der Organisation. Wo da jetzt genau der Unterschied zur
Legitimation durch das Gruppeninteresse liegt würde mich zwar
interessieren, aber ich wage diese Frage ja schon nicht mehr zu
stellen :-( ...

Nein, ein Gruppeninteresse (einen Gruppenzweck, sei er definiert oder
eine Wolke oder was auch immer) anzunehmen, das logisch als Aggregat
losgeloest von den je einzelnen Gruppenmitgliedern existiert und daher
repraesentiert werden kann von jemand, der oder die im Namen dieses
Interesses handelt, ist genau Organisation, die ihren Zweck
vergegenstaendlicht. Weiter unten in Adonos Text bist du doch damit
einig:

[SMn: ] Adorno sagt es selbst: Die Organisation überschreitet hier
letztlich ihren eigenen Zweck und verliert dementsprechend an
Legitimation. *Das* würde ich als Entfremdung von ihrem Zweck
beschreiben. Das ist selbstredend hochproblematisch.

Genau, das ist genau der Unterschied zwischen Organisation, die im
Namen eines Zweckes Menschen verdinglicht und Organisation, die
Menschen ermoeglicht, gemeinsam Zwecke zu erreichen. Unmittelbar
folgert daraus impersonale/strukturelle Herrschaft. Wenn sich dann im
weiteren Menschen zu RepraesentantInnen dieses den Mitgliedern mehr
oder minder aeusserlichen Zweckes erklaeren, dann haben wir es
zusaetzlich mit einer bestimmten heutzutage weit verbreiteten Form von
personaler Herrschaft zu tun (z.B. Staat).

[SMn: ] Aber auch hier meine Kritik: Das machtvolle Handeln, dass
sich eben auch gegen Menschen richten kann, verschwindet hier in der
Zweckrationalität. Das finde ich gefährlich weswegen ich
Organisation für einen Euphemismus für H. halte.

Das machtvolle Handeln, das sich gegen Menschen richten kann,
existiert genau dann nicht in Organisation, wenn sie mit den Zwecken
der je einzelnen Mitglieder identisch ist. Organisation soll nicht
Herrschaft oder Macht als Begriff ersetzen (und wuerde damit in der
Tat ein Euphemismus), sondern die Perspektive auf Phaenomene
eroeffnen, die du und der systematische Soziologe mit "Aber Herrschaft
ist noetig sonst wirds doch Chaos (das Gegenteil von Anarchie)"
beschreiben wollen.

Der Punkt, den ich mit Adornos Begriff von Organisation einfuehren
wollte ist also, dass Herrschaft _nicht_ noetig ist. Noetig und
wuenschenswert aber ist Organisation, weil sie gemeinsames Handeln
ermoeglicht. Und Adorno beschreibt, wann Organisation in Herrschaft
umkippt.

mfg

Thomas Be

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Organisation: projekt oekonux.de



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