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Re(2): [ox] Beitrag zur Technikdebatte: HTSP



Hallo Leslie, Stefan und Liste

On Sat, 01 Feb 2003 20:32:02 [PHONE NUMBER REMOVED]
f.nahrada magnet.at (Franz J. Nahrada) wrote:

Fritjof Bergmanns Leute haben eine Website in deutscher Sprache mit
einer 
Datenbank des "High Tech Self Providing" rausgebracht.
[...]
http://www.newwork.net

(Leslie P.)

Mich haben Seite und Projekt nicht sonderlich überzeugt, aus folgenden
Gründen:

5. Ein nicht unwesentlicher Teil der Seite wendet sich an Unternehmer
und
versucht diese zu überzeugen, dass mit dem Projekt auch Geld zu machen
ist - ich glaube nicht, dass das gut gehen kann.

Warum so pessimistisch? mit freier Software wird auch Geld verdient.

Eine Geschichte aller Revolutionen zeigt, daß die Keimform nicht einfach
"gegen" die alte Gesellschaft entstanden ist. Sie war immer mit einem Fort-
schritt menschlicher Produktivität verbunden, den zunächst große Teile der
herrschenden Klasse für ihre Zwecke einzuspannen versuchten und förderten.

Dann passierte der Umschlag: die neue Produktionsweise beeinflußte den
Überbau, forderte ihr selbst gemäße Verkehrsformen (z.B. der dritte Stand
forderte die bürgerliche Revolution: dafür mußte es ihn schon einmal geben
und er einen Machtfaktor in der feudalen Gesellschaft darstellen)

Umgewendet auf unser heutiges Problem glaube ich daß es von Vorteil wäre, 
wenn kapitalistische Konzerne industrielle Basisprodukte fürs HTSP
erzeugen würden. Eben zum Beispiel die Teile eines OS-CAR, obwohl der
wie schon oft diskutiert ein saublödes und peinliches Beispiel ist. Da lob
ich mir wie Stefan Mn die HTSP-Kriterien, die da schärfer sind.

Wichtig ist nur daß Design und Baupläne und Standards unter der Kontrolle
der assoziierten Prosumenten stehen und nicht proprietär bleiben. Da hat
die Bergmann - Gruppe einen wesentlichen Schritt nach vorne gemacht, indem
sie das in ihr Programm aufgenommen hat.

(Stefan, swe cyworx.com schreibt)


Prinzipiell finde ich auch, dass du mit deinem unbehagen ueber die seite
recht hast, zugutehalten muss mann jedoch, dass die seite ja neu ist und
eine sammlung von alternativprojekten ueberfaellig war und noetig ist.

zu 5. 
Du sprichst ein generelles problem von projekten, die innerhalb des
herrschenden kapitalismus, einen ausweg starten wollen an.
Es ist nur schwer moeglich, einfach brachliegendes land zu
besetzen, um dort dann alternativprojekte starten zu koennen, mit
bueros/raummoeglichkeiten sieht es aehnlich aus.
Deshalb hapern viele alternativprojekte erstmal am geld, welches zum start
aufgebracht werden muss, sich quasi 'freizukaufen'.
Wenn du dir alternativprojekte anschausst, stellst du oft fest, dass sich
schnell hierachiesysteme um dieses kapital bilden, dies aber nur so
nebenbei.

Das Problem ist daß sie alle sich dem freien Markt unterwerfen, anstatt
miteinander Hyperzyklen der gegenseitigen Unterstützung zu bilden.
Deswegen gehen sie alle an den Kriterien und Anforderungen der
Marktkonkurrenz kaputt.


Wie gesagt die idee einer (web)sammlung von alternativen finde ich
wichtig, viel wichtiger faende ich aber ein grosses, fuer alles
sichtbares projekt in europa zu haben, wie es vielleicht arcosanti in US
ist und verschiedene alternativen zusammenfasst, konkret anschaubar und
erfahrbar macht.

Jaaaa! Ich habe in den letzten Jahren schon oft das "europäische Arcosanti"
in greifbarer Nähe gespürt, aber es hat bis jetzt nicht sollen sein.
Was vor allem nervt, ist daß sofort ein Ideologiebedarf in solchen
Gemeinschaften herrscht. Die Amis bauen einfach, bei uns muss man
gleich immer (mit)beten.  Der Druck ist einfach viel höher, die
Anforderungen
an perfektion und politische Korrektheit zwingen die Gemeinschaften zu
starren Innen-Außenabgrenzungen.

Ich weiß nicht woran das liegt. Vielleicht weil sich die Amis vom Staat
nicht
so viel erwarten und wissen daß sie selbst die Sache in die Hand nehmen 
müssen, während bei uns immer irgendwo die Hoffnung auf Forschungs-
oder Unterstützungsgelder, auf Sozialprogramme etc. jegliche Initiative
lähmt. Ach, das ist mal ins Unreine gesprochen, aber ärgerlich ist es doch.


Wenn ich richtig sehe, hatte Franz und 'give' soetwas starten wollen, die
letzten give-daten sind aber schon aelter, wie sieht es mit diesem projekt
aus?

Danke für die Frage. Ich hatte niemals freiwillige Partner, sondern
immer nur bezahlte akademikertrainees, jobtrainees und so weiter!!!
Dass Resultat war dementsprechend. Vielleicht war das Projekt auch zu 
groß und zu chaotisch angelegt, aber ich merke daß es anderen nicht
viel anders ging, die ähnliches versuchten. Derzeit bin ich halt in
meiner persönlichen Situation nicht mehr so frei wie dunnemals....
Erreicht haben wir nur daß ein paar Konferenzen über die Bühne 
gingen, "Global Village93,95,97", "Cultural Heritage in the Global
Village",
"NGO Internet Fiesta" und jetzt das "Kleinnstadtsymposium". Aber 
die nachhaltigen Ziele, die sind noch nicht erreicht. Es gibt noch kein
"Inventar der Globalen Dörfer", wie das Webseitenprojekt dem Arbeitstitel
nach heißt. (dazu gibt es ja ein OT-Projekt)
Und schon gar nicht gibts das angestrebte große Demonstrations-
projekt, stattdessen sammle ich meine ganz trivialen Erfahrungen in
der Stadtteilarbeit und Dorferneuerung. Hat aber auch Vorteile, dadurch
entsteht kein weltfremdes "Spinnerdorf", sondern ein sehr lebensnahes 
Programm und ein breiter Dialog, z.B.  mit Gemeinwesenarbeitern
und ländlichen Bildungseinrichtungen, das vielleicht zu mehr Ansätzen
führt als ein "Arcosanti 2". Ich bin gerade heute in einem emaildialog
mit Freunden in Prescott und Sedona gewesen und habe mit Erschrecken
festgestellt, daß Arcosanti nach 30 Jahren überhaupt keine Rolle mehr 
in der realen Entwicklung spielt!!! Nächste Woche ist eine Veranstaltung
von William Eaton und "Vision Sedona" über nachhaltige Alternativen 
zu der gerade in Arizona katastrophalen Suburbia - Welle, glaubt Ihr
die hätten auch nur einen einzigen Menschen aus Arcosanti eingeladen?

Also ich bin mir zumindest nicht so sicher, ob die Rückschläge, die GIVE
zweifellos erfahren mußte, nicht in Wahrheit auch Fortschritte sind.
Dennoch halte ich gerade jetzt die Aufnahmebereitschaft für die Vision der
globalen Dörfer für besonders groß. Ich freue mich daß Stefan sie hier auf
Ökonux publiziert hat:
http://www.oekonux.de/texte/globdorf.html

Ich bin grad am Basteln einer Zusammenarbeit mit der "Stiftung Reiche
Doerfer", die in eine ähnliche Richtung geht:
www.reiche-doerfer.ch
http://www.reiche-doerfer.ch/index-de.html

lohnt sich, da ein wenig zu schmökern! 
 

Ich denke, dass speziell im 'reserveheer' der erwerbslosen viele waeren,
die solch ein projekt tatkraeftig unterstuetzen wuerden, an menschen
mangelt es bestimmt nicht, leider aber am aufzubringenden kapital.

Kapital brauchen wir nicht unbedigt im Moment. Mir wären ein paar
wirklich motivierte und fähige Erwerbslose durchaus recht, die 

uns bei der inhaltlichen Arbeit am Inventar helfen würden  ;-)

Konkret gibt es einen Menschen in Salzburg, der die Maintainerrolle
für eine arbeitsfähige Website übernommen hat. Ich denke, er würde sich
über Leute mit PHP- und SQL-Kenntnissen sehr freuen, wir wollen
eine arbeitsfähige Web-plattform schaffen, die ein paar Stückerln mehr
spielt als die gängigen Wikis, Weblogs und anderen Kooperationstools.

In diesem Zusammenhang zitiere ich Ingo Lantschner von VUM. Der hat
gesagt, daß die Bedingungen heute Freiwillige zu kriegen oder Mitarbeiter
an offenen Projekten, sich durch den Niedergang der dot.com-economy
drastisch verschlechtert haben. "Früher konnten wir uns leichter
selbstentfalten, da hat man uns das Geld nachgeschmissen, und wir
haben viel Zeit gehabt das zu tun was wir wollten. Jetzt sind die
Arbeitsbedingungen haarig, die lukrativen Jobs rarer und die 
Programmierer haben mit mehr Existenzsorgen zu kämpfen. 
Selbstentfaltung wird da zunehmend schwieriger".
Das ist die eine Seite der Medaille. Die andere ist, daß sich eben jetzt
diese Selbstentfaltung ein auf ganz klares Ziel der Entfaltung
gemeinschaftlicher Produktivkräfte und der oben angesprochenen 
"Hyperzyklen der Existenzsicherung" richten muß. Die Zeit der reinen
Spielereien ist im großen und ganzen vorbei, obwohl das Spielerische
natürlich nicht verloren gehen darf.


Franz





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Web-Site: http://www.oekonux.de/
Organisation: projekt oekonux.de



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