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RE: Technik&Gender (was: Re: [ox] HOWTO Encourage Women in Linux)



Hallo Tereza, Oliver, Jobst, Stefan, Liste, Welt.

Damit das hier nicht ganz so lang wird, versuche ich mal, die für mich
sich ergebenen Kernideen zusammenzufassen:

1. Inwieweit der Frauenmangel im Computerbereich nun anerzogen oder ein
wieauchimmer entstanden sein mag, lässt sich hier von uns nicht lösen,
fest steht, dass er uns stört. Ich kenne allerdings (leider?) auch einen
Haufen Frauen, die trotz eines eurozentristischen Weltbildes und ihrer
grundsätzlichen Überzeugung, dass alle Menschen die gleichen Rechte
haben sollten, es ganz in Ordnung finden, dass ihr Partner, Kollege,
Ehemann, Kumpel sich um ihre Computerprobleme kümmert, weil auch Frauen
faule Socken bzw. nicht richtig motiviert sind und ihr Verhalten
gesellschaftlich akzeptiert ist. Nunja, trotzdem stört es mich -
ausserdem finde ich es schade, dass soviel wertvolle weibliche Hirnpower
ungenutzt bleibt und ich mich täglich mit man-pages im warsten Sinne des
Wortes herumschlagen muss (Frage an die lesenden Männer, kommt ihr
wirklich mit man-pages klar, oder ist es normal, dass ich die erst
verstehe, wenn ich sowieso weiss wie es geht? Dennoch muss ich Stefan
recht geben, dass einige SUSE-Bücher schon ganz okay sind.)

2. Ohne soziale und kommunikative Kompetenz funktioniert es jedenfalls
bei grösseren Softwareentwicklungen doch gar nicht mehr. Und wenn es
auch die bleichgesichtigen Techie-Freaks geben mag, teile ich mit wohl
allen die Meinung, dass dies kein erstrebenswertes Ideal oder Vorbild,
auch nicht für Frauen, sein kann. Da wollen wir also gar nicht hin und
müssen die Frauen auch gar nicht zu ermuntern.

3. Ohne einen gewissen Biss, ohne das Interesse, hinter die Kulissen
bzw. das Desktop zu schauen, ohne ein wenig mathematische/formale Denke
und etwas Durchhaltevermögen lernt mensch nicht, den Computer
einigermassen mit Spass zu beherrschen, (wenn auch M$ uns dies
vorgaukeln mag). Darauf sollten wir uns konzentrieren und dies scheint
in erster Linie ein Kommunikationsproblem, Motivationsproblem bzw. ein
Problem von Verhaltensweisen zu sein. Val's Howto und Terezas
Ergänzungen sind ein guter Start, aber wie irgendwer schon gesagt hat
(Oliver?), es wird insgesamt zwischenmenschlich ein Schuh daraus. Auf
diese Idee bin ich bei Terezas Ausführungen zum oft beklagten Phänomen
gekommen, dass Frauen denn DOCH immer wieder die Haushaltsarbeit
übernehmen. Hierzu (nun auch von mir) eine persönliche Geschichte:

	Beim Zusammenleben mit einem Mann ging mir ebenfalls irgendwann
auf die Nerven, dass ich den Löwenanteil der 	Küchenarbeit übernahm
und forderte ihn mehrfach auf, doch auch mal was zu kochen. Er hat es
dann auch hie 	und da versucht, war aber der absolute Kochanfänger und
hat sich in meinen Augen bei vollkommen banalen 	Dingen
unglaublich blöd angestellt. Ich konnte es einfach nicht verstehen, dass
ein Mensch mit dreissig noch 	keine Mehlschwitze zubereiten kann. Weil
mir die Erklärerei oft zuviel war, habe ich dann irgendwann immer
entnervt den Kochlöffel selber in die Hand genommen und ihn zum
Salatputzen verdonnert, was meinem Eindruck 	nach das komplexeste
war, zu dem er je imstande sein würde. Dabei habe ich mich ertappt, wie
ich mich immer 	auch ein wenig über seine mangelnden Kochkünste lustig
gemacht habe, anstatt im Kleinen zu helfen, zu 	ermutigen, zu loben und
Tipps zu geben, wie memsch es anfängt. Stattdessen habe ich tatsächlich
auf 	Kochbücher (RTFM!) verwiesen. Sein Interesse und
Durchhaltevermögen ist spätestens dann am Nullpunkt 	angekommen.
Anstatt sich angespornt zu fühlen, hat er sich dann mehr und mehr aus
der Küche zurückgezogen 	mit dem Hinweis, ich könne es einfach so
perfekt, dass er jetzt auch nicht mehr anfangen müsse, es zu 	lernen.
Wozu denn auch, es sei ja nie gut was er zubereite. In einer dieser
Stunden, in der ich mir 	gegenüber mal ehrlich war, ist mir
aufgegangen, dass ich es eigentlich unheimlich genossen habe, die
arrogante Überköchin zu sein und dass es mich ziemlich abgefuckt hätte,
wäre er so ein richtig guter Koch 	geworden. Ich war die
Platzhirschkuh. (Momentan bin ich schwer damit beschäftigt, an diesem
doofen Verhalten 	zu arbeiten.)

Langer Rede kurzer Sinn: Mensch lässt sich in Kompetenzbereiche
(Computer, Küche wasauchimmer) nicht gern dreinreden, wenn ein gewisser
Vorsprung besteht, weil wir gelernt haben, nur hierdurch unersetzlich
ergo überlebenswert zu sein. Wenn diese Kompetenzbereiche erstmal
gesellschaftlich etabliert sind, dürften sie ganz besonders starr sein
und es würde mich nicht wundern, wenn Männer in Männerkochklubs
wesentlich besser kochten als in gemischten Kochklubs. Das ist wohl auch
der Grund, warum es immer wieder (Linux-)ExpertInnen gibt, die ihren
Jargon etwas übertreiben und eher zur Abgrenzung gegenüber
Nichteingeweihten benutzen als zur Information. Eitel sind wir doch
alle. Ich bin auf jeden Fall glücklich, dass ich immer wieder mit weisen
Männern und Frauen zu tun hatte, die mir gegenüber supergeduldig und
hilfsbereit waren und die sich keine Sekunde lang (oder wenigstens nur
heimlich) über mein Ängste vor Netzwerken, Schnellkochtöpfen,
Rasenmähern und for-Schleifen lustig gemacht haben.

Mein persönliches Fazit ist auf alle Fälle folgendes:

 - Wir sollten eine Kultur schaffen, in der Wissen nicht als
Statussymbol gilt, mit dem wir uns von unseren Mitmenschen abheben,
sondern in der es ein Statussymbol ist, das verfügbare Wissen mit
möglichst vielen Menschen erfolgreich geteilt zu haben, egal, in welchem
Bereich, m.a.W. "Open Source" als hippen Lifestyle etablieren

 - Wir sollten weg vom Vorbild des Computerexperten als
bleichgesichtigem Kellerkind. Das ist nicht nur eine unattraktive
Identifikationsfigur, sondern eine völlig falsche und überholte

 - Vielleicht sollten wir uns ausserdem einsetzen für das Schreiben von
"woman-pages"? ;-)

Wie wir dorthin kommen, ob über weniger Koedukation, die Erinnerung an
weibliche Vorbilder, weiss ich leider selber nicht. Ich weiss auch nicht
GENAU, warum mein Neffe sich von mir Legos und meine Nichte von mir ein
Barbiepferd zu Weihnachten wünscht. Ich selbst versuche, "Im Kleinen" zu
arbeiten, aber ich fand solche öffentlichen Aktionen wie beispielsweise
die Wanderausstellung der TU-Darmstadt über Frauen in Mathematik und
Naturwissenschaften unglaublich gut und für mich prägend. Dort habe ich
als Studentin 1996 erst erfahren, wer Ada Lovelace war.

Gruß,
Petra
--
"I have this theory that chocolate slows down the aging process. It may
not be true but do I dare take the chance."
Petra Wagner, IKP, Poppelsdorfer Allee 47, 53115 Bonn
pwa ikp.uni-bonn.de, http://www.ikp.uni-bonn.de/~pwa

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