Message 05893 [Homepage] [Navigation]
Thread: oxdeT05756 Message: 22/26 L2 [In index]
[First in Thread] [Last in Thread] [Date Next] [Date Prev]
[Next in Thread] [Prev in Thread] [Next Thread] [Prev Thread]

Doppelt Freie Software und Nur-NutzerInnen (was: Re: [ox] Zukunftsprojekte aus der Vergangenheit, Artikel im "Freitag")



Hi Bernd, StefanS, Liste!

Last week (7 days ago) tian075 wrote:
Jedoch stellt sich dann die Frage, wie die kulturelle Produktion etwa von
Software oder z.B. von Musik finanziert werden soll, wenn sie nicht mehr
als Waren verkauft werden können.

Nach dem, was ich auf dieser Liste und außerhalb davon gelernt habe,
wird die allermeiste Musik nicht als Ware verkauft - zumindest nicht
als CD im Laden. Vielmehr wird viel - auch gute - Musik auf privater
Basis gemacht und die Leute, die Musik machen, investieren da
teilweise auch nicht unbeträchtliche Geldsummen für Anlagen,
Instrumente, Unterricht, etc. rein. Ein Hobby eben, das manchmal auch
teuer sein kann. Siehe z.B.

	http://www.oekonux.de/liste/archive/msg03987.html

und den umliegenden Thread.

Nach meiner Kenntnislage sind die einzigen, die *wirklich* ein Problem
mit kostenloser Musik haben, die Musikkonzerne. Der "brand
eins"-Artikel, den ich neulich empfohlen hatte und viele andere
ähnliche beschreiben das ganz gut.

Nach Lage der Dinge kann dies meiner
Meinung nach in breitem Masstab nur durch öffentliche Gelder geschehen,
etwa durch höhere Pauschalgebühren auf Computerhardware oder durch
Steuererhöhungen.

Nun, Freie Software funktioniert nach meiner Kenntnislage weitgehend
ohne Geld - d.h. der Anteil kommerzieller Freier Software ist klein.

Wenn unser Selbstentfaltung-als-überlegene-Produktivkraft-Argument
stimmt, dann muss diese entfremdete Produktion Freier Software
qualitativ tendenziell hinter Doppelt Freier Software - solcher also,
die auch bei den EntwicklerInnen Freiheit bedeutet - zurückbleiben.

M.E. sind solche Entwicklungen sogar schon zu beobachten. Das Debian
nach und nach gegenüber SuSE aufholt - bzw. SuSE zurückfällt - hat
m.E. exakt damit zu tun. SuSE muss sich den Marktbedingungen stellen
und da die Quellen nicht mehr so reichlich sprudeln wie noch vor
Jahren, schlagen die ganzen Entfremdungsmechanismen immer stärker zu -
mit dem Ergebnis, dass die SuSEn immer schlechter werden.

So gesehen bin ich tendenziell gegen kommerzielle Freie Software, weil
sie tendenziell den guten Ruf Freier Software beschädigt.

Was auch wichtig an deinem Gedanken ist: Du reproduzierst damit das
Leistung-gegen-Lohn-Denken und damit den Tausch. Der Oekonux'schste
Ansatz mit dem Problem umzugehen, dass noch nicht alle
lebensnotwendigen Güter Frei erhältlich sind, sondern manches leider
noch ertauscht werden muss, bestand m.E. in der
Grundsicherungsdebatte. Grundsicherung hat qua Konstruktion immerhin
den Vorteil, dass sie Leistung und Lohn auch für die entkoppelt, die
nicht reich geboren werden. Allerdings ist Grundsicherung heute
weniger denn je eine realistische politische Forderung :-( .

Auch stösst das Open Source Modell, wo ProgrammiereInnen nach
Feierabend zusäzlich quelltextoffene Programme entwickeln, meiner
Meinung nach langsam an sein Grenzen. Denn hier werden nur Programme
entwickelt, die für die ProgrammierInnen selbst wichtig sind, dies sind nicht
unbedingt solche, die von vielen Usern gewünscht werden. (Beispiel:
EMACS vs. nur rudimentär vorhandene Grafikprogramme unter Linux)

Nun weiß ich nicht, wann du deine letzte Disrtibution installiert
hast, aber das ist nun wirklich Schnee von vorvorgestern. Es gibt
mittlerweile für praktisch alle üblichen Bereiche leistungsfähige
Freie Software, die kommerziellen Produkten in nichts nachsteht, sie
sogar oft übertrifft. Im Pixelgrafikbereich z.B. das bereits erwähnte
Gimp aber auch zahllose andere kleineren Kalibers. Im
Vektorgrafikbereich hätte das gute alte `xfig' zwar mal eine
Renovierung nötig, aber funktional ist es allemal. OpenOffice und
Vorläufer StarOffice muss ich wohl nicht erwähnen, was Office-Pakete
angeht.

Aber selbst die Überflüssigkeit solcher Projekte...

6 days ago Enrico Weigelt wrote:
An welche Sorte Grafikprogramme denkst du? Pixelgrafik ist IMHO
mit GIMP ziemlich gut abgedeckt. Bei Vektorgrafik sieht das
schon anders aus, aber wird die von vielen Usern gewünscht???
Ich wuerde mir schon ein Programm wuenschen, mit dem man PS-Files
vernuenftig bearbeiten kann. Hab auch schon laenger vor, sowas
zu entwickeln, sofern ich ein paar Mitwirkende finde ...

...ist hier offensichtlich nicht bekannt. Was spricht dagegen,
`pstoedit' als Filter zu verwenden bzw. es nötigenfalls
weiterzuentwickeln?

Last week (7 days ago) Stefan Seefeld wrote:
tian075 gmx.net wrote:
Meinung nach langsam an sein Grenzen. Denn hier werden nur Programme
entwickelt, die für die ProgrammierInnen selbst wichtig sind, dies sind nicht
unbedingt solche, die von vielen Usern gewünscht werden. (Beispiel:
EMACS vs. nur rudimentär vorhandene Grafikprogramme unter Linux)

was Du hier als Einschr"ankung darstellst, stellt sich mir als
treibender Faktor dar: Genau das macht (unter anderem) einen
wesentlichen Bestandteil der Qualit"at und Effizienz dieses
Entwicklungsmodells aus: Die Entwickler von Projekt X sind genau die,
die es auch gebrauchen k"onnen, d.h. sie sind es, die die Bed"urfnisse
am besten verstehen. (also keine Antagonismen zwischen Konsumenten und
'(Bed"urfnis-)Produzenten').

Ja und nein. Brauche ich als Software-Entwickler KDE oder GNOME?
Sicher nicht. Mein `fvwm2' tut es völlig und stürzt weder ab noch
bleibt irgendwas hängen. Ich denke, dass es mehr oder weniger allen
EntwicklerInnen so geht. Dennoch ist KDE entstanden - und wenn ich's
richtig verstanden habe, explizit *um* den Windows-UserInnen ein
ähnliches Look-And-Feel zu bieten (was nach meiner Wahrnehmung
mittlerweile bis hin zu den Bugs gelungen ist :-( ). Also wohl weniger
ein Bedürfnis der EntwicklerInnen selbst.

Aber grundsätzlich hast du recht, das die meiste Freie Software auch
wesentlich (auch) für die EntwicklerInnen selbst da ist.

Klar, das ist alles ein wenig naiv und rosa-rot. Aber doch wesentlich.

Eine interessante Frage ist dann, wie man die, die Programme brauchen,
bef"ahigen k"onnte selbst an deren Erzeugung mitzuhelfen, also eine Art
Emanzipation.

Das wäre eine Möglichkeit, dass die Nur-NutzerInnen quasi empowert
werden. Allerdings sehe ich da prinzipielle Grenzen, da aufgrund der
Komplexität von Software komplizierte neue Dinge nur mit komplizierten
neuen Gedanken gemacht werden können.

Ich könnte mir aber auch vorstellen, dass
Freie-Software-EntwicklerInnen einfach ihre Selbstentfaltung darin
sehen, anderen gute Software zur Verfügung zu stellen. Ein bisschen
macht das ja jedeR von uns, wenn wir den Leuten zu GNU/Linux anstatt
M$ raten und ihnen ggf. bei der Konfiguration helfen - wenn wir es
denn selbst können.

Natürlich braucht es dazu ein Einlassen auf die Bedürfnisse der
Nur-NutzerInnen - aber ist das so schlimm? Ich finde das durchaus auch
bereichernd und sehe nicht, dass da ein strukturelles Zwangsmittel wie
Geld mich dazu zwingen muss.

Guido von Rossum, der Autor der Programmiersprache
'Python' hat dazu einiges interessante gesagt.

Hast du da einen Link?


						Mit Freien Grüßen

						Stefan

________________________________
Web-Site: http://www.oekonux.de/
Organisation: projekt oekonux.de


[English translation]
Thread: oxdeT05756 Message: 22/26 L2 [In index]
Message 05893 [Homepage] [Navigation]