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Re: Umsonstladen vs. Freie Software (was: Re: [ox] Re: Umsonstladen)



On Sat, Nov 30, 2002 at 08:44:55PM [PHONE NUMBER REMOVED], Stefan Merten wrote:
5 days ago Holger Weiss wrote:
Ich hatte aber
_nicht_ verstanden, wo die Parallele freie Software <-> Umsonstladen
liegt, da der Umsonstladen ja nichts mit Produktion zu tun hat.

Ein *ganz* wichtiger Einwand, auf den nach meiner Erinnerung bisher
noch niemensch hier gekommen ist: Umsonstläden finden qua Konstruktion
ausschließlich in der Distributionssphäre statt. Das zentrale Moment
Freier Software liegt aber in der Produktionsspähre.

Das hatten wir auch schon siebenmal. 

1. Ist FS gerade die Auflösung der bisherigen Begriffe "Produktion"
und "Distribution". Die Distribution _ist_ produktiv. Dazu Empire:

"Das neue an der neuen Informationsinfrastruktur ist die Tatsache,
dass sie in die neuen Produktionsprozesse eingelassen und ihnen
vollständig immanent ist. Information und Kommunikation führen die
heutige Produktion an, und sie sind die eigentlich produzierten Waren;
das Netzwerk selbst ist Ort der Produktion wie der Zirkulation." (S.
310)

2. Wenn also die Produktionsweise FS nur möglich ist dank dem
Distributionssystem Internet, was liegt dann näher, als ein solches
Distributionssystem für materielle Güter aufzubauen? Ich denke, dass
Umsonstläden _dafür_ sehr wohl eine Keimform sein können.

3. FS hat auch viele Nachteile. Einer ist zum Beispiel _gerade_ ihre
Immaterialität. Das ist für viele Leute nicht greifbar genug. So wie
jetzt FS ein Beispiel ist, dass Leute überzeugen kann, dass es auch
anders ginge, so kann das ein Umsonstladen auch leisten und zwar für
ganz andere Bevölkerungsgruppen. Kleiner Fakt am Rande: Die
Internetnutzung stagniert inzwischen, es ist also nicht davon
auszugehen, dass alle "unsere" Lebensweise annehmen werden, sondern
dass "wir" vielleicht auch mal was von den nicht oder weniger
vernetzten Leuten lernen können. 

Noch dazu findet diese Distributionssphäre auf einem Elendsniveau
statt: Als Alternative zum Müll. Freie Software bietet dagegen
Produkte, die an der Spitze der Produktivkraftentwicklung liegen und
nach denen sich z.B. auch finanzkräftige Konzerne die Finger lecken -
was sie nach Müll nicht gerade tun.

Es geht eben gerade nicht um Müll. Das ist das selbe Argument, dass
man FS vor 5 Jahren auch noch vorgehalten hat: Ist schlechter als
kommerzielle.

Nun sagst Du, die Parallele liegt darin, dass fuer beides kein
Wertaequivalent verlangt wird.

Was ich bei den Umsonstläden tendenziell bezweifele. Es ist vielleicht
nicht so 1:1, aber dass eineR in einem Umsonstladen immer nur nimmt -
wie es in der Freien Software gang und gäbe ist - wird nach meiner
bisherigen Wahrnehmung immer als Problem betrachtet. Sind solcherlei
Probleme mit Hilfe sozialen Drucks und der dazu notwendigen
Nachbarschaftlichkeit noch in den Griff zu kriegen, so sind sie es
unter den Bedingungen der Massengesellschaft nicht mehr.

Abwarten. Ich persönlich hätte keine Probleme damit, wenn jemand immer
nur nimmt, solange die Funktionsweise des Ladens nicht beeinträchtigt
wird. Dogamtismus ist in dieser Frage aber nicht angebracht, weil es
klar ist, dass wir alle zugerichtet sind.

Wenn ich mal die Stichpunkte zur Keimform aus der OEkoNux nehme
[http://www.oekonux.de/einfuehrung/kladde/default_15.html]

* Merkmale einer heutigen emanzipatorischen Keimform
    * Globale Vernetzung

Warum sollte man Umsonstläden nicht global vernetzen? Klingt doch wie
eine sinnvolle Massnahme.

    * Wert- und Tauschfreiheit

Wo gibts da Tausch?

    * Selbstorganisation

Gestehst Du ja zu.

    * An der Spitze der Produktivkraftentwicklung

Als soziales System ist ein Umsonstladen z.B. der Sozialhilfe haushoch
überlegen und somit durchaus an der "Spitze der PKE". Z.B. zeigt der
Fall aus Potsdam, wo eine Wohnungsbaugenossenschaft die Räume zur
Verfügung gestellt hat, dass man das vielleicht sogar auch an der ein
oder anderen Stelle beginnt zu erkennen, genauso wie vor 10 Jahren die
ersten Institutionen "an der Spitze der PKE" angefangen haben FS
einzusetzen.

dann ist bei Umsonstläden höchstens die Selbstorganisation zu finden
(wobei dieser Begriff vielleicht auch mal der Klärung bedürfte).
Irgendwie klingt Umsonstladen nach dem bisherigen Kenntnisstand der
Liste nicht sehr nach emanzipatorischer Keimform...

Ja, dann bleib da halt weg. Ich sehs anders.

btw: halte ich auch die Kriterien für Überarbeitungsfähig, weil da
z.B. Genderproblematik eben grad mal garnicht drin vorkommt und weil
sie schon ein bisschen sehr, wie auf FS zurechtgestrickt aussehen.

Grüße, Benni

________________________________
Web-Site: http://www.oekonux.de/
Organisation: projekt oekonux.de


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