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Re: [ox] Zukunftsprojekte aus der Vergangenheit, Artikel im "Freitag"



Hi, Bernd!

On Monday 25 November 2002 14:57, tian075 gmx.net wrote:
ein sehr interessanter Artikel. Ich denke auch, dass eine
Dekommodifizierung der Kultur die kapitalistische Logik in der
Gesammtgesellschaft zurückdrängen könnte. Hierfür wäre auch
eine Zurücknahme der Verschärfungen des Copyright notwendig,
etwa in der Legalisierung von P2P-Netzwerken, was übrings auch
das Webspaceproblem im Umsonstladenthreat lösen könnte.

Peer-to-Peer-Netze SIND legal. Das ganze Internet ist nichts 
weiter als ein riesiges P2P-Netz, in welchem z.B. jeder 
beliebige Rechner ein FTP- oder Webserver sein oder man Mails 
von jedem zu jedem Rechner schicken kann, im Gegensatz zu BTX¹, 
AOL, CompuServe und diversen Mailboxen mit der dortigen klaren 
Unterscheidung zwischen Server und dummem Terminal.

Problematisch ist nur, daß nur wenige eine Standleitung mit 
fester IP-Adresse haben. Bei Systemen wie Gnutella etc. geht es 
IMHO nur darum, die Macken der degradierten Internetzugänge so 
gut es geht auszubügeln.

Das Problem ist nicht die Legalität, sondern eher der Grad der 
Zuverlässigkeit solcher Systeme. Angenommen, ich biete jeden Tag 
von 17--22 Uhr GMT die Datei so-und-so mit Gnutella an, dann 
erfährt davon jemand, der das System immer nur von 10--12 Uhr 
benutzt, nichts. Ob er, wenn er zur selben Zeit wie ich online 
ist, erfährt, daß ich es auch bin, ist ebenfalls nicht sicher.

Ebenfalls problematisch scheint mir die Effektivität. Gnutella 
rödelt die ganze Zeit mit der vollen ISDN-Bandbreite rum, und 
das nicht etwa, um irgendwelche tollen Inhalte 
zwischenzuspeichern, sondern lediglich, um Suchabfragen 
weiterzuleiten.

Jedoch stellt sich dann die Frage, wie die kulturelle
Produktion etwa von Software oder z.B. von Musik finanziert
werden soll, wenn sie nicht mehr als Waren verkauft werden
können.

Also, erstmal wird nicht die Software, bzw. Musik, sondern der 
Daten- bzw. Tonträger verkauft. Der Inhalt wird dadurch zwar 
zugänglich gemacht, aber geht nicht in das Eigentum des 
"Käufers" über. Somit ist es IMHO nicht richtig, von "Verkauf" 
zu sprechen.

Freie Software kann z.B. durch Garantie-, Wartungs- oder 
Supportverträge finanziert werden. Auch auftragsgefertigte FS 
ist möglich.

Bei Musik denke ich, daß die Frage der Finanzierung total 
unsinnig ist. Die Musikindustrie produziert seit Mitte der 80er 
nur noch grauenvolle Ohrenfolterungen, und Hobbymusik braucht 
kein Geld.

Nach Lage der Dinge kann dies meiner Meinung nach in
breitem Masstab nur durch öffentliche Gelder geschehen, etwa
durch höhere Pauschalgebühren auf Computerhardware oder durch
Steuererhöhungen. Dazu ist aber kaum jemand bereit.

Die Einnahmen aus Pauschalabgaben dienen nicht der Förderung 
freier Software oder Musik. Sie dienen überhaupt nicht als 
Anreiz, sondern fließen direkt in die Schallplattenfirmen.

Eine Finanzierung aus Steuergeldern wäre sicher sinnvoll. 
Momentan ist daran aber nicht zu denken, da im Moment ein 
möglichst hoher Anteil der Steuern für die Tilgung der 
Staatsschulden verwendet wird. Von daher wäre auch eine 
Freie-Software-Steuer Blödsinn, zumal sie eh nicht für freie 
Software verwendet würde. Im Übrigen werden ja demnächst Gelder 
frei, die vorher in proprietäre Software gesteckt weurden und 
jetzt in freie fließen KÖNNTEN.

Lieber werden Freiheitseonschränkungen wie bei 
TCPA / Palladium hingenommen.

Diese Freiheitseinschränkungen dienen nicht der Förderung freier 
Software oder Musik. Sie werden also nicht freier Software zu

Auch stösst das Open Source Modell, wo
ProgrammiereInnen nach Feierabend zusäzlich quelltextoffene
Programme entwickeln, meiner Meinung nach langsam an sein
Grenzen. Denn hier werden nur Programme entwickelt, die für
die ProgrammierInnen selbst wichtig sind, dies sind nicht
unbedingt solche, die von vielen Usern gewünscht werden.
(Beispiel: EMACS vs. nur rudimentär vorhandene Grafikprogramme
unter Linux)

An welche Sorte Grafikprogramme denkst du? Pixelgrafik ist IMHO 
mit GIMP ziemlich gut abgedeckt. Bei Vektorgrafik sieht das 
schon anders aus, aber wird die von vielen Usern gewünscht??? 

Egal... Bezahl einfach, zusammen mit ein paar anderen Usern, die 
sone Programme brauchen, einen Programmierer.

cu,
Thomas
 }:o{#

¹) BTX scheint es nicht mehr zu geben, aber alte Zeitungsartikel 
darüber sind auch heute noch lustig.
________________________________
Web-Site: http://www.oekonux.de/
Organisation: projekt oekonux.de


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