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[ox] Re: [pox] Umgang mit moeglichen Off-Topic-Mails



Bezüglich meiner Mai, die um Nennung _interessanter_ Unterkunftsmöglichkeiten
in und um Düsseldorf bat, möchte ich mit einem Artikel der Imaginationskraft von StefanMn ein wenig nachhelfen. Ich war wohl zu
selbstverständlich davon ausgegangen,
daß die Frage im Kontext zu Oekonux gelesen werden würde, sonst hätte ich
sie nicht gestellt. Es ist IMHO in dieser Hinsicht immer ratsam, die eigenen Unterstellungen  bzw. Selbstverständlichkeiten bei der
Rezeption der
Texte anderer zu hinterfragen, weil Sie viel über die eigenen Projektionen und das eigene Selbstverständnis aussagen. Das nicht
tolerieren des in der eigenen
Anschauung nicht verständlichem ist eine herrschaftsförmige Attitüde: kooperativ
wäre es, wohlwollend zu schweigen oder sich um Verständnis zu bemühen.

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! Hotel Strowis, das Vorstadt-Projekt


Wiedergegeben nach einem Gespräch am 17. März 2000 mit Jost vom "Strowis" von Thomas Kalka (Berlin).

Vor etwa fünf Jahren begann eine Gruppe Autonomer Pläne zu schmieden, wie ihr Gelände, das seit 1972 ältest besetzte Gebiet in den
Niederlanden, vor dem Zugriff von Immobilienspekulanten bewahrt werden könnte.

Das Hauptinteresse bestand dabei, die seit 20 Jahren etablierte Kneipe "Acu" zu retten. Nachdem es sich jedoch herausstellte, daß
nur das ganze Gelände auf einmal gekauft werden hätte können entstand die Idee, das Acu in Kooperation mit einem selbstverwalteten
low-budget Hotel ("Strowis") zu betreiben. Dazu sollte ein altes Haus, eine ehemalige Kindermädchenschule von 1650, zum Hotel
umgebaut werden.

Als das Gelände an einen Projektentwickler verkauft wurde, konnte dieser durch Gespräche mit der Stadt Utrecht zu einer Verhandlung
mit den Autonomen gebracht werden. Neben der Angst vor einer Schließung des Acu bestand seitens der Gemeinde auch ein Interesse an
einem preiswerten Hotel in Untrecht.

Unterstützt vom Büro "Veränderung" der VAK Group wurde ein 4 Mio. Gulden teures Konzept entwickelt, für das eine lokale Bank als
Investor gewonnen werden konnte. Für 40% des Geldes übernahm die Gemeinde Utrecht eine Bürgschaft. Die VAK Group (Büro Veränderung)
leistete Konzept- und Finanzierungsberatung, Projektbetreuung, Verhandlungen mit der Bank und der Gemeinde. Es war
überraschenderweise nicht schwierig, am Anfang über 100.000 Gulden als Startkapital als Privatdarlehen im Bereich zwischen 100 bis
10000 Gulden pro Person zu bekommen.

Aus Solidarität zum Acu wichen die alten Bewohner der Häuser und Bauwagen relativ bereitwillig. Unterstützt von der Baukooperative
der VAK Group, die auch die Bauleitung übernahm, arbeiteten bis zu 200 Menschen an der Sanierung und dem Umbau der Häuser. Dabei
zählte die über zwei Jahre arbeitende Kerngruppe anfangs 4 und zum Ende 20 Personen, die Anderen beteiligten sich zwischen 2 Wochen
bis 2 Jahren. Die Arbeit wurde selbstverwaltet und unentgeltlich geleistet, motiviert durch gutes Essen und der Möglichkeit, etwas
zu Lernen. In der letzen Phase mußte durchgearbeitet werden, da schon Reservierungen vorlagen und auch die ersten Raten and die Bank
bezahlt werden mussten. Die gute Belegung ist darauf zurückzuführen, daß bereits ein halbes Jahr vor der Öffnung Werbung gemacht und
das Projekt in der Szene bekanntgemacht wurde. Außerdem wurde auch mit der Touristeninformation in Utrecht zusammengearbeitet.

Im September 1999 öffnete das "Strowis" erstmals. Es arbeiten dort momentan 25 Leute, davon werden 10 über
Arbeitbeschaffungsmaßnamen (32h/Woche) finanziert, die anderen arbeiten freiwillig. Dabei werden die Mittel für die
Arbeitsbeschaffungsmaßname vom Staat zur Verfügung gestellt, können jedoch selbstorganisiert eingesetzt werden. Das Hotel ist rund
um die Uhr geöffnet.

Die freiwilligen Mitarbeiter empfinden ihre unbezahlte Arbeit nicht als Nachteil. Sie schätzen es, daß die Bezahlten sich besser
auskennen. Momentan wird nur Nachtarbeit bezahlt. Monatlich finden Koordinierungstreffen statt.

Das "Strowis" erwirtschaftet Überschüsse, die zur Finanzierung des "Acu" verwendet werden.

Über dem "Acu" entstand Wohnraum für 3-4 Leute und ein Büro, daß Obdachlosenarbeit macht und politisch aktive Gruppen beherbergt.
Acu und Strowis sind unabhängig, kooperieren aber und bilden zusammen das Vorstadt-Projekt. Obdachlose werden auch im "Strowis"
aufgenommen, dies wird jedoch von der VAK Group aus einem Solidaritätsfonds bezahlt. Einige Obdachlose nutzen das "Strowis" auch, um
ab und zu Urlaub von ihren Obdachlosenunterkünften zu machen, den sie dann auch selbst bezahlen. Das Hotel steht allen offen, für
unangenehme Gäste gibt es eine schwarze Liste. Leute ohne Ausweis werden auch aufgenommen. Dieses wird von der örtlichen Polizei
geduldet, da diese die Unterstützung des "Strowis" schätzt. Es herrscht eine gute Arbeitsatmösphäre. Im Gegensatz zu anderen Hotels
gibt es keine Kluft zwischen Gästen und Mitarbeitern. Viele der Arbeitenden haben durch Mitbauen und Sanieren einen starken Bezug zu
dem Projekt.

Im Rückblick auf die Planungs- und Sanierungszeit schlägt Jost für das nächste Projekt vor: "Mehr tun als reden. Die Ideen kommen
beim Tun. Mit Reden wurde zuviel Zeit vertan."

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Weitere Artikel des Ausflugs des TAK AÖ nach Utrecht sind
unter http://www.leibi.de/takaoe/90_01.htm nachzulesen.

Über Hinweise auf solche und ähnliche Projekte bin ich
nach wie vor sehr dankbar, auch wenn ich gerade nicht auf Reisen bin ...

Grüße, Thomas Kalka







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Web-Site: http://www.oekonux.de/
Organisation: projekt oekonux.de


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