[ox] Beulen, nicht die Pest (fwd)
- From: Horibbeck t-online.de (H.R.)
- Date: Tue, 12 Nov 2002 19:14:35 +0100
Hallo Oekonuxis!
Passend zu den Herrschafts -u. Geld-Threads,
- ich finde den Begriff "Terror der Oekonomie" sehr treffend -
folgender (wie ich finde) brilliante Text aus Österreich:
http://members.blackbox.net/oebgdk/msp/02-2_beule-nicht-pest.html
zurück
Rüstung und Krieg sind die Beulen, nicht die Pest.
von L Glatz
In den Neunzigerjahren gingen die Militärausgaben weltweit zurück. Der
Zusammenbruch der Sowjetunion und ihrer realsozialistischen "Bruderländer" hatte
den Rüstungswettlauf zwischen den Supermächten und ihren Militärpakten beendet,
der für die Jahrzehnte seit dem Zweiten Weltkrieg charakteristisch gewesen war.
Es war davon die Rede, dass man jetzt durch die sinkenden Rüstungskosten eine
"Friedensdividende" lukrieren könne. Seit etwa drei Jahren nehmen aber die
Rüstungsanstrengungen besonders der NATO-Staaten mit den USA an der Spitze,
wieder stark zu.
Die Frage, "gegen wen diese Großmächte auf Teufel komm raus rüsten", wird von
vielen Kriegsgegnern in alter Weise nach dem Muster der Zeit der beiden
Weltkriege interpretiert: "Nach dem Ende des Ost-West-Konfliktes hat die
Konfrontation der Westmächte begonnen" - der . neue "Irrsinn der
Supermachtkonkurrenz" zwischen den USA und der von Deutschland geführten EU. Es
sei ein "Kampf der Kapitale um die Anteile am Weltmarkt", der sich "in den Kampf
der Großmächte um die Weltmacht" transformiere; "denn es geht um die
Neuverteilung geostrategischer Einflusszonen", vor allem "im Nahen Osten und in
Zentralasien, wo zwei Drittel der weltweiten Erdöl- und Erdgasvorkommen lagern"
- "ein Schlüssel zur globalen Hegemonie". "Sozialabbau in den Zentren, Verarmung
der Peripherien und unverhohlener Neokolonialismus" begleiten den neuen ?Kalten
Krieg', "dem immer auch ein ?heißer' eingeschrieben ist". Das Mittel dagegen sei
eine Änderung der Politik: für Österreich vor allem eine Wiedergeburt der
Neutralität als "ein verallgemeinerbares und zutiefst internationalistisches
Konzept gegen den Chauvinismus der Supermächte". Denn "erst die "Unabhängigkeit
von diesen Machtblöcken" schaffe "die Grundlage für eine Friedenspolitik, die
kriegerische Dynamiken zwischen den Militärblöcken bremst und Solidarität mit
den Schwachen dieser Welt übt statt Kumpanei mit den Starken" (Zitate aus
"guernica. Zeitung für Friedenspolitik, Neutralität und EU-Opposition 1/2002).
Zu diesen Auffassungen, die auch wir lange Zeit in ähnlicher Weise vertreten
haben, nimmt dieser Artikel Stellung.
Keine "Konkurrenz um die Weltherrschaft": Die EU bleibt "Juniorpartner" der USA
Die Rüstungsanstrengungen der EU stellen für die USA keine Gefährdung ihrer
Vormachtstellung dar. Von einer Einheit ist die EU gerade militärisch noch sehr
weit entfernt, und etwa in Großbritannien auch nur eine Tendenz zu einer
Militärpolitik auf Seiten Deutschlands und Frankreichs gegen die USA zu
erkennen, wäre eine haltlose Spekulation. Auch Frankreich hat sich trotz aller
immer wieder aufbrechenden Meinungsverschiedenheiten seit dem Irak-Krieg der
US-dominierten NATO-Struktur angenähert und nicht von ihr entfernt.
Eine EU, die a la longue die USA herausfordern wollte, müsste gegenüber der
erdrückenden atomaren Überlegenheit Amerikas die perverse "Fähigkeit" erwerben,
so wie die USA die Menschheit ein- bis dreimal ausrotten zu können und/oder
einen Raketenabwehrschirm im Stil der gescheiterten SDI-Initiative des
US-Präsidenten Reagan aufbauen. Am Willen der Militärs in Deutschland und
Umgebung müsste das vielleicht nicht scheitern, sehr wohl aber an der Tatsache,
dass allein dafür die EU-Rüstungsausgaben - die es gar nicht gibt, weil die noch
lange Sache der Mitgliedstaaten sind - weit über die exorbitant hohen der USA
hinausgetrieben werden müssten.
Nicht erst seit dem 11. September kann nicht nur auf diesem Gebiet, sondern auch
auf allen anderen davon keine Rede sein. Vom Tempo, mit dem die USA mit Duldung
bis Zustimmung der Bevölkerung ihre militärische Vernichtungsmaschine ausbauen,
wagen die wildesten Militaristen in Europa nicht einmal zu träumen. Und gar dem
atomaren Vorsprung der USA nachzurüsten findet sich nicht einmal im
phantastischsten Forderungsprogramm einer Offiziersgesellschaft in der EU.
Die angeblich für den Kampf um die Weltmacht rüstende Bundeswehr - immerhin die
stärkste konventionelle EU-Truppe - ist derzeit noch nicht einmal in der Lage,
das Kommando über Kabul und Umgebung zu übernehmen. Daher werden die "Europäer"
auch nicht wegen ihrer Rüstungen vom Großen Bruder abgemahnt, im Gegenteil: sie
werden von US-Politikern (jüngst erst von Verteidigungsminister Rumsfeld) immer
wieder zur Erhöhung ihrer Militärbudgets und zum Auf- und Ausbau von
Interventionskapazitäten in den Krisengebieten der Welt gedrängt. - Denn
Interventionsfähigkeit auch in weit entfernten Territorien und "Schutz vor dem
Terror" der globalen Underdogs, nicht mehr die Fähigkeit zur projektierten
"AirLandBattle", der kombinierten Land- und Luftschlacht des Ost-West-Konflikts
der Achtzigerjahre, ist heute in der NATO Gegenstand von Planung und Rüstung.
Und den Juniorpartnern in Old Europe bleibt kaum anderes übrig, als dem
nachzukommen, wenn sie gegenüber dem von ihnen beklagten wachsenden
"Unilateralismus" der USA im "Kampf gegen den Terror" noch irgendetwas mitreden
können wollen. Ob die im Aufbau begriffene EU-Einsatztruppe das Gewicht
Schröders, Chiracs etc. entscheidend erhöhen wird, ist angesichts der sich
ausdehnenden Einsatzfelder im "war on terror" noch keineswegs sicher.
Der Hauptgrund für die derzeitigen Querelen zwischen europäischen und
US-Politikern ist daher weniger ein angeblich gewachsenes Selbstbewusstsein
einer werdenden Supermacht, als vielmehr umgekehrt das drohende Absinken in die
Bedeutungslosigkeit gegenüber der geradezu wahnwitzig aufrüstenden
Führungsmacht.
Der letzte Supermächtekonflikt ist nicht durch einen imperialistischen Krieg,
sondern durch die ökonomische Weltkrise entschieden worden
Wer die aktuellen Rüstungsanstrengungen und die Reibereien zwischen den
Westmächten als sich abzeichnende Spaltung in zwei Lager interpretiert, hat
vermutlich eine schiefe Sicht der Geschichte des vorigen Jahrhunderts und
verkennt die ökonomische Entwicklung.
Schon die Konfrontation der Supermächte der zweiten Hälfte des 20.Jahrhunderts
entsprach nicht mehr den Gegebenheiten des Imperialismus der siebzig Jahre
davor. Die Selbstzerfleischung der europäischen Großmächte in den beiden
Weltkriegen hatte mit zwei wichtigen Ergebnissen geendet: Das eine war der
Aufstieg der USA zur führenden kapitalistischen Macht, die sich die
ausgebluteten europäischen Altmächte ökonomisch und politisch unterordnen
konnte, sodass auf Seiten des "klassischen" Kapitalismus nur noch eine Großmacht
bestand.
Das andere war der Versuch der abhängigen, "zurückgebliebenen" Gebiete des
Ostens und des Südens, den "Entwicklungsrückstand" gegenüber den Metropolen des
Kapitals aufzuholen. Auch wenn das im oft blutigen Kampf gegen die
alteingesessenen Mächte durchgesetzt werden musste und im Namen (und von vielen
Beteiligten auch mit der subjektiven Absicht) einer Systemalternative geschah,
so war der reale Inhalt des Versuchs doch bloß eine "nachholende Entwicklung",
in der an die Stelle der Marktkonkurrenz der Staat als Motor der
Kapitalverwertung trat.
Tatsächlich partizipierten zunächst beide Teile dieses Weltsystems - wenn auch
in unterschiedlicher Weise und in verschiedenen Graden - an den Möglichkeiten,
die Fließband und Automobilisierung der Welt für eine neue Welle der Verwertung
und der Ausdehnung des Kapitalverhältnisses auf noch nicht erfasste Gebiete der
Produktion innerhalb der Nationalstaaten und Wirtschaftsräume mit sich brachten.
Erst in diesen Jahren wurden Warenwirtschaft und Kapitalverwertung zum
flächendeckenden Weltsystem. Verdeckt vom Kaltem Krieg, von Systemkonkurrenz und
Wettrüsten schwand damit bereits die alte wirtschaftliche Grundlage der
imperialistischen Eroberungspolitik: die gewaltsame Durchsetzung von
Kapitalverwertung in agrarischen Gesellschaften und die "Notwendigkeit",
abgeschottete Märkte für Warenüberschuss und brachliegendes Kapital zu öffnen.
Umso mehr, als schließlich auch der Handel wieder in Schwung kam und der Osten
und Süden zu gern bedienten Kreditwerbern wurden.
Das Ende dieser Konstellation war daher keineswegs das Ergebnis einer
Fortsetzung der alten imperialistischen Expansionspolitik. "Ostblock" und
"Blockfreie" sind nicht durch militärische Überfälle untergegangen (wo die
versucht wurden - wie in Kuba und Vietnam - holte sich die westliche Supermacht
eine demütigende Abfuhr) noch sind sie auf den Schlachtfeldern eines
imperialistischen Kriegs der beiden Supermächte und ihrer Militärpakte
geschlagen worden.
Ihre historische Niederlage und ihre Einverleibung in die "westliche Welt" unter
Schirm und Fuchtel der USA war vielmehr Ausdruck eines Scheiterns auf dem
Weltmarkt. Dessen Produktivitätsmaßstäben entsprachen diese Länder in der
voranschreitenden dritten technischen Revolution der Computerisierung nicht
mehr. Ihre Arbeit wurde entwertet, brachte das Geld nicht ein, mit dem sie der
Konkurrenz "nachrüsten" und ihre Schulden hätten bezahlen können - ein Defizit,
das unter den Bedingungen eines hi-tech-Kriegs auch militärisch nicht zu beheben
ist.
Delegitimierung der herrschenden Parteien, soziale Unruhen,
nationalistisch-ethnische Zwistigkeiten und Schlächtereien sowie Massenflucht
waren und sind denn auch nicht die Ursachen, sondern bloß die Folgen dieses
Scheiterns in der Welt der Waren und des Geldes.
Neu und von vielen bis heute ignoriert war allerdings die Tatsache, dass die
"Wende" von 1989 keineswegs das Ende der Krise einläutete. Nicht nur lernten
zigmillionen Osteuropäer die Marktwirtschaft ganz anders als im Werbefernsehen
kennen, auch die westlichen Geschäftsleute und erst recht die klassischen Linken
hatten entschieden andere Vorstellungen gehabt. Die nunmehr frei zugänglichen
Märkte Osteuropas entpuppten sich keineswegs als das erwartete Dorado
anlagehungriger Kapitalisten - den sogenannten "Übergangsschwierigkeiten"
folgten keineswegs die versprochenen "blühenden Landschaften" der Arbeit, der
Kaufkraft und des Konsums, sondern der erwartete "selbsttragende Aufschwung"
blieb im Osten so aus wie im Westen. Und erst recht sind die Länder der "Dritten
Welt" trotz bzw. gerade wegen der Liberalisierungsprogramme, welche Weltbank und
Währungsfonds verordnen, für das internationale Kapital unverwertbar geblieben.
Ihre Schulden wachsen weiter ins Hoffnungslose, bloß spricht noch kaum wer
davon.
Die Krise ruiniert auch marktwirtschaftliche Musterländer und frisst sich durch
Auf- und Abschwung weiter.
Schlimmer noch: es stellt sich heraus, dass offenbar keineswegs die
Marktwirtschaft über die Staatswirtschaft triumphiert hat, sondern eher der
schwächere Teil eines krisenhaften Ganzen als erstes bankrottiert ist: die Ein-
und Zusammenbrüche setzen sich nun auch bei Staaten fort, die man noch vor
kurzem als Muster marktwirtschaftlicher Entwicklung hingestellt hat. Die Länder
Südostasiens erwiesen sich als Papiertiger, selbst Japan, das doch angeblich
drauf und dran war, die USA und Europa aufzukaufen, kommt schon seit Jahren
nicht aus der Rezession heraus. Mexiko musste mit gewaltigen Krediten aus dem
freien Fall "aufgefangen" werden, mit Argentinien ist eben das einst
zehntreichste Land der Welt kollabiert. Die Börsen befinden sich seit zwei
Jahren im Sinkflug, die Schulden der privaten und der öffentlichen Haushalte
haben einen historischen Höchststand erreicht, und doch ist das höchstens die
Spitze des Eisbergs der Verwertungsprobleme.
Ihren Ursprung haben diese darin, dass nunmehr schon seit Jahren schneller
Arbeit eingespart wird als neue geschaffen werden kann. Die
Produktivitätszuwächse durch neue computerisierte Technologien können nicht mehr
in Expansion von verwertbarer Arbeit umgesetzt werden. Keine Technologie, kein
Produkt ist in Sicht, mit dem das gelingen könnte, keine alten Produktionsweisen
mehr vorhanden, die neu für Kapitalanlagen erschlossen werden könnten.
Ohne dass aber im Ganzen immer mehr Arbeit (durch numerische Steigerung und/oder
durch Intensivierung) zwischen Investition und Output liegt, gibt es keine
Verzinsung, keine Dividende, keinen Profit. Mit Kredit und Spekulation lässt
sich die reale Wertschöpfung noch ziemlich lange in die Zukunft verschieben -
"bis uns etwas Neues eingefallen ist". Doch wenn dieser blinde Glaube schwindet,
kommt der Zusammenbruch - und wieder verschwindet eine Region von der
ökonomischen Landkarte, werden tausende, ja Millionen Menschen "aus der
Marktwirtschaft entlassen", ohne dass der Zwang zum Gelderwerb für ihr Leben
aufgehoben wäre.
In ihrer Spätzeit bringen sich Marktwirtschaftund Kapitalverwertung auf den
Begriff: Entweder sie können ihrem Wachstumszwang folgen als ein Krebsgeschwür,
das schließlich den Organismus tötet, von dem es lebt - oder sie stagnieren,
schrumpfen, und scheiden die Menschen aus, ohne jedoch die Ressourcen
freizugeben, von denen jene leben könnten.
Nicht Eroberung und Expansion, sondern "Sicherheit" im Abstieg ist das Ziel des
neuen globalen "Gesamtimperialismus" und seines "war on terror"
In dieser historischen Situation ist Eroberungspolitik und Expansion eines
Staates oder Staatenbundes zugunsten "seiner Konzerne" nicht mehr praktikabel,
weil es "seine" Konzerne fast nicht mehr gibt. Gerade die "global players" sind
nämlich transnational geworden, "heimatlose Gesellen", die Forschung,
Produktion, Verwaltung, Vertrieb und Marketing über Standorte in vielen Ländern
auf mehreren Kontinenten verteilt haben und an ihrem Stammsitz so wenig Steuern
zahlen und "nationale Rücksicht" nehmen wie anderswo. Im Gegenteil, es sind die
Staaten, die - weit davon entfernt, sich gegen Investitionen und "betriebliche
Notwendigkeiten" zu sträuben - darin wetteifern müssen, "den Anlegern" zu
Gefallen zu sein. Nicht dass sie ausgebeutet werden, fürchten die "Standorte",
sondern dass sie die Ausbeutung nicht mehr wert sind. Es macht keinen Sinn mehr,
diese Welt neu aufzuteilen, das Problem ist, dass sie sich fürs Kapital
verbraucht hat.
Das hat auch den Charakter von staatlicher Herrschaft und internationaler
Machtentfaltung tiefgreifend geändert. Die USA sind nicht zufällig und
vorübergehend, sondern als Ergebnis der historischen Entwicklung der
Kapitalverwertung zur einzigen Supermacht geworden. Sie sind dabei die Spitze
einer globalen Gewaltpyramide. Von dort aus kommandieren sie mit viel Geschrei,
Drohungen und Repressalien einen hierarchisch unscharf abgestuften, weltweiten
Haufen von "Ordnungskräften", die - weil notgedrungen weiter nationalstaatlich
organisiert - miteinander konkurrieren, streiten, zeitweise sogar aufeinander
schießen.
Wir haben es trotz aller Querelen mit einem neuen "Gesamtimperialismus" zu tun.
Dieser kann kein Neuland mehr erobern, sondern muss mit allen Mitteln
sicherstellen, dass die alle anderen Formen dominierende und auf sich
ausrichtende transnationale Kapitalverwertung auch in Zeiten noch möglich
bleibt, wo weite Gebiete ökonomisch unverwertbar und politisch unkontrollierbar
werden. Für diese transnationale und eben nicht mehr in der Hauptsache für eine
im wesentlichen national gefasste Verwertung muss von den Verkehrswegen über die
Rohstoffe (vor allem das Erdöl, das giftige Lebenselixier der Marktwirtschaft)
bis zu den noch benötigten Arbeitern und den Konsumenten alles auf der Welt
gesichert werden, was sich noch zu Geld verwursten lässt.
Dieser Gesamtzusammenhang der staatlichen Gewaltapparate übergreift heute die
nationalen und internationalen Streitigkeiten. Wer ihn ignoriert, verwechselt
2002 mit 1914.
Das Chaos, das diese famose Ordnung bedroht, ist von der Ordnung selber
produziert: es sind die gewalttätigen Zersetzungsprodukte der bürgerlichen
Weltgesellschaft und ihrer Staaten: plündernde Warlords und marodierende
Milizen, Terrorgruppen verschiedenster Provenienz, organisierte Kriminalität und
Mafia sowie ein paar variabel definierte Schurkenstaaten (die in erster Linie
dem Bedürfnis entsprechen, "das Böse", das aus dem Innern der Gesellschaft
kommt, geografisch draußen mit Name und Adresse zu lokalisieren).
Gegen diese wachsende Bedrohung hat ein permanenter "war on terror" begonnen,
der die Unterscheidung von Innen- und Außenpolitik aufhebt, keine Staatsgrenzen
mehr kennt, keine nationalen Souveränitäten mehr respektiert und seinem
Charakter nach auch keine mehr respektieren kann. Die Staatsgewalt von Militär
und Polizei dient immer weniger der Abschreckung oder der Vergeltung, sondern
geht über zur Prävention: Es braucht keinen Beweis, Verdacht rechtfertigt
Bombardement und Überfall.
Doch selbst auf diesem ihrem ureigensten Gebiet der Gewaltausübung verlieren die
Staaten, verliert die politische Führung des "Gesamtimperialismus" an Terrain.
Einerseits werden Gefängnisse privatisiert und beschäftigt selbst die US-Army
Söldnertruppen als Subfirmen bzw. benutzt je nach Opportunität diese oder jene
Banden als Hilfstruppen, andererseits verwildern und zerfallen weitere
staatliche Ordnungsapparate und werden unkontrollierbar.
Zudem sind Konzerne und Banken dabei, die öffentliche Gewalt zu privatisieren,
indem sie von Bodyguards bis zu international tätigen Privatarmeen diversestes
"Sicherheits"-Personal anheuern, sodass staatlich-politische Kontrolle auch auf
diesem Gebiet tendenziell schwindet und in die Hände dieser oder jener "Firma"
übergeht. Damit beginnen sich global Zustände zu realisieren, wie sie bisher nur
schwarze Scifi-Filme und Romane gezeichnet haben.
Wer Ja zu Staat, Kapital und Markt sagt, kann auf die Dauer nicht Nein zu Krieg
und Gewalt sagen.
Die Logik der kapitalistischen Entwicklung zeigt sich auch deutlich im Handeln
der politischen Parteien. Auch die fundamentalsten Kritiker der herrschenden
Un-Ordnung werden zu Vollstreckern der Systemlogik, Straßenkämpfer "gegen den
Kapitalismus" zu Bombern "für Demokratie und Menschenrechte", wenn sie - wie
z.B. der deutsche Außenminister - den Weg zu politischen Ämtern schaffen. Was
wäre von einem Regierungswechsel in Österreich anderes zu erwarten, als die
Briten und Deutschen bereits erlebt haben? Es macht wenig Sinn, diese Erfahrung,
die sich in ähnlicher Weise schon seit Jahrzehnten machen lässt, bloß mit
Bestechlichkeit und Verrat erklären zu wollen und die Augen vor der Einsicht zu
verschließen: Je mehr der Lauf der Dinge direkt und unmittelbar vom Gang der
Geschäfte transnationaler Kapitalien abhängt, desto mehr tendiert die
Gestaltungsmacht der nationalen und internationalen Politik einschließlich
Neutralitäts- und Friedenspolitik gegen Null, desto mehr wird staatliche
Aktivität zum nackten "Sicherungs"-Einsatz für die Kapitalverwertung - vom
nationalen Sozialab- und Repressionaufbau bis zu internationalen
Militärinterventionen.
Das gesellschaftliche Leben gerät zum "bellum omnium contra omnes", zum nackten
Krieg aller gegen alle, den der frühe Analytiker der bürgerlichen Gesellschaft
Th. Hobbes als ihren Kern und Ausgangspunkt erkannte.
Wenn sich aber die Gestaltungs- und Entwicklungsmöglichkeiten der gegebenen
Ordnung mit ihren beiden Polen Markt und Staat erschöpfen, gibt es nur noch den
Ausweg, sie durch eine neue zu ersetzen, damit sie nicht noch mehr Unheil
anrichtet. Das heißt nicht, dass einem alles gleichgültig sein könnte, was in
Politik und Ökonomie geschieht, es heißt aber, in allem, was eins tut, die
Perspektive der grundsätzlichen Überwindung der vorhandenen unlebbaren "Ordnung"
zu suchen und jeden Interessenskampf, jedes politische Auftreten darauf zu
beziehen. Erst von einem solchen Gesichtspunkt aus haben politische und soziale
Auseinandersetzungen im heutigen Rahmen noch Bedeutung und Aussicht.
Das gilt auch für Neutralität und Friedenspolitik, von denen sich viele
Kriegsgegner einen Beitrag zur Besserung der Lage erhoffen. Sie sind als
nationalstaatliches Konzept zu untauglichen Mitteln gegen Krieg und Gewalt
geworden, ohne dass es einen wesentlichen Unterschied machen würde, ob ein Land
wie Österreich dabei EU-Mitglied ist oder nicht. Der heute entscheidende
Zusammenhang ist eben transnational - eine krisenhafte globale Ökonomie, die zum
wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Zusammenbruch immer weiterer Gebiete
führt, und ein globaler "Gesamtimperialismus", der diese Un-Ordnung mit allen
Mitteln aufrechterhalten will. In dieser Realität läuft die erstrebte
"Friedenspolitik eines neutralen Österreich" auf das merkwürdige Angebot hinaus,
den sozialien Abstieg und gesellschaftlichen Zerfall mit politischen Mitteln
friedlich zu gestalten. Eventuell mit dem Nebeneffekt, dass nach dem absehbaren
Scheitern von Vermittlungsbemühungen in den auftretenden Krisen
Militärintervention und Bombardierung umso eher gerechtfertigt erscheinen.
Perspektive kann ein Widerstand gegen die Verächtlichmachung und Abschaffung von
Neutralität und Friedenspolitik nur dann haben, wenn damit über Staat und
Politik hinaus die Ablehnung des herrschenden ruinösen "Terrors der Ökonomie"
mobilisiert wird, der hinter der Gewalt des "Sicherheitsimperialismus" genauso
steht wie hinter Fundamentalismus, Bürgerkrieg und Terror.
Sozialer Abstieg und Ausbreitung blanker Brachialgewalt ist nirgends mehr durch
die Neugestaltung der vorhandenen Gesellschaft auf den ererbten Grundlagen von
Ware, Geld und Staat aufzuhalten. Es geht vielmehr um die Verfügung über die
Ressourcen, mit denen menschliches Zusammenleben neu gestaltet werden kann,
jenseits des absolut wahnwitzig gewordenen Mechanismus der Arbeit für
Geldvermehrung und der Konkurrenz. Es geht um Freiräume und Experimente für eine
kooperative und solidarische Gegengesellschaft statt einer "neuen Politik", die
höchstens eine "bessere" Verwaltung des Niedergangs sein könnte. Es ist eine
große und langwierige Aufgabe, solche Ansätze aus dem vielgestaltigen und sehr
widersprüchlichen Widerstand zu entwickeln, der sich gegen die immer
unverschämteren Zumutungen des Welt-Systems regt und der sich gegen die
Repression des "Imperiums" und gegen die allgemeine Demoralisierung der
Gesellschaft behaupten muss. Wer aber zur dringend nötigen Besserung der Dinge
beitragen will, sollte hier mittun. Sonst geht immer mehr Zeit verloren mit
immer neuen aussichtslosen Versuchen, den kapitalistischen, menschenfressenden
Hai doch noch zum Vegetarier zu machen.
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Rüstungsindustrie und Staat
Die Rüstungsindustrie der USA hat die Rückgänge und Umstellungen der
Neunzigerjahre durch Massenentlassungen und große Fusionen bewältigt und durch
neue Regierungsaufträge auch ihre weltweit dominierende Rolle ausgebaut. In der
EU sind die Bemühungen eine gesamt-"europäische" Militärindustrie zu schaffen
mit der von der Politik forcierten Schaffung der aus spanischen, französischen
und deutschen Unternehmen fusionierten Rüstungskonzern EADS (European Aeronautic
Defence and Space Company) durchaus erfolgreich gewesen. Unleugbar ist damit die
Absicht verbunden, gegen die übermächtige US-Konkurrenz das Eigengewicht eines
europäischen Rüstungspools zu setzen. Ein staatlicher Gewaltapparat, der seine
Instrumente nicht in seinem Machtbereich herstellen kann, hat eben nur eine
eingeschränkte Souveränität.
Der staatliche Geldbedarf für die Feuerwaffenproduktion und den dadurch
bedingten Festungsbau der Fürsten- und Königshöfe in der frühen Neuzeit war
historisch der mörderische Ausgangspunkt der kapitalistischen
"Erfolgsgeschichte". Jetzt, in der Spätzeit dieser Wirtschaftsweise scheinen die
modernen Waffenschmieden die letzte Industriesparte zu sein, die noch
staatlicher oder im Fall der EU: quasistaatlicher Einflussnahme unterliegt. Auch
in allen Vereinbarungen über Freihandel, von der WTO über das NAFTA bis zu den
Abkommen zwischen USA und EU genießt die Rüstungsindustrie weitgehende Ausnahmen
Allerdings macht der ökonomische Zwang zur Transnationalisierung auch vor EADS,
Boeing, Lockheed & Co. nicht Halt. Die "Europäisierung" der nationalen
Militärindustrien in der EU liegt auf dieser Linie und ist keineswegs das Ende,
sondern nur ein Durchgangspunkt der Entwicklung, die schon jetzt der zögernden
militärischen Vereinheitlichung der Unionsstaaten weit voraus ist. Der
Daimler-Chrysler-Konzern, der am europäischen Rüstungskonsortium maßgeblich
beteiligt ist, hat den nationalen, ja europäischen Rahmen schon längst
gesprengt. Natürlich ist auch er an einer Konkurrenz zwischen EU und USA
interessiert, aber in einer ganz anderen Weise, als in das alte Schema der
Supermachtkonkurrenz passt: Die Konkurrenz der Staaten, an der Kolosse wie
Daimler-Chrysler interessiert sind, besteht darin, dass die beiden
Wirtschaftsräume als Standorte um die Gnade der Verwertung ihrer materiellen und
menschlichen Ressourcen durch betriebliche Investitionen buhlen.
Eine solche Entwicklung bahnt sich - wie nicht anders zu erwarten - durch
Kooperationen, Allianzen und Übernahmen auch in der Rüstungsbranche selbst an.
"Die Waffen der Zukunft werden ein internationales Puzzle sein, wie es
beispielsweise die heutigen Autos schon sind". Schon in absehbarer Zeit dürften
auch die Rüstungskonzerne als transnationale Körperschaften noch bestehende
staatliche Schranken durchbrechen und es wird selbst für große Staaten
"schwierig, die Kosten und Preise, den Besitz und Weiterverkauf von Waffen zu
überwachen" (Ann Markusen, Die Globalisierung der Rüstungsindustrie.
Waffenproduzenten folgen dem Beispiel ihrer kommerziellen PartnerInnen. in:
Friz. Zeitschrift für Friedenspolitik, Zürich 2/2000). Tendenziell stehen dann
Regierungen den Rüstungskonzernen als Kunden nicht anders gegenüber als die
schon heute boomenden "private military enterprises" (siehe dazu Telepolis:
Privatarmeen in Goldgräberstimmung, auf:
http://www.telepolis.de/deutsch/inhalt/co/12596/1.html) und vollmafiose
Gewaltapparate
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ANSCHAUUNGSMATERIAL zu Rüstung und Krieg
Rüstungsausgaben steigen weltweit massiv an
Die internationalen Rüstungsausgaben stehen nach den Terroranschlägen vom 11.
September vor einem massiven Sprung nach oben. Dem am Donnerstag, 13. Juni,
veröffentlichten Jahresbericht des Stockholmer Friedensforschungsinstituts Sipri
zufolge ist nach dem zweiprozentigen Anstieg der Rüstungsausgaben im Jahr 2001
mit einem "sehr viel schnelleren Zuwachs" zu rechnen. Im vergangenen Jahr gaben
die Staaten 891 Mrd. Euro für die Rüstung aus.
(Der Standard 14.6.02)
US-General: Europa soll den USA nachrüsten
"Die US-Rüstungsausgaben steigen bis nächstes Jahr um 48 Mrd. Dollar, das sind
nominal 14 Prozent, aber inflationsbereinigt rund zehn Prozent, also keine
riesige Steigerung. Aber in absoluten Zahlen sind das 150 Prozent des jährlichen
Verteidigungsbudgets der nächst größeren NATO-Mächte (Großbritannien und
Frankreich Anm.), und es ist mehr als das gesamte Verteidigungsbudget von 12 der
19 Bündnismitglieder. Wenn die anderen Länder ihre Ausgaben ebenfalls um zehn
Prozent steigerten, würde es einen gewaltigen Unterschied für die Modernisierung
der Ausrüstung machen.
(NATO-Oberkommandierender in Europa, US-General J. Ralston in: Der Standard
15.6.02)
"Gesamtimperialismus 1"
Wir hatten schon einige Zeit eine gute militärische Beziehung zu Russland.
Russland ist seit sechseinhalb Jahren mit uns in Bosnien, seit drei Jahren im
Kosovo, das funktioniert alles sehr gut. Probleme liegen nicht auf der
militärischen Seite und ich hoffe, dass der NATO-Russland-Rat die Beziehungen
einen großen Schritt vorwärts bringt."
(NATO-Oberkommandierender in Europa, US-General J. Ralston in: Der Standard
15.6.02)
"Gesamtimperialismus" 2
Der Standard: Wird die militärische Koordination der erweiterten NATO
schwieriger werden? Ralston: Aus der militärischen Perspektive nein. Man fragt
mich oft, wie werdet ihr mit 20 oder 22 Nationen zusammenarbeiten? Aber es gibt
dafür Beispiele. Wir haben 38 Nationen im Kosovo und haben damit keine Probleme.
(Der Standard 15.6.02)
(L. Glatz)
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