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Re: Re: [ox] Begrifflichkeiten



Ref.: 	«Re: [ox] Begrifflichkeiten»
 		Stefan Meretz
 		(2002-09-27, 00:01:52 [PHONE NUMBER REMOVED], KW 39/2002)

Hallo Stefan & Stefan!

Irgendwie verstehe ich Deine (SMz) Ausführungen zu den Begriffen nicht
:-(

Begriffe sind nicht diskret, denn sie _sind_ diese Welt (ein Teil
davon), die du kontinuierlich nennst, und nicht etwa von ihr
getrennt.

Na und? (das habe ich wirklich nicht verstanden)

Eine Definition (ok: Begrenzung oder Abgrenzung) ist überhaupt nur
möglich, wenn "irgendwie" eigentlich schon klar ist, was da
begrenzt werden soll.  Auch die Begrenzung selbst ist eigentlich
nur möglich, wenn die Grenze "irgendwie" schon klar ist. - Das
nenne ich das Definitions-Paradoxon.

Nee, das würde ich nicht sagen: das trifft nur für die ursprüngliche
Begriffsfindung zu (sozusagen die Bildung von Begriffen auf der tabula
rasa, die nichts als sinnliche Erfahrungen kennt), nicht aber für die
Definition von Begriffen, die wir sozusagen geerbt haben oder deren
begriffliche Rahmenbedingungen wir schon mit uns rumtragen: Wenn ich
mich in oder nach all unseren Diskussionen aufmache und nach
Möglichkeiten der Definition (Abgrenzung) solcher Begriffe wie
Dualismus oder Konkurrenz suche, dann tu ich das genau aus dem Grund,
daß mir das nicht klar ist, was da begrenzt werden soll und wo die
Grenze verläuft: ich habe nur einen Erfahrungsschatz und
'Begriffsapparat', in den das ganze dann reinpassen soll. Aber solange
mir nicht die ganze Welt klar ist, sind diese es nicht und somit auch
nicht das, was ich definiere(n will). Oder bin ich da einfach zu naiv?

Das muss man sich klar machen. In der Wissenschaft wird
demgegenüber oft so getan, als ob mit der Definition quasi der
Begriff auf die Welt kommt.  Das ist natürlich Quark, aber man
schafft sich eine Menge von Problemen vom Hals.

Ich hätte gedacht, daß in der Definition der Begriff nicht 'auf die
Welt kommt', sondern *geklärt* wird. (Da gibt's aber auch andere
Meinungen dazu, welche allerdings auf einem anderen Begriff vom
Begriff beruhen.)

Von der guten Definiertheit hängt aber nicht ab, ob ein Begriff
konkret, sinnlich, also praktikabel wird. Sondern von dem, was das
definiert, also abgegrenzt wird. Wenn ich Schrott klar definiere,
bleibt es Schrott. Und es gibt viele undefinierte Begriffe, die
ziemlich wirkmächtig sind. Aus Definiertheit folgt nicht
Sinnlichkeit und umgekehrt.

Poof! (Das versteh ich!)
 
Mal ein Beispiel: Arbeiter und Kapitalist. Diskret? Niemals, weiss
doch heute jede/r: Ich-AG.

Moment: wieso niemals? Weils heute so viele Ich-AG'n geben soll? Ich
glaube nicht, daß es niemals anders war. Im Gegenteil: Ich-AGs waren
vor einigen dutzend bis hundert Jahren eher selten. Ich glaube, daß
die Unterscheidung zwischen Kapitalist und Arbeiter noch längst nicht
Quatsch ist, nur weil sie sich heute angeblich verwischen oder
so. Außerdem beschreibt die Ich-AG nur eine Rechtsform, nicht die
ökonomische Beziehung: in aller Regel können wir doch davon ausgehen,
glaube ich, daß die Ich-AG keineswegs als Kapitalist+Arbeiter gelten
kann: die Aktien an der Ich-AG haben doch 'andere', oder? (Im
Zweifelsfalle, Deine kybernetische Maschine, die den geschaffenen
Mehrwert nichts desto weniger enteignet und [teilweise] in das
Kapitalverhältnis zurückfließen läßt.) Und der von den in der Ich-AG
Arbeitetenden erwirtschaftete Mehrwert dürfte auch im Falle der heute
gemeinten Ich-AG nicht in erster Linie dem Ich-"Aktionär" (?!)
zufließen -- oder? Wirtschaftlich gesehen ist es doch einfach so, daß
dem (ehemals) doppelt freien Lohnarbeiter jetzt einfach die 'Freiheit
von Produktionsmitteln' wieder genommen wird, daß sich mit anderen
Worten der (wirkliche) Kapitalist von der Sorge um die
Produktionsmittel wieder befreit (ohne deshalb allerdings das Eigentum
am Kapital aufzugeben). Oder sehe ich das falsch? Auch die Tendenz,
daß der personifizierbare Kapitalist heutzutage zwischen
institutionellen Kapitalisten zu verschwinden scheint, ändert nichts
an der Sache, nämlich dem Kapitalverhältnis und somit der Existenz des
Kapitalisten. (Nur weil der Begriff schwieriger zu definieren ist, ist
er doch noch lange nicht obsolet: zumindest nicht solange er seine
Funktion im Kapitalverhältnis zu spielen, also zu existieren gezwungen
ist!)

Klar definiert? Klar, ist möglich. Haben Generationen von
Marxographen getan. Deswegen konkret, sinnlich und praktikabel? Na
ja, teilweise. Nämlich zu der Zeit, als die Definition noch
halbwegs auf die Wirklichkeit passte.

Also doch nicht 'niemals'!

Heute: nicht mehr. Heute 
kapieren wir (potenziell): Das ist ein Dualismus

*geworden*,

der das Denken verstellt. 

(-- wenn überhaupt!)

Er führt zu Personalisierungen (gut vs. schlecht) und statischem
Denken. 

Ich finde, das ist unfair dem Dualismus gegenüber. Was kann der denn
dafür, wenn die Menschen zu faul sind, ihn zu warten, und trotzdem noch
benutzen wollen?

Dabei ist der Witz: Der Kapitalismus funktioniert subjektlos
selbstgesteuert, eben wie eine kybernetische Maschine (musste ich
doch mal wieder plazieren, hihi:-). Da quälen sich Generationen mit
Arbeiter-Kapitalisten-Dualismen ab und am Ende stellt sich raus,
das es "nur" verschiedene Funktionen im gleichen Prozess sind
(G-W-G'), die zunehmend verschmelzen [...]

-- so wie die diskreten natürlichen Zahlen nur verschiedene
Repräsentanten der Menge aller natürlichen Zahlen darstellen? Will
sagen: mir ist nicht klar warum das gegen der Arbeiter und
Kapitalisten Diskretion spricht...

(Aber wahrscheinlich habt 'Ihr Naturwissenschaftler' nur wieder eine
andere Vorstellung von diskret und kontinuierlich... da würd ich mich
auch gerne aufklären lassen.)

Arbeiter und Kapitalist: irgendwie klar und einfach, aber nutzlos,
weil praktisch obsolet. Was heisst Aufheben des Dualismus? Na, eine
Situation, in der es weder noch gibt, nicht mehr personal und nicht
mehr als Funktionen, weil der umgreifende Prozess ein anderer ist
(nicht mehr G-W-G'). Diese mögliche Entwicklung kann ich mit
Dualismen nicht denken.  Dualismen kennen keine Entwicklung.

Was nicht heißt, daß sie sich entwickeln können, oder?

Ich dachte, wenn die Begriffe (und mithin die Dualismen) 'diese Welt
(ein Teil davon)' '_sind_', dann können sie nicht nur, sondern dann
müssen sie sich mit ihr entwickeln -- bei Strafe ihres Unterganges
(man denke an Begriffe wie an Saurier und Quastenflosser ;-).

Wenn man also auf Sinnlichkeit verzichtet, dann weil man
stattdessen Gemeinsames hervorhebt. Was aber ist Dualismen gemein
? Und inwiefern finded man dies dann in dem Begriffspaar
Kooperation / Konkurrenz ?

Das hat Petra vorgeführt: wenn p, dann nicht q. 

ok.

Wenn nicht Kooperation, dann Konkurrenz. Das ist einfach schlicht
nicht so. Ganz praktisch.

ok.
 
Dualismen tun aber so, als ob es so wäre.

???

Alle (fast alle) scheinbar klaren Beispiele von Petra (sorry,
Petra, ich ziehe es mal hier rein) sind einfach nicht
zutreffend. Denn allen Dualismen ist eines gemein: Sie sind
zirkulär konstruiert.

Alle Begriffe sind 'zirkulär konstruiert':

	"... dem endlichen Etwas zunächst gegenüber ist das
	Unendliche..."

p ist durch q definiert, nämlich als nicht q, und umgekehrt. Und
der Definitionsraum wiederum durch seine Elemente p und q.

	"... der abstrakte Gegensatz, in welchem diese Bestimmungen
	erscheinen, löst sich in die gegensatzlose Unendlichkeit ... auf."
	(Hegel)

Wenn ich aber null Vorstellung habe, was denn p sein könnte, dann
werde ich nie etwas von p erfahren können. Dito für q. Ich muss
also den Definitionsraum überschreiten.

Wie willst Du denn das anstellen?

Der Trick ist, daß Du für die Begriffsbildung zwar nicht mit 'null
Vorstellung' auskommst, daß Du aber weder für p noch für q einen
Begriff brauchst, um dir welche von ihnen zu machen. (Die Vorstellung
kommt ja bekanntlich vor dem Begriff ;-).

Damit habe ich das o.g. Problem des Definitions-Paradoxons.

Du merkst, ich hab das immer noch nicht verstanden :-(

Sorry & Beste Grüße,
Casimir.
________________________________
Web-Site: http://www.oekonux.de/
Organisation: projekt oekonux.de


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