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Re: [ox] Boden(un)recht



Hi Hartmut, Stefan Mn & alle:

Hartmut Pilch schrieb am 16.8.:
Es wäre durchaus auch möglich, Wohnraum als Ware zu handeln, ohne
jemandem ein absolutes und ewiges Besitzrecht zu erteilen.

Boden wird aber mit absolutem und ewigem Besitzrecht gehandelt -- so wie
eben Waren gehandelt werden --, das ist ja das Problem.

Das müsste nicht so sein.

Ob der Begriff "Ware" dann noch angebracht ist, ist eine akademische Frage.


Aber wie gesagt: der Hauptgrund für die überhöhten Preise sind die
filzigen Gesetze des Bodenprivatbesitzes, die ebenfalls durch die
Lobby eingeführt wurden und beibehalten werden -- Filz von "Die
Grundeigentümer waren beim Alten."

Welche Gesetze sind filzig und in wiefern?

Die Gesetze zum privaten Bodenbesitz und den Landpreisen sind filzig
insofern, als sie durch die Lobby eingeführt wurden und beibehalten werden,
entgegen den Interessen der grossen Mehrheit.


Eine Auflage "du sollst pflegen" ist wohl schwächer als der Anreiz "wenn
ich das gut pflege, zehren meine Familie und meine Nachkommen noch davon".
Letzerer Anreiz führt vielleicht sogar eher zu nachhaltigem Wirtschaften.

Das "nachhaltige Wirtschaften" sieht man ja beim römischen Bodenunrecht:
Der Acker wird verkauft und zugebaut; auf Firmengeländen wird fleissig
verschmutzt, denn das erhöht die Gewinne.  Die Familie & Nachkommen
zehren dann vom _Geld_...

Die Allmend-Auflage "du sollst pflegen" _ist_ ja der Anreiz zur Pflege --
wer's nicht pflegt, ist's los.  Einen stärkeren Anreiz zum nachhaltigen
Wirtschaften gibt's wohl nicht...


                                , und manche [IPR] beruhen vor allem
auf dem Recht, andere an Leistungen zu hindern.

Das trifft auch (und sogar stärker) auf das Bodenunrecht zu:  Der Umstand,
dass Millionen von Menschen 1-2 Tage pro Woche NUR für überhöhte Mieten
malochen müssen, hindert diese Menschen erheblich an Leistungen, z.B.

Das ist nicht vergleichbar.  Das Pendant zum Patent wäre ein Recht,
anderen eine bestimmte Art von Bodennutzung zu verbieten.

Das tut ja das römische Bodenunrecht -- Nichtbesitz von Boden verbietet
den meisten Leuten diverse Arten von Bodennutzung.


Fazit:  Die Millionenbauern verdienen am Unglück von Millionen -- viel
mehr und viel elementarer als irgendwelche IP-Heinis.

Im einzelnen leuchtet mir das nicht alles ein.

Ooch, jetzt habe ich schon so viel erklärt...


Klar dürfte indes sein: die Wirtschaft in DE, JP u.a. leidet vor allem an
überhöhten Kosten für Arbeit (Löhne, Lohnnebenkosten) und Immobilien.

Richtig, wobei auch am ersteren das Bodenunrecht massgeblich beteiligt ist.


Länder mit geringeren Personal- und Bodenkosten werden vielleicht so lange
objektiven Druck ausüben, bis hierzulande alles weitgehend
deindustrialisiert und so krisengeschüttelt ist, bis Arbeit und Boden
wieder verhältnismäßig billig sind.  Wenn der Boden teuer bleibt, bleibt
auch die Arbeit teuer.

Es wäre eben zu hoffen, dass das römische Bodenunrecht abgeschafft wird,
_bevor_ es zu solchen Krisen kommt.  Das gilt übrigens sowohl für die
"1." wie auch für die "3." Welt.


Wenn man also schlimme Talfahrten und Krisen vermeiden wollte, müsste man
sowohl den Millionenbauern als auch den Gewerkschaften kräftig an den
Karren fahren.

Richtig.  Die Gewerkschaften haben zum Bodenunrecht teils geschwiegen,
teils sogar als Trittbrettfahrer mitprofitiert (Stichwort "Neue Heimat").

---------------

Stefan Merten schrieb heute:
Endlich komme ich dazu, mich mal wieder mit der Liste zu befassen

Freut mich.  Bei den Schweigern weiss man nämlich nicht so recht, ob
sie aus Zustimmung schweigen, oder aus völliger Ablehnung (sodass sich
aus ihrer Sicht eine Debatte erübrigt, bzw. i.S.v. "don't feed the trolls").


Last month (28 days ago) Christoph Reuss wrote:
Das römische Boden(un)recht ist die Fortsetzung des Feudalismus mit
raffinierteren Mitteln.

Die Gleichsetzung von Feudalismus und Kapitalismus halte ich nun
wirklich nicht für angezeigt.

Gleichsetzung habe ich auch nicht gesagt.  Die Aussage "Krieg ist die
Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln" ist ja auch keine
Gleichsetzung von Krieg und Politik.  Ausserdem war das Thema ja
das römische Bodenunrecht, nicht der Kapitalismus.


Sind wir uns einig darin, dass es
zwischen beiden Systemen *erhebliche* Unterschiede gibt und
insbesondere die Grundlagen ihrer Reproduktion sich fundamental
unterscheiden?

Jein.  Je nach Implementation kann sich der Kapitalismus ganz (un)schön
stark dem Feudalismus nähern (schonmal gründsätzlich gemeinsam haben
die beiden das Erben von Privilegien [Geld bzw. Adelstitel]).  Und das
tut er leider immer mehr.


Dass auch vereinzelte Machtgruppen aus dem alten Regime in das neue
wechseln konnten, ist dabei kein Widerspruch. Dass Teile der
Profiteure des alten Regimes ihre Möglichkeiten genutzt haben, um
einen Fuß ins neue zu bekommen belegt aber noch lange nicht die
durchgehende Kontinuität auf allen Sektoren.

Eine durchgehende Kontinuität auf allen Sektoren hatte ich auch nicht
behauptet.


Allein für die dadurch künstlich überhöhten
Bodenpreise muss der "normale" Werktätige etwa 20%-40% seines Lohnes
abliefern (via Miete, Steuern[*] und allgemein höhere Preise) -- er
arbeitet also jede Woche 1-2 ganze Werktage für "Millionenbauern" und
Bodenspekulanten, die ihrerseits dafür weder arbeiten noch Risiken
tragen.

Hier finde ich bereits den hochproblematischen Kern von Christophs
Argumentation. Christophs Argumentationslinie liegt ja nichts anderes
zu Grunde, als das es unter Geldbedingungen so etwas wie einen
"gerechten Lohn" gäbe, der sich an der persönlichen Arbeitsleistung
bemesse.

...mit starker Betonung auf "unter Geldbedingungen":  Solange diese
noch gelten, ist es nur gerecht, dass sie für _Alle_ gelten --
GPL-Keimformen natürlich ausgenommen, aber dazu gehören die
Millionenbauern ja nun wirklich nicht!  ;-}


Selbst wenn mensch diese Annahme mal für einen Moment durchhält, dann
ist das ganze System so irre, dass sich die "Millionebauern" darin nur
noch als ein kleines Fünkchen innerhalb eines völlig verrückten
Feuerwerks ausmachen lassen.

Stimmt insofern, als das eigentliche Problem nicht die "hand-aufhaltenden"
Millionenbauern selbst sind, sondern das römische Bodenunrecht, das denen
solche Gewinne ermöglicht.


Wenn wirklich die persönliche
Arbeitsleistung - und irre ich mich wenn Christoph hier letztlich die
Leidensbereitschaft meint? - wenn also wirklich die persönliche
Arbeitsleistung eine zentrale Rolle spielen soll, dann hat jede
Erziehungsperson / Putzkraft / BandarbeibeiterIn aber das gleiche
Recht auf ein Einkommen wie ich, Herr Schrempp oder die
"Millionenbauern".

Mit Ausnahme der Millionenbauern, denn die arbeiten ja eben nichts dafür.


Wobei mir übrigens völlig rätselhaft bleibt, warum die UnternehmerIn,
die ihr Einkommen ja erheblich aus der Arbeitskraft anderer bezieht,
bei Christoph so gut wegkommt.

Die UnternehmerIn muss wenigstens selber arbeiten (ziemlich stressig sogar)
und einiges riskieren.  Der Millionenbauer weder noch.

[Wobei im heutigen System die Topmanagerlöhne viel zu weit über deren
 effektiver Leistung liegen -- heutige Topmanager richten ja oft mehr
 Schaden als Nutzen an.]


Wenn Christophs Theorie zu Ende gedacht
wird, dann dürfte ausschließlich nach der geleisteten Arbeitszeit
bezahlt werden.

Warum denn das?  (Und was hat das mit Millionenbauern zu tun?)
Die Schwierigkeit und der Nutzen der Arbeit ist natürlich nicht egal.


Innerhalb des Geldsystems ist ein "gerechter Lohn" nach menschlichen
Maßstäben - die ich Christoph einfach mal unterstelle - also immer
eine Illusion.

Die völlige Gerechtigkeit mag eine Illusion sein, aber das heisst noch
lange nicht, dass man die völlige Ungerechtigkeit nicht ändern sollte.
Konkret:  Ob ein Manager 3-mal oder 10-mal mehr als ein
Fliessbandarbeiter verdient, ist ein "Detail" verglichen mit der Frage,
ob ein Bauer 200 Mio. Euro oder "nichts" für den geerbten Acker kriegt,
und dadurch sämtliche Mieten, Steuern und Preise enorm erhöht sind (was
durch die etwas höheren Managerlöhne nicht annähernd eintritt).


Was aber in Christophs Argumentation letztlich auch durcheint ist das
alte "Wer nicht arbeitet soll nicht essen!"

Falsch.  Ich sage nur:  "Wer nicht arbeitet soll nicht Millionen kassieren
auf unfreiwillige Kosten Anderer, die darunter täglich leiden müssen."


Wo in dieser Grundhaltung das emanzipatorische Potential liegen soll,
ist mir nicht so recht einsehbar.

Das emanzipatorische Potential meiner Bodenrechts-Grundhaltung liegt
darin, dass die Abschaffung des römischen Bodenunrechts eine notwendige
Voraussetzung für eine emanzipierte Gesellschaft ist, egal ob mit oder
ohne Geldwirtschaft.

Wo in einer Pro-Millionenbauern-Grundhaltung das emanzipatorische Potential
liegen soll, ist mir nicht so recht einsehbar.


Gerade auf dieser Liste, wo viele
die Selbstentfaltung aller als Grundlage einer neuen
Vergesellschaftungsform zumindest als Möglichkeit spannend finden und
in der Freien Software keimförmig erkennen können, gerade auf dieser
Liste sollten doch solche Haltungen wie Christophs eigentlich
inhaltlich kritisiert werden - oder? Wenn Selbstentfaltung schon für
eine entscheidende, wenn nicht *die* emanzipatorische Größe gehalten
wird, dann ist die maximale Leidensfähigkeit, die aus dem Bibelspruch
spricht ja das exakte Gegenteil von dem, was erwünscht wäre.

Gerade auf dieser Liste, wo viele betont haben, dass Selbstentfaltung
nicht auf Kosten Anderer erfolgen darf/sollte, sollten Millionenbauern
--deren Selbstentfaltung völlig auf Kosten Anderer erfolgt-- nicht noch
verteidigt/verharmlost werden.


Das Haupt-Unrecht besteht darin, dass der Bodenpreis bei der Umzonung
von Agrarland in Bauland astronomisch ansteigt (bis ca. 1'000-fach).

Und das hat nichts mit Metaphysik zu tun, sondern ist ganz klar eine
Folge, dass ein Ding von einer Ware (Agrarland) zu einer anderen
(Bauland) umdeklariert wird. Der Wert dieser Waren ist eben (krass)
unterschiedlich weil die Rentabilität eben auch (krass)
unterschiedlich ist. Und?

Dieses Ding ist aber der _selbe_ Acker, das ist das verrückte.  Und die
Rentabilität liegt eben nicht in der Sache (das wäre nämlich der Agrar-
Ertrag des Ackers), sondern in künstlichen und korrupten Gesetzen (röm.
Bodenunrecht) und Beschlüssen (Umzonung).


So konnten einfache Bauern "über Nacht" zu Millionären
werden, durch den einfachen Verkauf von ein paar Aeckern.

Und was ist jetzt daran das Problem in einer Gesellschaft in der die
allgemeine Plusmacherei das fundamentale Prinzip ist? Mit dem gleichen
Recht ließe sich jedeR Lotto-MillionärIn verdammen. Tust du das dann
wenigstens konsequenterweise auch?

[Hach, _endlich_ kommt der Lotto-Vergleich!  8-D
 -- darauf hatte ich schon gewartet.]

Nein, da gibt's fundamentale & riesige Unterschiede:

- Die Million des Lottogewinners kommt von _freiwilligen_ _kleinen_
Beiträgen der Lottospieler, die sich gerne auf das Spiel einlassen,
um etwas gewinnen zu können.  Das Geld für die Millionenbauern hingegen
kommt von _unfreiwilligen_ _grossen_ Beiträgen "aller" Leute (via Mieten,
Steuern, Kaufpreise), die dabei nichtmal was gewinnen können.

- Der Effekt von Lottogewinnen auf die Höhe der allgemeinen Mieten,
Steuern und Preise ist vernachlässigbar, der Effekt der Millionenbauern
hingegen enorm (s. frühere Postings) -- das ist ja das Problem.

Deshalb gönne ich den Lottogewinnern ihre Million(en) ganz herzlich!
Millionenbauern sind eine völlig andere Kategorie.


Für die Wareneigenschaft braucht es kein Geld - in der Tat. Aber um
über ein Elendsniveau heraus zu kommen, scheint Geld in einer
Tauschgesellschaft notwendig zu sein.
...
Ja, den Besitz als Grundlage für Nutzungsrechte finde ich auch ein
spannendes Konzept.

Da stimmen wir ja in den wichtigsten Punkten dieses Threads überein.


(...nicht ganz GPL, denn Boden ist _echt_ knapp (nicht vermehrbar).)

Auch das finde ich zumindest hinter der Diskussion auf dieser Liste
zurück, wo Benni die Unterscheidung zwischen Vorkommen, Begrenztheit
und Knappheit eingeführt hat:

* Das Vorkommen an Boden ist endlich - zumindest auf diesem Planeten.
  Die Landmasse mag als grobe Richtschnur gelten. Sogar die ist im
  übrigen vermehrbar wie uns die Niederländer demonstrieren.

NL ist eine unrepräsentative Ausnahme, und in Zeiten steigender Meeres-
spiegel und Sturmspitzen müssen die eher froh sein, wenn sie nicht ihr
ganzes Land _aufgeben_ müssen, wie Tuvalu -- also das _Gegenteil_ von
"vermehrbar".  (das gilt auch für die zunehmende Versteppung/Verwüstung/
Verschmutzung von Boden weltweit)


 Davor gibt es aber eine Unmenge von gesellschaftlich-historischen
 Bedingungen, die eine Bodennutzung möglich machen. Gerade auch die
 technische Entwicklung hat im Laufe der Geschichte dazu geführt,
 dass immer mehr Boden nutzbar wird. Er ist also definitiv
 vermehrbar.

Fragt sich nur, _wofür_ nutzbar.  Qualität vs. Quantität...


 Heute sind wir in Mitteleuropa sogar an einem Punkt angelangt, wo
 die bisherige landwirtschaftliche Bodennutzung tendenziell wieder
 zurück genommen wird. Hier wird also Boden auch "vermindert".

Ein gefährlicher Trugschluss.  Das hat viel mehr mit Billigimporten und
Subventionskalkül zu tun als mit Effizienzsteigerung der Landwirtschaft.
Die ersteren 2 wollen wir doch auf dieser Liste nicht...


* Die Knappheit von Boden jenseits der genannten Begrenztheiten ist
  dagegen zwecks Profitmaximierung herbeigeführt. *Gerade* die
  Phänomene, die du beschreibst sind ein Anzeichen dafür. Der Boden
  *ist* also alles andere als "echt knapp", sondern er wird echt
  verknappt. Und das ist selbstredend auch anders zu organisieren wenn
  es denn gewollt wäre.

Dass _obendrein_ noch künstlich verknappt wird, hatte ich nicht bezweifelt.
(Und dass es auch anders zu organisieren wäre, ist ja der Inhalt dieses
Threads.)  Gleichwohl ist die natürliche Knappheit etwas, was den Boden
prinzipiell von Software und vielen materiellen Gütern unterscheidet.


Die These, dass Boden nicht vermehrbar sei, halte ich also nach so
ziemlich allen möglichen Kriterien für haarsträubend.

Die "ziemlich allen möglichen Kriterien" habe ich soeben widerlegt.

Und selbst wenn Boden mit erheblichem technischem Aufwand um ein
paar Prozent "vermehrbar" ist, dann ist dies viel zu wenig, um die
für "GPL" nötige "beliebige Kopierbarkeit" zu erreichen.

Umso wichtiger ist deshalb ein gerechtes Bodenrecht.


Außerdem wäre zu
klären, inwieweit hier Bodennutzung mit verschiedenen Formen von
Bedürfnisbefriedigung zusammenspielen. Es ist ja nicht ausgemacht,
dass unter allen möglichen gesellschaftlichen Bedingungen, die je
existenten Begrenzungen von Boden sich als Begrenzungen von
Bedürfnisbefriedigung niederschlagen.

Stimmt, und die Abschaffung des römischen Bodenunrechts ist dafür
eine notwendige Voraussetzung.

Grüsse,
Christoph


________________________________
Web-Site: http://www.oekonux.de/
Organisation: projekt oekonux.de


[English translation]
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