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Re: [ox] Boden(un)recht



franz nahrada schrieb heute:
Beim Boden hast Du also analog zum "intellectual property" das
Phänomen eines "Marktes für Monopole". Oder anders gesagt einer
Börse für quasifeudalistische Bezollungsmöglichkeiten.

...mit dem wesentlichen Unterschied, dass IP vermehrbar ist (sogar
ziemlich beliebig) -- es kommen ständig neue Werke und Erfindungen
hinzu.  Der Boden hingegen ist _absolut_ knapp (mal abgesehen von
Eroberungen, die wir ja nicht wollen), die "freie" Menge an Bauland
nimmt sogar ab (immer mehr "anderes" wie Strassen etc.).


Der Markt widerspricht dem Monopol nicht, er unterstützt es sogar,
der permanente Händewechsel von Grundstücken hält den Prozeß
ja am Leben. (Im Unterschied zum Feudalismus, wo die Herrschaft
                ^^^^^^^^^^^^^^^^^^
selbst die Privilegien verteilt hat)

Der "Unterschied" ist eben nicht echt!  Drum schrieb ich ja
"Feudalismus mit raffinierteren Mitteln" -- formell ist das System
zwar eine "egalitäre Demokratie", aber real regiert die Lobby
der Millionenbauern.  Das begann schon mit dem grössten Wahlbetrug
der Nachkriegsgeschichte, der Abkehr (Umkehr!) der CDU vom
versprochenen Ahlener Parteiprogramm von 1947, zugunsten der
Millionenbauern.  Eine vielsagende Anekdote war dann zitiert
in der Fachzeitschrift "Allgemeine Vermessungsnachrichten" 1968:

<<Als [Dr. Nevermann 1953] Vorsitzender des Bundesratsausschusses
  für Wohnungswesen war, gab es schon damals keine sachlichen
  Gegengründe, Vorschriften gegen die Preisentwicklung beim
  Bauboden zu erlassen. Der damalige Bundeswohnungsminister
  Wildermut (FDP) hatte auch ein entsprechendes Gesetz eingebracht.
  Als Bundesminister Lücke das Wohnungsbauministerium übernahm,
  _verschwand_ plötzlich der Gesetzentwurf. Warum? Ich erinnere
  mich noch genau, wie der zuständige Prominente mir sagte:

          "Die Grundeigentümer waren beim Alten." [=Adenauer]

  Bundeskanzler Adenauer wischte das Problem aus parteipolitischen
  Gründen vom Tisch.  [weitere Lobby-Einfluss-Beispiele aufgezählt]>>

Damit nicht genug:  Die Millionenbauer-Lobby war auch direkt im
Bundestag vertreten, mit Parlamentariern wie Fürst von Thurn und
Taxis (vgl. letztes Posting).  Ueberhaupt sind Bauern (wie Juristen)
stark übervertreten in Parlamenten (ist auch ganz praktisch, damit
die Agrarsubventionen weiterhin schön fliessen).


Das wäre für mich die erste Lehre: es geht streng nach den
Prinzipien von Angebot und Nachfrage zu.

Eben nicht -- wegen Spekulation, Filz, Lobby und Insidergeschäften.
Mit "Angebot und Nachfrage" wäre auch die Preiserhöhung "über Nacht"
um bis zu Faktor 1'000 nicht erklärbar!


Knappheit ist immer Monopolismus.

Stimmt auch nicht.  Während und nach dem Krieg war das Essen sehr
knapp, also was machte man?  Lebensmittelkarten für alle.
Weil sonst die meisten (ausser ein paar Reichen) verhungert wären!
Warum also nicht auch "Bodenkarten" für alle ?


Verbauung ist gleichsam die Multiplikation der
Oberfläche und damit schon immanent Bestandteil des Wirtschafts-
prozesses.

Wenn der Bodenpreis um's 1'000-fache (gegenüber Agrarwert) erhöht wurde,
dann macht es kaum noch einen Unterschied, ob das Gebäude 1- oder 3-stöckig
gebaut ist (Faktor 3 vs. 1'000).
(Allerdings stimmt es, dass Wolkenkratzer eine direkte Folge der
 überhöhten Bodenpreise sind:  Das WTC-Attentat vom 11.9.2001 hätte
 es ohne Millionenbauern nie gegeben!)


Für mich hieße das als zweite Lehre, daß eine Geldwirtschaft,
der es um Akkumulationsfähigkeit geht, wunderbar zum Boden
als Geldanlage paßt.

Mag sein, aber die Geldwirtschaft ist keine Voraussetzung für das
Bodenunrecht und Millionenbauern.  Der erwähnte Josef Filser kaufte
mit dem Erlös  Hunderte von Arbeiterwohnungen (die er dann "ewig"
melken konnte per Mieten) -- das wäre auch in einer geldlosen
Tauschökonomie gegangen.


Wenn Du also das Privateigentum am Boden in Frage stellst,
stellst Du immanent die Geldwirtschaft in Frage

Nein, s. oben.


Geld bedeutet, Nicht-Haben-Dürfen! durch
den Kaufakt zu überwinden...

Das "Nicht-Haben-Dürfen" gibt's auch in einer geldlosen
Oekonomie -- z.B. alles was hinter Burgmauern lagert,
und die sind oft nichtmal per Kaufakt zu überwinden...


Deine Alternative einer moralischen Ökonomie des Bodens
gefällt mir aber auch nicht; wer entscheidet über den "Bedarf" und
die "Fähigkeiten" der Be-Sitzer?

Die Fähigkeiten (im Ackerbau und der Pflege) zeigen sich ja ziemlich
bald mal (können auch an "Zeugnissen" abgelesen werden).  Der Bedarf
richtet sich nach der Familiengrösse und allf. Tätigkeiten für Dritte
(z.B. ein fähiger Bauer kann viel Land nutzen, um Nahrung für viele
herzustellen).

Das ist jedenfalls kein Kill-Argument.


Die Strategie der globalen Dörfer versucht den umgekehrten
Weg zu gehen: dadurch, daß Wissen und Technologie frei verfügbar
sind können nachhaltige urbane Mikroräume [..] überall geschaffen werden;
der Boden wird daher zunehmend weniger knapp und der ökonomische
Druck läßt nach.

Wo ist da ein Gegensatz zu meinem Vorschlag ?


Insofern besteht für mich auch ein immanenter Zusammenhang der
GPL-Gesellschaft und der Lösung der Bodenfrage.

Bis auf den grundsätzlichen Unterschied der Boden-Knappheit, die man
auch mit "urbanen Mikroräumen" (wasndes?) nicht wegkriegt...

Christoph


________________________________
Web-Site: http://www.oekonux.de/
Organisation: projekt oekonux.de


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