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[ox] Re: Wo bleibt der Boom?



On Monday 03 June 2002 01:18, Stefan Merten wrote:
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Hi Benni, ThomasUG, alle!

Hi Stefan, Benni, alle!

7 days ago Benni Baermann wrote:
On Sun, May 26, 2002 at 09:01:35AM [PHONE NUMBER REMOVED], Thomas Uwe 
Gruettmueller wrote:
On Saturday, 25. May 2002 15:04, Benni Baermann wrote:
Und insbesondere fände ich es
auch gut, wenn wir das sozusagen als spin-off von [ox]
machen, weil dann die Zielrichtung schon viel klarer ist

Lassen sich die Prinzipien übertragen? usw.

Genau. Also auch ein Teil des "Reality-Checks". Wenn auch
nur ansatzweise richtig ist, was hier so diskutiert wird,
dann müsste Freie Musik eigentlich total boomen. Wenn sie
das nicht tut, kann man daran überlegen, was der Unterschied
zu FS ist und ob das nicht dann auch prinzipielle Probleme
mit der Theorie sein könnten.

Finde ich sehr wichtig diese Überlegung. In der Tat finde ich
die größere Frage, die da dahinter liegt - Hat eine
Übertragung der Prinzipien der Entwicklung Freier Software auf
andere Gebiete dort ähnlich durchschlagende Wirkung? - ohnehin
eine der spannendsten Fragen für die ganze Theoriebildung hier
überhaupt. Damit steht und fällt nämlich letztlich alles!

Die Frage warum Freie Musik nicht die Massenwirkung hat, wie
Freie Software finde ich da z.B. sehr relevant.

Halt! Freie Musik kann noch keine Massenwirkung haben, da es sie 
in Reinform noch nicht gibt. Zu "frei" gehört doch, daß jeder 
Einsatzzweck möglich ist, d.h. Aufführung, Sendung und 
öffentliche Wiedergabe müßten jedem erlaubt sein. Solche Musik 
ist mir aber nicht bekannt. Es gibt zwar Musik, die verändert, 
kopiert und verbreitet werden darf, aber welche Massenwirkung 
erwartest du von ihr, wenn kein Radiosender und keine Disco sie 
spielt?

Wenn ich mir
allerdings die Zielrichtung der Open Music Initiative anschaue
- "How to make money" - - dann wundert mich das nicht
wirklich.

Das wendet sich an professionelle Musiker. Die sind zwar seit 
Mitte der 80er so dermaßen grottenschlecht, daß es auf den 
ersten Blick fraglich erscheint, wozu man sich überaupt um sie 
kümmern sollte. Dies ist jedoch kurzsichtig. Erwerbsmusik wird 
nicht durch Hobbymusik auf einen Schlag weggefegt, ähnlich wie 
mit Software. Da weder Stile noch technische Grundlagen 
schutzfähig sind, könnten die Erwerbsmusiker sehr schnell 
wieder gleichziehen. Da sie sich jedoch bessere Technik und 
besseres Ausgangsmaterial (Samples, Stücke zum Remixen) 
beschaffen können, sind sie sogar im Vorteil.

Damit freie Musik also nicht in die Zweitklassigkeit fällt, 
sollte sie daher nicht ausschließlich nicht-kommerziell sein. Im 
Gegenteil: gibt es für kommerziell-orientierte Musiker gute 
Gründe freie Musik zu machen, geht den Musikverlagen, bei denen 
momentan die Einnahmen aus dem Musikgeschäft auflaufen, sehr 
schnell die ohnehin bereits knappen Ideenlieferanten aus. 

Von diesem Standpunkt finde ich die Frage der OMI gar nicht so 
schlecht; allerdings sollte das Hauptthema die Freiheit und 
nicht der Kommerz sein. In diesem Zusammenhang finde ich, daß 
die Zugeständnisse in den Lizenzoptionen (keine Änderungen, 
keine kommerzielle Weiternutzung, keine Verbreitung auf 
bestimmten Medien) nicht mehr viel mit freier Musik zu tun haben.

Hätte RMS diesen Ansatz verfolgt, gäbe es Freie
Software heute wohl nicht...

Ja, vermutlich hätte ansonsten die Freiheit gelitten. 
Andererseits hat er stets behauptet, daß es möglich sei, mit 
freier Software Geld zu verdienen (s. GNU-Manifest)

Wenn ich mich an die Zeiten erinnere, in denen ich noch ein
bißchen was mit einer Band zu tun hatte,

Hast du in einer Band gespielt oder Band-Leute gekannt?

Meine Bemühungen, eine Band zu gründen, sind leider alle 
gescheitert, d.h. es gab jeweils nur eine Probe.

dann erinnere ich
mich, daß es ziemlich genau zwei Typen MusikerInnen gab. Die
einen haben Musik wirklich aus Spaß an der Freud' gemacht,
während bei den anderen der Geldaspekt sehr schnell eine Rolle
gespielt hat

Innerhalb einer Band? Das dürfte ziemlich inkompatibel sein.

- na ja, das Bühnen-Equipment war halt auch sauteuer.

Ja, viele Musiker schmeißen das Geld mit vollen Händen zum 
Fenster raus: 
 
 * Schlagzeug		1500 EUR
 * Keyboard		1500 EUR
 * Tonbandmaschine	1500 EUR
usw.

Ich versuche, die benötigte Technik so preiswert wie möglich zu 
halten. Im Moment empfehle ich folgende Ausstattung:

 * PC mit viel RAM (z.B. 128 MB)	   ca. 500 EUR

Zur akkustischen Kontrolle:
 * DAC (z.B. Soundkarte)		   25 EUR
 * Verstärker				   100 -- 150 EUR
 * 2 oder 4 3-Wege-Boxen		   ???
 * Kopfhörer				   2,5 EUR

Falls Gesang oder Geräusche aufgenommen werden sollen:
 * ADC (z.B. Soundkarte)		   s.o.
 * 1 Mikrofon (2 für Stereo)		   je 25 EUR
 * Mikrofonvorverstärker oder
   Mischpult mit integriertem Mvv.	   ca. 40 EUR

Dies gilt jedoch nur für Musik, die nicht in Echtzeit entsteht.

Mit Live-Kram habe ich keine Erfahrungen. Allerdings habe ich 
eine Idee: Auf Parkplätzen sind oftmals Autoradiopartys zu 
beobachten. Vielleicht kann man ja einen Laptop an ein Autoradio 
anschließen und z.B. auf USB-Schreibmaschinentastaturen live 
Bajan spielen oder ein Schlagzeug bauen, das an den Joystickport 
geklemmt wird? Nur so ne Idee...

Der eine von denen hat dann auch konsequenterweise
eine Firma gegründet, die Equipment verleiht...

Siehst du darin ein Problem?

Die Frage wäre, warum von den lustorientierten also keine
solche Bewegung auszugehen scheint - jedenfalls sehe ich die
nicht auf Veranstaltungen. Vielleicht sehen die einfach kein
Problem mit der momentanen Situation? 

Vielleicht sind den Leuten, die lustorientiert Musik machen, die 
Prinzipien freier Software oft nicht einmal bekannt? Außerdem 
muß aus lustorientiertem Musizieren nicht unbedingt die 
Bereitschaft folgen, andere die Ergebnisse kopieren und ändern 
zu lassen.

Die wenigsten dürften
ähnlich ThomasUG einen fundamentalistischen Ansatz spannend
                         ^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^
Ähm, sagen wir mal: einen "fundamentalen". ;o)

finden, der sich vor allem auf super-trockene Lizenzfragen
bezieht.

Ich finde den überhaupt nicht spannend, sondern totale Kotze.

Am liebsten würde ich einfach sagen: "Ich stelle meine Musik 
unter die GPL." -- fertig. Dummerweise ist es aber nicht so 
einfach möglich, die GPL für Musik zu verwenden. Zu viele 
Probleme tauchen dabei auf (z.B. die Frage, was der Sourcecode 
sein soll)

Auch bei RMS hat das übrigens damals wohl nicht im
Vordergrund gestanden - der wollte wohl eher einfach Hacken
und den NutzerInnen die Rechte geben.

Dann hätte er vermutlich eine BSD-artige Lizenz benutzt.

Dazu war (und ist) die GPL aber nur ein Vehikel.

Die GPL simuliert IMHO eine andere Rechtsordnung, in welcher es 
kein Copyright auf Computerprogramme gibt, und dies 
genialerweise so kompatibel, daß beide Rechtsortnungen auf dem 
selben Territorium bestehen können. 

Zum Vergleich kannst du ja mal 20 Jahre zurückdenken und dir 
vorstellen, es gäbe die Wirtschaftssysteme "soziale 
Marktwirtschft" und "real existierender Sozialismus" auf dem 
selben Territorium. D.h. jeder könnte sich dann aussuchen, ob er 
lieber in einem VEB oder in einer GmbH arbeiten möchte, oder 
vielleicht beides, teilzeitmäßig. 

Oder zwei verschiedene Arten von Demokratie im selben Parlament: 
z.B. könnten im unteren Stockwerk die Repräsentativen sitzen, 
die die Meinung des Volkes durch ihre eigene repräsentieren, und 
im oberen die Rätesprecher, die bei jedem Pups die Basis fragen 
müssen.

Die weitere Frage wäre natürlich, inwieweit ein Sharing bei
Musik ähnliche Effekte hat, wie das Sharing von
Programm-Sourcen. Als MusikerIn brauchst du wohl eher nicht
die Sourcen der Musik - die oft ja nicht mal existieren - um
sie für eigene Zwecke verwenden zu können. D.h. eine Freigabe
von Sourcen hat da einfach keinen überwältigenden Nutzen.

Bei Computermusik, die komplett softwarebasiert gerendert wird, 
schon. Diese ist Computerprogrammen wahnsinnig ähnlich. Ich 
könnte mir sogar vorstellen, solche Musik nicht durch klassische 
Notation, sondern durch eine Skriptsprache zu designen.

Bei Live-Musik mit mechanischen Musikinstrumenten gebe ich dir 
natürlich recht.

Andererseits müssen wir uns natürlich vor Augen halten, daß
Freie Software auch immerhin 15-20 Jahre gebraucht hat, um
wirklich erfolgreich zu werden. Vielleicht sind wir da nur zu
ungeduldig?

Ich hoffe, daß das bei Musik schneller geht.

Um zu der oben angesprochenen Frage aber auch noch was
Positives zu sagen: Die Wissenschaft mit ihrem Freien
Informationsfluß ist sicher ein gutes Beispiel dafür, warum
Freier Informationsfluß bessere Ergebnisse bringt.

Freier Informationsfluß in der Wissenschaft?

Vielleicht
ist Musik ja auch buchstäblich zu handwerklich um als Keimform
zu dienen?

Du denkst sicher an Live-Musik. s.o.

cu,
Thomas
 }:o{#

________________________________
Web-Site: http://www.oekonux.de/
Organisation: projekt oekonux.de


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