Message 04687 [Homepage] [Navigation]
Thread: oxdeT04441 Message: 7/18 L5 [In index]
[First in Thread] [Last in Thread] [Date Next] [Date Prev]
[Next in Thread] [Prev in Thread] [Next Thread] [Prev Thread]

Re: [ox] Re: Knappheit von Zeit



Hallo!

On Thu, Mar 14, 2002 at 12:27:33PM [PHONE NUMBER REMOVED], Hans-Gert Graebe wrote:
Letzteres spüre ich z.B. bei mir: Ich würde gerne noch viel mehr Dinge
machen, als ich schon tue - aber für alles habe ich einfach nicht
genug Zeit und die beste Effektivierung stößt an ihre Grenzen. 

Das halte ich für eine Wesensart des Menschen schlechthin.  Es sind
dann Prioritäten zu setzen.

Definitiv nein, oder ich bin kein Mensch :-)

Dies ist aber nichtsdestotrotz etwas, was ich in der Hand habe. Ich
könnte mich auch entscheiden, weniger zu wollen und dann würde mir
die Zeit genügen. Hier sorge ich also selbst für Knappheit von Zeit
- das ist quasi Ausfluß meiner Selbstentfaltung und somit wohl kaum
zu kritisieren.

Dabei sind sich aber hoffentlich dein Ich und ÜberIch ständig in der
Wolle.  Lies mal Freud oder am besten gleich Wilhelm Reich zu dem
Thema.  Selbstentfaltung in diesem Sinne ist immer ein
_gesellschaftliches Verhältnis_ (im Sinne meiner Emanzipationsthese
4), und äußerer und verinnerlichter Druck nur zwei Seiten einer
Medaille.  Übergang zu intrinsischen Motivationsformen, was du hier
gern als "Selbstentfaltung" verkaufst, ist ein sehr wichtiges Moment
der Modernisierung von Gesellschaft, hat aber nur sehr beschränkt
damit zu tun, dass es Mechanismen braucht, die gesamtgesellschaftlich
(!) knappe Zeit auf eine gesamtgesellschaftlich (!) rationale Weise
auszugeben.  

Also sowas ähnliches hatte ich ja andernmails schon geschrieben. Du
gehst davon aus, dass es "gesamtgesellschaftliche" Bedürfnisse gibt,
die zwar alle haben aber niemand konkret. Was soll das sein?

Mich würde auch mal Stefan Mz. Meinung zu diesem Thema interessieren,
da da ja eine gewisse Parallele vorliegt zu seiner These, dass es eine
Ebene gesellschaftlicher Kooperation gibt, die von personaler
Kooperation nochmal getrennt sei. Das hängt irgendwie zusammen ohne
dass es identisch wäre, aber wie ist mir grad nicht klar.

Wobei heute das prospektive Element einer solchen
Rationalität deutlich zugenommen hat, denn wenn du erst loslegst, wenn
du merkst, dass etwas schief läuft, dann ist es (meist) schon arg
spät.   Es geht darum, sich auf die Multioptionalität von Zukunft
vorzubereiten, d.h. heute vorrangig die Dinge zu machen, die morgen
wichtig sein könnten.  

Das wissen wir ja aber aufgrund von Theorien. Wenn jemand also
aufgrund seines fortgeschrittenen Verständnisses einer Theorie zu dem
Schluss kommt, dass es Handlungsbedarf gibt, den er alleine nicht
bewältigen kann, dann wird er wohl nicht drumrumkommen, die Theorie
anderen zu verklickern, damit sie seine Bedürfnisse nachvollziehen
können. Sollte das misslingen, ist die Chance, das an der Theorie
nicht allzuviel dran ist, auch nicht gerade klein. Trotzdem kann es
natürlich vorkommen, dass Kassandra recht hat und ihr trotzdem niemand
glaubt. Das ist dann tragisch aber vielleicht auch einfach nicht zu
ändern (und genau deswegen tragisch). Die Alternative wäre eine
Expertokratie und die Gewissheit, dass die Experten recht haben, hat
man dann auch noch lange nicht.

Grüße, Benni
________________________________
Web-Site: http://www.oekonux.de/
Organisation: projekt oekonux.de


[English translation]
Thread: oxdeT04441 Message: 7/18 L5 [In index]
Message 04687 [Homepage] [Navigation]