Message 04294 [Homepage] [Navigation]
Thread: oxdeT04210 Message: 7/7 L5 [In index]
[First in Thread] [Last in Thread] [Date Next] [Date Prev]
[Next in Thread] [Prev in Thread] [Next Thread] [Prev Thread]

Re: [ox] Digital rights management operating system



Hi Benni!

6 days ago Benni Bärmann wrote:
On Sun, Dec 16, 2001 at 03:43:41PM [PHONE NUMBER REMOVED], Stefan Merten wrote:
Noch lachen wir über solche Perspektiven, aber wart mal noch 10-20
Jahre.

Zunächst mal halte ich ein System wie da vorgeschlagen für technisch
absurd. Klar kannst du so etwas bauen, aber was hast du davon? So ein
System ist - als Universal-Computer - doch nahe an der
Unbenutzbarkeit. Für spezielle Appliances mag das ja alles angehen -
aber die kannst du so bauen, daß da schon technisch nichts geht, was
du nicht willst. Nimm nur den fehlenden Digitaleingang bei digital
aufzeichnenden Audio-Geräten.

"Wer braucht einen Universalcomputer?" schallt es Dir von den IPR-Fans
entgegen. Und sie werden letzten Endes versuchen durchzusetzen, dass
der Universalcomputer wieder ein Expertengerät wird. Ob sie das
schaffen, ist natürlich offen. Nur die "Schlacht" schon aufgrund
technischer Gegebenheiten für entschieden zu halten, halte ich für
naiv (und Technikdeterministisch btw.).

Nein, ich betrachte *gerade* die Machtverhältnisse - und nach meinem
Eindruck brauchen wir uns da nicht allzuviele Sorgen zu machen. Aber
das ist natürlich Ansichtssache.

Noch dazu wäre ein solches System nur ein Anreiz dafür, es zu knacken
- - wie zahllose Beispiele aus der Vergangenheit belegen. Und bis auf
weiteres sitzen auf lange Sicht die Knacker *immer* am längeren Hebel.

Auch mit einer Raubkopiererszene kann man immer noch jede Menge Geld
machen und je schwieriger das Raubkpopieren wird und umso strenger
verfolgt umso weniger hat man von diesem prinzipiellen technischen
Hebel. Das Volk sitzt auch immer prinzipiell am längeren Hebel
gegenüber denen, die es beherrschen. Trotzdem ist es bisher noch immer
beherrscht worden, oder?

Ja, aber du setzt hier die Interessenlage *einer* Kapitalgruppe mit
der des Gesamtkapitals gleich. Das halte ich für wenig tragfähig. Mit
der gleichen Argumentationsweise müßte Freie Software illegal sein,
weil die gegen die Interessen einer bestimmten - und sogar einer
mächtigen - Kapitalgruppe verstößt.

Essenz: Ein solches System mag machbar sein, aber solange du nicht
sämtliche Konkurrenz dazu verbietest wird es wenig Chancen haben. Und
daß Freie Software heute noch flächig verboten werden kann, glaube ich
ehrlich gesagt nicht.

Verboten nicht, aber unattraktiv gemacht. Der DVD-Hickhack ist doch
das beste Beispiel und wenn eines Tages ein PC mit DRM in der Hardware
nur noch ein Zehntel kostet von einem Vollwertigen was nützt Dir dann
FS?

Und du glaubst im Ernst, daß diese Kapitalgruppe im Ernst jeden PC zu
90% subventioniert? Ich nicht.

Viel wichtiger ist mir in unserer Oekonux-Denke aber ein ganz anderer
Punkt. Sollen sie doch das Raubkopieren von copyrighted Material
unmöglich machen - was juckt's mich? Ich komme prima mit copylefted
Material klar und wenn ich mir mal 'ne CD kaufe, dann drücke ich halt
ein paar Mark dafür ab, die vor allem die Musik-Multis fett machen.
Und ich kann momentan nicht erkennen, wo irgendjemenschens Existenz
davon abhängt, Raubkopien anfertigen zu können.

Wenn auf einem Linux-PC keinerlei Mainstream-Kultur mehr abspielbar
ist, dann ist das ein Problem, weil man dann mehr oder weniger auf ein
proprietäres System angewiesen ist, ausser man will auf all die netten
Goodies, die diese mit sich bringt, verzichten. Was mich angeht,
brauche ich das Zeugs, vielleicht nicht existentiell, aber wenn ich
mir z.B. die neuesten Futurama-Folgen aus Amiland nicht mehr mit Linux
besorgen könnte, wär das für mich schon ein Grund auch noch ein
Windows laufen zu lassen.

Zumindest bei der Freien Software sehe ich auch, daß copylefted
Material mir viel eher zusagt und auf die Computer-Animationen, die
der Masse heute als MusikerInnen verkauft werden, kann zumindest ich
locker verzichten. So what?

Na klasse, damit bist Du wieder genau bei dem alten Verzicht-Denken,
dass Du ja ursprünglich bekämpfen wolltest, oder?

Nein, ich bin keineswegs bei Verzichtdenken. Nur muß sich in deinem
Szenario halt jemensch entscheiden, ob sie puristisch kommerziellen
Mist haben will - kann sie ja immer noch -, oder ob sie sich lieber
der Freiheit zuwendet. Nur beides gleichzeitig geht halt nicht.

Aber bis hierher ist alles nur Geplänkel. Der wichtige Teil kommt
jetzt.

Ich verstehe immer nicht so ganz, wie Du auf die Idee kommst,
der Kapitalismus würde seiner eigenen Abschaffung lächelnd
zustimmen...

Das tue ich nicht - auch wenn ich denke, daß wir uns über viele
unerwartete Koalitionen noch wundern werden. Aber ein brutales
Copyright-Regime durchzuziehen hat nichts mit dem Erhalt des
Kapitalismus zu tun. Das sind für mich Rückzugsgefechte auf einem
Nebenschauplatz - aber die Schlacht auf dem Hauptfeld
Produktivkraftentwicklung ist längst verloren. Ist m.E. daran
erkennbar, daß die Versuche Land (zurück) zu gewinnen immer absurder
werden. Dieses DRM OS ist da ja nur die Spitze eines Eisbergs.

Die Keimform aber, von der wir hier sprechen ist davon schlicht nicht
betroffen.

Ich glaube Du hast mich nicht verstanden.

Was immer sein kann - mir in diesem Fall bisher aber nicht so zu sein
scheint.

Nochmal ein Versuch:

Alles was mit IPR zu tun hat betrifft eben gerade die aktuellste Form
von PKE.

Und das ist genau falsch. Das ganze Brimborium um IPR ist der Versuch,
das *alte* Produktivkraftmodell auf die neue Zeit loszulassen. Das ist
so, als wenn du in den frühen Fabriken mit Leibeigenen hättest
arbeiten wollen. Das geht natürlich - aber die Arbeit mit (doppelt)
freien ArbeiterInnen ist historisch einfach besser und hat sich
*deshalb* durchgesetzt. Das ist der Punkt.

Oder um ein historisch aktuelleres Beispiel zu nehmen: Die
Entwicklungsdiktatur, die sich aus der Oktoberrevolution entwickelt
hat, war über einen ziemlichen Zeitraum hin und unter den gegebenen
historischen Bedingungen die *Voraussetzung* für die
Produktivkraftentwicklung, die in der Sowjetunion stattgefunden hat.
Irgendwann - ich schätze so in den 60ern - begann sie zur Fessel zu
werden und *deswegen* ist der Osten zusammengebrochen. Sieh dir doch
nur die immer hilfloseren Versuche an, mit dem alten Modell die
Errungenschaften des Westens zu kopieren - z.B. Mega-Bit-Chip.

Und heute werden bei uns die alten Produktivkraftverhältnisse immer
stärker zur *Fessel* der Produktivkraftentwicklung. Bei der Freien
Software sehen wir schon relativ ausgeformt, wie das aussehen kann,
wenn sich das Neue jenseits der Fesseln etabliert. Bei den Medien gibt
es m.E. interessante Ansätze `indymedia' / `slashdot', etc. In der
Wissenschaft gibt es spannende Entwicklungen, die in der Stoßrichtung
gegen IPR gerichtet sind.

IPR sind der - für mich geradezu hilflose Versuch - den Geist einer
Gesellschaft, die auf der individuellen Selbstentfaltung der Einzelnen
als Voraussetzung für die Selbstentfaltung Aller beruht, diesen Geist
mit (zunehmender!) Gewalt in der kapitalistischen Flasche zu halten.

Ich denke da - angelehnt an einen alten realsozialistischen
Gassenhauer ;-) : Die Produktivkraftentwicklung in ihrem Lauf hält
weder Ochs noch Esel auf.

Musik, Medien etc... sind genauso wichtig wie Software,

Meinetwegen.

sie
produzieren Kultur und tun dies genauso wie bei Software, in dem sie
die Subjektivität als PKE entdecken.

So, so, "No Angels" und KonsortInnen sind also ein Ausfluß von
Subjektivität. Da habe ich wohl was gründlich mißverstanden...


						Mit Freien Grüßen

						Stefan

________________________________
Web-Site: http://www.oekonux.de/
Organisation: projekt oekonux.de


[English translation]
Thread: oxdeT04210 Message: 7/7 L5 [In index]
Message 04294 [Homepage] [Navigation]