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Re(2): Re(2): [ox] Openculture



stefan mn schreibt:
Hi Franz!

Yesterday Franz J Nahrada wrote:
smerten schreibt:
Du hast quasi private Anbieter von Gütern (die KünsterInnen), die sie
gegen das Versprechen auf Geld (den Spendenfond) tatsächlich
entwickeln. Dieses Geld wird von anderen Privaten aufgebracht, die ein
besonderes Interesse an dem Gut haben (den Fans). Wenn die vereinbarte
Summe eingegangen ist, verkauft der Anbieter sein Gut zunächst an die
ZahlerInnen und dann an die Öffentlichkeit. Tatsächlich wird
öffentliche Kunst wohl ganz ähnlich finanziert - allerdings ohne die
Unsicherheitsfaktoren.

Öffentliche Kunst wird eben nicht "öffentliches Gut". Das ist bei
OC definitionsgemäß anders: basiert auf einem Willensakt des Urhebers.

Nun, vielleicht kennst du dich da besser aus, aber wenn ich an die
Kunstwerke denke, die so im öffentlichen Raum plaziert werden, dann
finde ich die schon ein öffentliches Gut und wenn ich mich nicht
täusche, dann gibt es für so etwas Ausschreibungen, bei denen sich
(konkurrierende) KünstlerInnen dann um den Zuschlag bemühen können.

Das weiß ich auch nicht, aber darum gings mir nicht.

Die Überlebensbedingungen von Kunst waren immer mit Mäzenatentum
verknüpft, und es ist nachgeradezu abenteuerlich, historisch zu beobachten
und auch in der heutigen Realität festzustellen wie sehr die Extreme
zwischen reiner Auftragskunst und purer "Selbstverwirklichung"  
aufgespannt sind. Wahrscheinlich ist ein Gutteil unseres Kulturerbes 
dem Standpunkt der Selbstbeweihräucherung der (geistlichen/fürstlichen
/staatlichen) Macht zu verdanken.

In diesem Sinn ist die Kunst ohnehin die Luxussphäre, die aber besonders in
modernen Zeiten sozusagen als lebendes Denkmal der Gleichung zwischen
Kapitalismus und Selbstentfaltung immer weniger den Standpunkt der
"Ausschreibung" eingenommen hat, sondern den der Alimentierung 
eines kleinen Kreises von Herzeigesubjektivitäten. Der Künstler
darf sich im Gegensatz zu normalen Individuen beständig am Verhältnis
seines inneren Maßstabes zur äußeren Welt abmühen und sich auf die
Suche nach dem begeben was "ihm gemäß" ist - bekanntlich eine lange Reise,
in deren Verlauf nicht nur Unsinn, sondern auch so manche Entdeckung
entstanden ist. Die Moderne hat diese Reise zum Instant trip zur
"Originalität"
verkürzt und als ideologische Sinnstiftung für Eliten etabliert.

Das Beweisziel lautet: die Subjektivität ist trotz allem in dieser Welt zu
Hause,
aber es muß sich ja nicht jeder die Sache so schwer machen wie die
Künstler.
Dafür wird ein Kunstbetrieb alimentiert, der für seine Proponenten 
und teilnehmer lohnende Perspektiven aufwirft.

Was zu relativ interessanten Phänomenen wie dem Kunstmarkt, der
darauf auch noch spekuliert, sowie einem innigen Verhältnis von Geist
und Macht geführt hat. Hat aber kluge Köpfe wie Adorno nicht daran
gehindert, den subversiven Charakter dieser beliebigen exhibitionistischen
Freiheitsakte zu behaupten. Lass ich mal jetzt so stehen, es fällt mir nur
auf daß das Gebiet ist wo die affirmativesten Leute von "Revolution" reden,
sich "betroffen" fühlen, sich aufregen können etc.

Also diese wenigen bemerkungen sollten klar machen daß es für das
"öffentliche Gut" Kunst unter staatlicher Regie einen eindeutigen
Gebrauchswert gibt, der eher verdächtig stimmen sollte.


Bei diesem System hast du alle Folterinstrumente des Kapitalismus aber
locker miteingebaut. Insbesondere Konkurrenz und Entfremdung sind hier
in schönster Blüte.

Wieso? Das System würd ich mal irgendwo in action sehen, das ist
reine Spekulation und Analogieschlüsse die Du da machst.

Na, also das die KünstlerInnen um die knappen Fonds konkurrieren
scheint mir aber nicht so sehr Spekulation zu sein. Und die
Entfremdung kommt auf diesem Weg natürlich auch rein: Ich kann nicht
tun, was meiner Selbstentfaltung entspricht, sondern muß so handeln,
daß ich an die (knappen) Fonds komme. D.h. ich muß einerseits die
Interessen der ZahlmeisterInnen bedienen und andererseits die
Konkurrenz möglichst effektiv ausschalten. Klingt für mich nicht
ungeheuer anti-kapitalistisch...

Dreh mal den Spieß um und schau was bei kollektivem Mäzenatentum 
raus kommen könnte, wie es Jesse V. vorschlägt. Wenn also wirklich 
hinsichtlich der produktionen ein maßstab des allgemeinen Nutzens
(OK, der vielen individuellen Nützlichkeiten etc. pp. aber hier werden
wir auch noch mal streiten denn diese sind untereinander axiomatisierbar)
angelegt wird. Vielleicht sind grad *die* dann die gut bezahlten, die 
sampling module für ganze Musikercommunities produzieren anstatt
irgendwelche schwerverdaulichen Furze zur Anregung inhaltsloser
Denkprozesse.


Ich denke 
gerade das Gegenteil: ich krieg Produktionsbedingungen, ohne mich
nebenbei in die Maloche stürzen zu müssen.

Wo kriegst du denn Produktionsbedingungen in diesem Modell? Du wirst
ja sogar erst bei Lieferung bezahlt und mußt deinen Lebensunterhalt
sowie andere Ressourcen für dein Projekt bis dahin vorschießen. Das
Modell funktioniert nur für Leute, die es - zumindest bis zum ersten
Erfolg - nicht wirklich brauchen.

Die "erfolgreichen" haben Open Culture nicht nötig - das ist doch der Witz!
Es steht doch gerade nicht drin daß ich erst bei Lieferung bezahlt werde,
es geht darum daß ich ein Konzept für ein Werk vorlege und dafür
gesponsert werde. Das heißt ich produziere, nachdem ich bezahlt wurde,
oder vielleicht auch schon vorher, je nachdem....
Wenn das Resultat da ist + gut ist werde ich auch gute "credits" haben wie
bei
ebay. Es ist so ähnlich wie shareware, nur daß ich sage: wenn 1000
mich bezahlen ist das Resultat am Ende frei. Das ist gerade der Haken
an Shareware, daß niemand diese Barriere einbaut und alle eigentlich
irgendwie vom grenzenlosen geld träumen, weswegen sie auch irgendwann
"commercial" gehen. Hier ist das Gegenteil der Fall: ich bringe meine
zunehmend meine Existenz in den freien Sektor ein.

Franz

________________________________
Web-Site: http://www.oekonux.de/
Organisation: projekt oekonux.de


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