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[ox] Wider die Gleichschaltung, was: Re Fundamentalismen



Lieber Hartmut Du hast eine ganz wichtige Frage aufgeworfen:

liste oekonux.de schreibt:
Bei aller Kritik an Gleichschaltungs-Bestrebungen muss man natürlich auch
berücksichtigen, dass Verschiedenheit Spannungen verursacht, die sich
nicht durch die Rationalität (oder gar Gutmenschenpose) von ein paar
Intellektuellen wegreden lassen.  Volle Akzeptanz der islamisch-geprägten
Kultur bedeutet Verneinung des Menschenrechtskatalogs als eines
kulturimperialistischen "One-size-fits-all".  Vielleicht gehen dabei dann
auch Prinzipien über Bord, die ein interkulturelles rationales Miteinander
überhaupt ermöglichen könnten.  Zu dem Miteinander gehört also ein
gewisses Maß an Willen zum Durchsetzen eigener Vorstellungen.  

Vielleicht muß man die Frage anders stellen: wenn Du schon die kultur-
imperialistische Natur universeller Regelsysteme durchschaust, dann
wäre wohl zu unterscheiden zwischen Regeln des "interkulturellen
rationalen Miteinander" auf der einen Seite und den Realisieren von
Menschenbildern und Wertsystemen auf der anderen Seite.

Ich finde die Idee des Buches "bolo'bolo" faszinierend, daß wir mit
wenigen ausschließenden Regeln auf dieser Welt durchkommen könnten,
zum Beispiel dem Schutz der individuellen Freiheit gegen jede Art von
Gruppendruck.

Man kann
dann hoffen, dass man sich irgendwo treffen und zu einem stabilen Zustand
finden kann.  Vielleicht gelingt das, vielleicht auch nicht.  In
Israel/Palästina ist es nicht gelungen, und selbst bei viel einfacheren
Spannungslagen wie Nordirland ist es nicht etwa nur deshalb schwierig,
weil an den Spitzen beider Seiten irgendwelche bösen oder dummen Menschen
stehen.  Viele Leute verstehen die objektive Schwierigkeit nicht oder
haben kein Gespür für die Dynamik politischer Organisationen.

Die Dynamik so gut wie aller politischen Organisationen ist immer noch
darauf ausgerichtet, anderen Leuten vorzuschreiben wie sie zu leben haben.
Dieser Universalismus gehört geächtet. Besser gesagt: wir müssen uns in
einen Lernprozeß begeben, in dem wir uns damit bescheiden, daß in 
abgezirkelten Bereichen gewisse Regeln gelten, in anderen andere -
ohne daß dies zu einem Zusammenbruch der Vernetzung und der Zusammen-
arbeit führen muß.


Beim Projekt Ökonux habe ich den Eindruck, dass das Organisationsprinzip
hier irgendwie anarchisch verneint oder aufgehoben werden soll.  Solche
Bestreben haben oftmals damit zu tun, dass Leute nicht genug vom Phänomen
der Organisation verstehen und dieses deshalb nur als negativen Gegenpol
ihrer Wunschvorstellungen des emanzipierten Menschen bekämpfen --- wobei
man dann am Verhalten eben dieser Leute wiederum die Allmacht der Gesetze
der gesellschaftlichen Organisation beobachten kann.

Das Gefühl habe ich nicht ganz; die Debatte hinsichtlich der "freien
Kooperation"
sollte Dich zumindest davon überzeugen, daß hier sehr wohl um
Organisations-
prinzipien gerungen wird und nicht einfach negative Freiheit eingefordert 
wird.

Aber das Organisationsprinzip, das ist so wohltuend an oekonux, existiert
nicht als abstraktes Normensystem; es geht voll und ganz in der Gestaltung 
der Produktion auf, und die Frage, wie sie dem einzelnen maximale Freiheit
gibt, die wiederum dessen Teilnahme an einem kollektiven Prozeß der
Selbstentfaltung anregt, ist das zentrale Interesse. Dahinter liegt die
historische Erfahrung, daß alle Sanktionssysteme nur zur Umgehung
und taktischen Benutzung herausfordern.

Franz

________________________________
Web-Site: http://www.oekonux.de/
Organisation: projekt oekonux.de


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