[ox] Swpat: Kobers Richtlinie
- From: PILCH Hartmut <phm a2e.de>
- Date: 06 Oct 2001 10:33:57 +0200
In dem Moment, wo die EU-Kommission sich auf eine RiLi vorbereitet,
hat das EPA neue Prüfungsrichtlinien herausgebracht, die speziell mit
der Frage der Computerprogramme die neue Spruchpraxis der Technischen
Beschwerdekammern ("Stehlen mit einem weiteren rechtschaffenen
Effekt", IBM computer program, IBM computer program product) für die
Patentprüfung als verbindlich festschreiben.
Man vergleiche die glasklaren Richtlinien von 1978
http://swpat.ffii.org/vreji/papri/epo-gl78/indexde.html
und lasse sich die folgenden rechtsdogamtischen Gewaltakte auf der
Zunge zergehen. Was unten angehängt ist, lässt sich folgendermaßen
kurz zusammenfassen:
1. In Art 52(2) EPÜ sind Nicht-Erfindungen aufgelistet
2. Ein "Programm für Datenverarbeitungsanlagen" ist eine
"computer-implementierte Erfindung".
3. Wenn ein Programm für Datenverarbeitungsanlagen einen
"weiteren technischen Effekt" hat, kann es als solches
patentiert werden.
4. Unter einem "weiteren technischen Effekt" ist das
Lösen eines Programmierproblems (Rechenproblems) zu verstehen.
Man merke, dass das EPA selber bereits Mitte 2000 die Konstruktion vom
"weiteren technischen Effekt" in einer eigenen Publikation
http://www.european-patent-office.org/tws/appendix6.pdf
als unverständliches Wortspiel bezeichnet hat, welches es ohne Art
52(2) nicht geben würde und welches nur der Überbrückung der
Durststrecke bis zur geplanten Streichung von Art 52.2c dient.
Inzwischen ist das Projekt des EPA bezüglich Art 52(2) gescheitert und
wir stehen vor einem Trümmerhaufen aus 30000 trivialen und breiten
Patenten auf "Computerprogrammprodukt", "Computerprogramm" etc.
Dennoch tut das EPA so als wäre nichts gewesen und hält forsch die von
ihm selbst als unverständlich bezeichneten Wortspiele aufrecht. Es
wäre wohl in EPA-Präsident Kobers Macht gestanden, das vorliegende
Papier nicht zu unterschreiben sondern eine Revision der Praxis der
Technischen Beschwerdekammern, etwa durch die Große Beschwerdekammer,
anzustreben, bevor neue Prüfungsrichtlinien in Angriff genommen
werden. Dass ausgerechnet der jetzige Zeitpunkt kurz vor der
Unterbreitung eines Richtlinienvorschlages der EU-Kommission gewählt
wurde, ist zweifellos als eine politische Entscheidung Dr. Kobers zu
werten. Das EPA greift der EU-Kommission vor und setzt diese unter
Druck.
Übereinstimmend mit dieser Politik veröffentlichte Dr. Kober im Sommer
dieses Jahres ferner in GRUR einen Artikel, in dem er die unbegrenzte
Patentierbarkeit aller automatisch ablaufenden Prozesse, insbesondere
Geschäftsprozesse, postuliert und dem EPA eine zentrale Rolle in der
auf Patente aufzubauenden Wissensökonomie des 21. Jahrhunderts
vorhersagt.
Dr. Ingo Kober war vor Antritt seines EPA-Postens FDP-Staatssekretär
im Bundesministerium der Justiz.
http://www.epo.co.at/legal/gui_lines/d/c_iv_2.htm
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2.1 Im Übereinkommen ist die Bedeutung des Begriffs «Erfindung» zwar
nicht festgelegt, aber Art. 52(2) enthält eine nicht erschöpfende
Aufzählung von Dingen, die nicht als Erfindungen angesehen werden.
Mathematical Methoden
...
Wissenschaftliche Theorien
...
Entdeckungen
...
Ästhetische Formschöpfungen
...
Pläne, Regeln und Verfahren für gedankliche Tätigkeiten, für Spiele
oder für geschäftliche Tätigkeiten
...
Computerprogramme
Computerprogramme fallen unter den Ausdruck "computer-implementierte
Erfindungen", der Ansprüche abdecken soll, die Computer, Computernetze
oder andereherkömmliche programmierbare Vorrichtungen umfassen, wobei
prima facie die neuen Merkmale der beanspruchten Erfindung durch ein
Programm oder mehrere Programme realisiert werden. Solche Ansprüche
können beispielsweise auf eine Methode für den Betrieb dieser
herkömmlichen Vorrichtung, auf die für die Ausführung der Methode
entwickelte Vorrichtung oder - entsprechend T 1173/97 (ABl. 10/1999,
609) - auf das Programm selbst gerichtet sein. Bezüglich der
Vorgehensweise bei der Prüfung wird nicht nach dem allgemeinen Zweck
der Erfindung unterschieden, d. h. ob sie eine Nische besetzen oder
eine neue Art der Unterhaltung bieten soll usw.
Für die Patentfähigkeit gelten hier im Prinzip genau dieselben
grundlegenden Kriterien wie bei anderen Gegenständen. Zwar sind auch
"Computerprogramme" in Art. 52(2) aufgeführt; hat der beanspruchte
Gegenstand jedoch technischen Charakter, so ist er durch Art. 52(2)
und (3) nicht von der Patentierbarkeit ausgeschlossen. Ein von einem
Computerprogramm gesteuerter Datenverarbeitungsprozeß kann theoretisch
aber auch mittels spezieller Schaltkreise durchgeführt werden, und die
Ausführung eines Programms umfaßt immer physikalische Wirkungen, z. B.
elektrische Ströme. Nach T 1173/97 sind solche normalen physikalischen
Wirkungen alleine noch nicht ausreichend, um einem Computerprogramm
technischen Charakter zu verleihen. Kann ein Computerprogramm beim
Betrieb auf einem Computer aber eine weitere technische Wirkung
hervorbringen, die über diese normalen physikalischen Wirkungen
hinausgeht, so ist es nicht von der Patentierbarkeit ausgeschlossen,
und zwar unabhängig davon, ob es allein oder als Aufzeichnung auf
einem Datenträger beansprucht wird. Diese weitere technische Wirkung
kann im Stand der Technik bekannt sein. Eine weitere technische
Wirkung, die einem Computerprogramm technischen Charakter verleiht,
könnte z. B. in der Steuerung eines gewerblichen Verfahrens, in der
Verarbeitung von Daten, die Gegenstände verkörpern, oder in der
internen Funktionsweise des Computers selbst oder seiner
Schnittstellen unter dem Einfluß des Programms zu finden sein und
beispielsweise die Effizienz oder Sicherheit eines Verfahrens, die
Verwaltung der erforderlichen Computerressourcen oder die
Datenübertragungsgeschwindigkeit einer Kommunikationsverbindung
beeinflussen. Somit kann ein allein oder als Aufzeichnung auf einem
Datenträger oder in Form eines Signals beanspruchtes Computerprogramm
als Erfindung im Sinne von Art. 52(1) betrachtet werden, wenn das
Programm in der Lage ist, beim Betrieb auf einem Computer eine weitere
technische Wirkung hervorzubringen, die über die normalen
physikalischen Wechselwirkungen zwischen dem Programm und dem Computer
hinausgeht. Auf einen solchen Anspruch kann ein Patent erteilt werden,
wenn alle Erfordernisse des EPÜ erfüllt sind (siehe insbesondere Art.
84, 83, 54 und 56 sowie 4.5 unten). Solche Ansprüche sollten keine
Programmlisten (siehe II, 4.14a) enthalten, sondern alle Merkmale
angeben, die die Patentierbarkeit des beim Betrieb des Programms
auszuführenden Verfahrens gewährleisten (siehe III, 4.4, letzter
Satz).
--
Hartmut Pilch http://phm.ffii.org/
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