[ox] Fabber im All
- From: Stefan Meretz <stefan.meretz hbv.org>
- Date: Fri, 07 Sep 2001 09:39:33 +0200
Das Gestalten von Formen mit Hilfe von Schallwellen
Katja Rupp 04.09.2001
Eine neue Methode könnte ideal für Materialbearbeitung im Weltall
geeignet sein
In der neuen Ausgabe des New Scientist wird über "Acoustic Shaping"
berichtet, das Gestalten von Formen mit Hilfe von Schallwellen.
Ursprünglich suchten die Studenten vom Georgia Institute of
Technologie [0] nur nach einem geeigneten Experiment, das sie an Bord
der KC-135 [1] bringen würde. Die Nasa stellt einmal im Jahr Flüge für
Experimente bereit, die während des Fluges nahezu in Schwerelosigkeit
durchgeführt werden können.
Die Studenten hatten sich schon lange erträumt, an einem der
Dreistundenflüge teilzunehmen, in denen die Maschine 40 bis 60 der
parabelförmigen Bögen fliegt, an deren Kulminationspunkt in fast 10 000
Meter Höhe und dem anschließenden Sturzflug nach unten jeweils etwa 25
Sekunden Schwerelosigkeit erzeugt werden. Was hinlänglich erklären
dürfte, warum das Flugzeug den Spitznamen "Vomit Comet" (Kotz-Komet)
trägt.
Die Studenten stießen bei ihrer Suche nach einem geeigneten Versuch
auf ein Projekt, das vorsah, mit Hilfe von Klangwellen eine kleine
Menge Partikel innerhalb eines Raumes anzuheben. Dieses "akustische
Schweben" ("acoustic levitation") ist möglich durch die Art, wie sich
Schallwellen in einem geschlossenen Raum verhalten: Die Wellen bewegen
sich in Richtung einer Wand, prallen von dort ab und kommen wieder
zurück. Diese zurückkommenden Wellen überlappen sich mit den ihnen
nachfolgenden, und wenn der Raum passend "getuned" ist - das heißt,
seine Länge zur Wellenlänge der Frequenz passt - synchronisieren sich
die ankommenden und auslaufenden zu einer "stehenden Welle". So
entstehen Bereiche, in denen es besonders laut ist, aber vor allem auch
solche, Knoten genannte Bereiche, in denen Stille herrscht. Alles, was
in einen solchen Knoten gerät, kann sich nicht ohne weiteres
wegbewegen, da der Luftdruck an allen ihn umgebenden Punkten höher ist.
In der Schwerelosigkeit führt das dazu, dass ein einzelner Partikel an
einem bestimmten Platz verharrt.
Zusammen mit Narayanan Komerath, [2] dem Fakultätsratgeber und
Professor für technische Raumfahrt an der Georgia Tech, dachte das Team
darüber nach, dieses theoretische Experiment auszubauen: Was wäre, wenn
man nicht mehr nur einzelne Punkte isolieren würde? Die Gruppe
arbeitete eine Methode aus, mit der man bei einer bestimmten Frequenz
eine ganze Fläche dieser Knoten erzeugen kann.
Laut Komerath ist es sogar überraschend leicht; um die richtige
Frequenz für einen bestimmten Raum auszuwählen, braucht es nur die
simple Mathematik der Helmholtz-Gleichung. Komerath realisierte, dass
diese Methode dazu geeignet sein könnte, feste Objekte zu erstellen,
und die Idee des "Akustischen Formens" war geboren.
Fortschritte dieser Art könnten in der Raumfahrtindustrie zu
rentablen Methoden führen, Teile und ganze Ausrüstungen vollständig im
All herzustellen.
Narayanan Komerath
Dabei hatte im Labor das Experiment zunächst nicht viel versprechend
angefangen. Komeraths Studenten nahmen einen Plastikbehälter,
befestigten den Lautsprecher einer Stereoanlage an einer Seite, legten
den Boden mit Styroporbällen aus und drehten die Lautstärke ganz auf.
Die Bälle rührten sich nicht.
Sie versuchten es weiter, wobei mehrere Lautsprecher kaputtgingen,
ohne Erfolg. Als die Studenten sich 1997 zu ihrem ersten Flug im Vomit
Comet fertigmachten, hatten sie ihren Behälter inzwischen schalldicht
gemacht, aber es noch immer nicht geschafft, aus den Bällen eine Form
zu gestalten, und alle erklärten ihnen, dass das wohl nie funktionieren
würde. An Bord dann, ein paar Sekunden im freien Fall, erhoben sich die
Styroporkügelchen und bauten sich über eine Hälfte des Raums entlang
auf. "Als sie das gesehen haben, waren sie so aufgeregt, dass sie
beinahe vergessen hätten, wie elend sie sich eigentlich fühlen",
erinnert sich Komerath.
Dieser Erfolg hat zu inzwischen sieben weiteren der Achterbahn-Flüge
geführt, und die Experimente werden weiter ausgebaut. Verschiedenste
Materialien wurden ausprobiert und unerwartete Erkenntnisse gewonnen:
So eignen sich beispielsweise Rice Krispies besser für die Versuche als
Styroporkugeln, weil sie statistische Messungen zulassen.
Unterschiedliches Material wie winzige Plastikperlen oder
Fertigteigmischung neigt eher dazu, sich gleichmäßig zu verteilen,
anstatt beieinander zu bleiben. Was sich zunächst nach keiner großen
Erkenntnis anhört, aber später von wesentlicher Bedeutung werden
könnte, wenn es darum geht, zusammengesetztes Material zu bearbeiten.
Die Weltraumindustrie, so Komerath, habe aufgehört, Bauprojekte im
Weltraum in größerem Umfang weiterzuverfolgen, weil die Kosten für den
Transport von Baustoffen und -Teilen in den Orbit unerschwinglich
seien. Aber anstatt zu versuchen, diese Art von erdgebundener
Arbeitsweise im All fortzuführen, könnte man dort mit "Acoustic
Shaping" viel eher bauen, was man braucht:
Indem man die Kosten der Herstellung auf einen Bruchteil der auf
der Erde gebauten und maschinell hergestellten Teile reduziert, könnte
die Technik des akustischen Formens ein Hilfsmittel für die Entwicklung
einer weltraum-basierten Wirtschaft darstellen.
Komerath
Als nächsten Schritt planen die Studenten ein Experiment im All - die
Nasa hat ihnen eine kleine Ecke in ihrer Space Shuttle reserviert, die
im März 2002 starten wird. Dieses automatisierte Experiment soll dann
endlich beweisen, dass mit Sound nicht nur dreidimensionale Formen
erschaffen, sondern diese auch robust und haltbar gemacht werden
können.
Links
[0] http://www.adl.gatech.edu
[1] http://zerog.jsc.nasa.gov/home.html
[2] http://www.mines.edu/research/srr/komerath_1.html
Artikel-URL: http://www.telepolis.de/deutsch/inhalt/lis/9457/1.html
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