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[ox] Fabber im All



Das Gestalten von Formen mit Hilfe von Schallwellen
 
 Katja Rupp   04.09.2001 
 
 Eine neue Methode könnte ideal für Materialbearbeitung im Weltall 
geeignet sein 
 
 In der neuen Ausgabe des New Scientist wird über "Acoustic Shaping" 
berichtet, das Gestalten von Formen mit Hilfe von Schallwellen. 
 
 
 Ursprünglich suchten die Studenten vom  Georgia Institute of 
Technologie [0] nur nach einem geeigneten Experiment, das sie an Bord 
der  KC-135 [1] bringen würde. Die Nasa stellt einmal im Jahr Flüge für 
Experimente bereit, die während des Fluges nahezu in Schwerelosigkeit 
durchgeführt werden können. 
 
 Die Studenten hatten sich schon lange erträumt, an einem der 
Dreistundenflüge teilzunehmen, in denen die Maschine 40 bis 60 der 
parabelförmigen Bögen fliegt, an deren Kulminationspunkt in fast 10 000 
Meter Höhe und dem anschließenden Sturzflug nach unten jeweils etwa 25 
Sekunden Schwerelosigkeit erzeugt werden. Was hinlänglich erklären 
dürfte, warum das Flugzeug den Spitznamen "Vomit Comet" (Kotz-Komet) 
trägt. 
 
 Die Studenten stießen bei ihrer Suche nach einem geeigneten Versuch 
auf ein Projekt, das vorsah, mit Hilfe von Klangwellen eine kleine 
Menge Partikel innerhalb eines Raumes anzuheben. Dieses "akustische 
Schweben" ("acoustic levitation") ist möglich durch die Art, wie sich 
Schallwellen in einem geschlossenen Raum verhalten: Die Wellen bewegen 
sich in Richtung einer Wand, prallen von dort ab und kommen wieder 
zurück. Diese zurückkommenden Wellen überlappen sich mit den ihnen 
nachfolgenden, und wenn der Raum passend "getuned" ist - das heißt, 
seine Länge zur Wellenlänge der Frequenz passt - synchronisieren sich 
die ankommenden und auslaufenden zu einer "stehenden Welle". So 
entstehen Bereiche, in denen es besonders laut ist, aber vor allem auch 
solche, Knoten genannte Bereiche, in denen Stille herrscht. Alles, was 
in einen solchen Knoten gerät, kann sich nicht ohne weiteres 
wegbewegen, da der Luftdruck an allen ihn umgebenden Punkten höher ist. 
In der Schwerelosigkeit führt das dazu, dass ein einzelner Partikel an 
einem bestimmten Platz verharrt. 
 
 Zusammen mit  Narayanan Komerath, [2] dem Fakultätsratgeber und 
Professor für technische Raumfahrt an der Georgia Tech, dachte das Team 
darüber nach, dieses theoretische Experiment auszubauen: Was wäre, wenn 
man nicht mehr nur einzelne Punkte isolieren würde? Die Gruppe 
arbeitete eine Methode aus, mit der man bei einer bestimmten Frequenz 
eine ganze Fläche dieser Knoten erzeugen kann. 
 
 Laut Komerath ist es sogar überraschend leicht; um die richtige 
Frequenz für einen bestimmten Raum auszuwählen, braucht es nur die 
simple Mathematik der Helmholtz-Gleichung. Komerath realisierte, dass 
diese Methode dazu geeignet sein könnte, feste Objekte zu erstellen, 
und die Idee des "Akustischen Formens" war geboren. 
 
 
      Fortschritte dieser Art könnten in der Raumfahrtindustrie zu 
rentablen Methoden führen, Teile und ganze Ausrüstungen vollständig im 
All herzustellen.  

 Narayanan Komerath  
   
 Dabei hatte im Labor das Experiment zunächst nicht viel versprechend 
angefangen. Komeraths Studenten nahmen einen Plastikbehälter, 
befestigten den Lautsprecher einer Stereoanlage an einer Seite, legten 
den Boden mit Styroporbällen aus und drehten die Lautstärke ganz auf. 
Die Bälle rührten sich nicht. 
 
 Sie versuchten es weiter, wobei mehrere Lautsprecher kaputtgingen, 
ohne Erfolg. Als die Studenten sich 1997 zu ihrem ersten Flug im Vomit 
Comet fertigmachten, hatten sie ihren Behälter inzwischen schalldicht 
gemacht, aber es noch immer nicht geschafft, aus den Bällen eine Form 
zu gestalten, und alle erklärten ihnen, dass das wohl nie funktionieren 
würde. An Bord dann, ein paar Sekunden im freien Fall, erhoben sich die 
Styroporkügelchen und bauten sich über eine Hälfte des Raums entlang 
auf. "Als sie das gesehen haben, waren sie so aufgeregt, dass sie 
beinahe vergessen hätten, wie elend sie sich eigentlich fühlen", 
erinnert sich Komerath. 
 
 Dieser Erfolg hat zu inzwischen sieben weiteren der Achterbahn-Flüge 
geführt, und die Experimente werden weiter ausgebaut. Verschiedenste 
Materialien wurden ausprobiert und unerwartete Erkenntnisse gewonnen: 
So eignen sich beispielsweise Rice Krispies besser für die Versuche als 
Styroporkugeln, weil sie statistische Messungen zulassen. 
Unterschiedliches Material wie winzige Plastikperlen oder 
Fertigteigmischung neigt eher dazu, sich gleichmäßig zu verteilen, 
anstatt beieinander zu bleiben. Was sich zunächst nach keiner großen 
Erkenntnis anhört, aber später von wesentlicher Bedeutung werden 
könnte, wenn es darum geht, zusammengesetztes Material zu bearbeiten. 
 
 Die Weltraumindustrie, so Komerath, habe aufgehört, Bauprojekte im 
Weltraum in größerem Umfang weiterzuverfolgen, weil die Kosten für den 
Transport von Baustoffen und -Teilen in den Orbit unerschwinglich 
seien. Aber anstatt zu versuchen, diese Art von erdgebundener 
Arbeitsweise im All fortzuführen, könnte man dort mit "Acoustic 
Shaping" viel eher bauen, was man braucht: 
 
      Indem man die Kosten der Herstellung auf einen Bruchteil der auf 
der Erde gebauten und maschinell hergestellten Teile reduziert, könnte 
die Technik des akustischen Formens ein Hilfsmittel für die Entwicklung 
einer weltraum-basierten Wirtschaft darstellen.  

 Komerath  
   
 Als nächsten Schritt planen die Studenten ein Experiment im All - die 
Nasa hat ihnen eine kleine Ecke in ihrer Space Shuttle reserviert, die 
im März 2002 starten wird. Dieses automatisierte Experiment soll dann 
endlich beweisen, dass mit Sound nicht nur dreidimensionale Formen 
erschaffen, sondern diese auch robust und haltbar gemacht werden 
können. 
 
 Links 
 
 [0] http://www.adl.gatech.edu
 [1] http://zerog.jsc.nasa.gov/home.html
 [2] http://www.mines.edu/research/srr/komerath_1.html
 
 Artikel-URL: http://www.telepolis.de/deutsch/inhalt/lis/9457/1.html 
 
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