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[ox] Re: Gewalt



Hi Christoph, KW, alle!

Ich habe vor vielen Jahren mal mit Freunden eine Definition von Gewalt
entdeckt, die ich zumindest als Ausgangsbasis sehr nützlich fand: Was
Gewalt ist, kann nur das (potentielle) Opfer definieren. Alles andere
macht keinen Sinn.

Natürlich funktioniert diese Definition nur für Wesen, die in der Lage
sind überhaupt irgendwas zu definieren - mithin also z.B. nicht für
die Natur. Aber Gewalt und Natur finde ich sowieso ein sehr
schwieriges Begriffspaar. Gibt es in der Natur überhaupt Gewalt oder
macht dieser moralische Begriff nicht nur in einer (menschlichen)
Kultur überhaupt Sinn.

Last week (9 days ago) Christoph Reuss wrote:
(Machen wir uns nichts vor:  Indem wir leben, essen etc., akzeptieren
 wir alle  sogar physische Gewalt als einen Teil unseres Lebensstils !
 Sogar Vegetarier leben auf Kosten von Kleinstlebewesen... [das soll
 jetzt keine Kritik an Veg's sein -- bin ja selber einer ;-} ]
 In der real existierenden Welt (und sogar in der virtuellen ;-})
 kann _niemand_ Gewalt völlig vermeiden... nur versuchen zu minimieren.)

Ganz genau.

Die Frage, die uns hier eigentlich umtreibt scheint mir aber eher:
Wann ist Gewaltausübung legitim? Und da wird's sofort massiv kulturell
und historisch. Die Hexenverbrennung war beispielsweise mal ein
Menschenrecht - damals gab's den Begriff wohl noch nicht -, weil nur
so die unsterbliche Seele der Hexe gerettet werden konnte - nur mal so
als drastisches Beispiel.

Hier befinden wir uns also mitten im gesellschaftlichen Diskurs - und
der ändert sich halt. Die Frage der Raubkopien / Intellectual Property
Rights / Copyright / Patente ist dabei eine der aktuell heißen Fragen.
Technisch ist es mittlerweile so stinkeinfach geworden Kopien (vor
allem digitaler) Informationen zu ziehen, daß die Sinnhaftigkeit einer
Eigentumsordnung in diesem Bereich mittlerweile massiv in Frage steht.
Hier steht eigentlich eine Neufassung eines ganzen Gedankengebäudes an
- aber wir rackern uns daran ja schon ab ;-) .

Last week (9 days ago) KXX4493553 wrote:
strukturelle Gewalt ist die
Differenz zwischen den potenziellen und den realen
Verwirklichungsmöglichkeiten von Menschen, die Differenz zwischen dem, was
Menschen an Selbstentfaltung möglich ist, und dem, was für sie möglich sein
könnte, würden sie durch gesellschaftliche (Gewalt-)Strukturen nicht daran
gehindert.

Das ist mal eine gute Definition, dieses schillernden Begriffs :-) .

Andererseits ist natürlich auch das ausgesprochen dehnbar.
Naturgesetze z.B. als Gewalt zu bezeichnen macht irgendwie keinen
Sinn. Wenn mir ein Apfel auf den Kopf fällt, ist das schließlich keine
Gewalt. Aber zu Natur und Gewalt s.o. und das hattest du auch nicht
gesagt.

Dennoch finde ich die Definition auch irgendwie schwierig - es ergeben
sich sofort unzählige Grauzonen :-( . Vielleicht müssen wir es einfach
mit meinen obigen Bemerkungen zur gesellschaftlich-historischen
Bedingtheit von Gewaltdefinitionen zusammennehmen. Dann würde
strukturelle Gewalt bedeuten, daß es eine Einschränkung Einzelner ist,
die unbillig ist - d.h., die ihnen im Rahmen der bestehenden
gesellschaftlichen Definition nicht zukommt. Macht das Sinn?


						Mit Freien Grüßen

						Stefan

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Organisation: projekt oekonux.de


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