Re: Gewalt (was:Re: Franzre: [ox] Umsetzung)
- From: cr iac-research.ch (Christoph Reuss)
- Date: Sun, 12 Aug 2001 17:10:22 +0200
Gabriel Pickard schrieb:
Wieso soll eine Nichtkaufentscheidung Gewalt sein?
Nach Deiner eigenen Definition: "eine Aktion, die darauf ausgerichtet ist,
einen anderen Menschen zu schädigen oder gegen den Willen des Geschädigten
geschieht." -- Dass Du keine M$-Software kaufst, ist gegen den Willen von
M$, und schädigt M$ sogar (senkt ihren Gewinn). Und ja, M$ besteht aus
Menschen, obwohl "es" formell eine juristische Person ist.
(Machen wir uns nichts vor: Indem wir leben, essen etc., akzeptieren
wir alle sogar physische Gewalt als einen Teil unseres Lebensstils !
Sogar Vegetarier leben auf Kosten von Kleinstlebewesen... [das soll
jetzt keine Kritik an Veg's sein -- bin ja selber einer ;-} ]
In der real existierenden Welt (und sogar in der virtuellen ;-})
kann _niemand_ Gewalt völlig vermeiden... nur versuchen zu minimieren.)
Ich find hier die Begriffsdefinition ein bisschen Problematisch. Ich
bräuchte ein anderes Wort neben 'Gewalt' für eine Aktion, die z.B.
physikalische Schmerzen verursachen kann. Ein Vegetarier, der
Kleinstlebewesen verspeist ist doch nicht gewalttätig! Weil es in meinem
Sinne auch keine Aktion gegen das Kleintierchen ist, wenn es sozusagen
nebenbei gegessen wird.
Ich dachte dabei weniger ans Essen der Klein{st}lebewesen (KL), sondern
daran, dass die Herstellung des Essens unweigerlich zum Tod unzähliger KL
führt (nicht nur "physikalische Schmerzen"!) -- sei es beim Pflügen, bei
der Schädlingsbekämpfung (ob bio oder nicht), bei Transporten, oder auch
schlicht durch das "Wegnehmen" von Nahrung und Lebensraum (das gilt
übrigens auch für Menschen, siehe 3.Welt). Hinzu kommt das Immunsystem,
das auch täglich diverse KL plattmacht, und alltägliche Handlungen wie
z.B. Autofahren, was auch unzählige Opfer (inkl. Menschen) fordert.
(Manchmal staune ich schon, mit welcher Selbstverständlichkeit sogar
Veganer autofahren...)
Es wäre m.E. Selbstbetrug, sich daran durch um-definieren des Wortes
"Gewalt" vorbeizuschlängeln -- Leben beinhaltet Gewalt, ob uns das passt
oder nicht; wir können sie nur versuchen zu minimieren (und/oder in
gerechte Bahnen zu lenken).
KXX4493553 aol.com wrote:
Der Begriff "strukturelle Gewalt" stammt von dem schwedischen
Sozial- und Friedensforscher Johan Galtung
Galtung ist Norweger. Ich stimme Kurt-Werner zu, dass dieses Thema
(wie auch die Viktimologie, die leider auch von Galtung ignoriert wird),
sehr diskussionswürdig für diese Liste ist.
Aber nun zu der "strukturellen Gewalt". Die Definition von Galtung, so
wie ich sie hier herauslesen kann, ist die eine Seite von dem, was ich
als StrukturGewalt mir ausgemalt hatte. Die StrukturGewalt kan IMHO auch
von dem Menschen selbst aus - und nicht nur von der Struktur auf den
Menschen ausgeübt werden.
Alle strukturelle Gewalt geht letztlich von Menschen (Mehrzahl!) aus --
denen in entsprechenden Machtpositionen. Auch wenn Gottheiten oft als
Vorwand missbraucht werden. ;-(
Wieso sollte mensch andere Gewaltformen der
strukturellen unterorden?
Weil "andere" Gewaltformen nur Symptome/Folgen von struktureller Gewalt sind
-- zum Beispiel:
Ich meine, wenn jemensch gefoltert wird, dann
ist das schlimmer, als wenn jemensch z.B. durch die Struktur in
Schuldknechtschaft gerät.
_Beides_ sind Symptome/Folgen von struktureller Gewalt.
Übrigens geht mir der Leidensaspekt etwas
Verloren in der Galtungschen Definition. Dass die Selbstentfaltung
eingeschränkt wird stimmt zwar schon, aber die unmittelbare und fatal
wichtige Auswirkung ist Leiden -- und leidenden Menschen geht es viel
eher um das Abschütteln des Leides, als um Selbstentfaltung.
Durch das Abschütteln der strukturellen Gewalt könnten sie beides erreichen.
Warum an den Symptomen herumdoktern, wenn man die Ursache beseitigen kann?
Alles Gute! Gabriel
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Soll das eine Ascii-EU-Flagge sein ? Wäre aber denkbar unpassend zu
"Demokratica"! ;-}
Gruss,
Christoph R
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