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Re: Gewalt (was:Re: Franzre: [ox] Umsetzung)



In einer eMail vom 12.08.01 16:26:05 (MEZ) - Mitteleurop. Sommerzeit schreibt 
werg demokratica.de:

Aber nun zu der "strukturellen Gewalt". Die Definition von Galtung, so 
 wie ich sie hier herauslesen kann, ist die eine Seite von dem, was ich 
 als StrukturGewalt mir ausgemalt hatte. Die StrukturGewalt kan IMHO auch 
 von dem Menschen selbst aus - und nicht nur von der Struktur auf den 
 Menschen ausgeübt werden. Wieso sollte mensch andere Gewaltformen der 
 strukturellen unterorden? Ich meine, wenn jemensch gefoltert wird, dann 
 ist das schlimmer, als wenn jemensch z.B. durch die Struktur in 
 Schuldknechtschaft gerät. Übrigens geht mir der Leidensaspekt etwas 
 Verloren in der Galtungschen Definition. Dass die Selbstentfaltung 
 eingeschränkt wird stimmt zwar schon, aber die unmittelbare und fatal 
 wichtige Auswirkung ist Leiden -- und leidenden Menschen geht es viel 
 eher um das Abschütteln des Leides, als um Selbstentfaltung.
 
Ich sehe nicht, warum das Eine das Andere ausschließen soll. Wenn jemand 
einen anderen Menschen foltert - im "Auftrag" einer Ideologie, der 
Staatsräson oder sonst etwas - dann ist das ebenso Teil der strukturellen 
Gewalt wie alles andere auch. "Strukturen" sind ja nicht nur ein abstraktes 
Etwas, das "irgendwie" auf Menschen Gewalt ausüben, sondern äußern sich in 
alltäglichen Praktiken. Wenn bspw. jemand aufgrund seiner sozialen Herkunft 
von bestimmten Bildungseinrichtungen ausgeschlossen bleibt, ein anderer als 
Arbeitsloser gezwungen wird, einen unterbezahlten Job anzunehmen, ein Dritter 
aufgrund chronischer Ebbe in der Kasse sich ein bestimmtes Medikament nicht 
leisten kann oder über die Rationierung von Gesundheitsleistungen geredet 
wird - dann sind direkte Auswirkungen der strukturellen Gewalt, die von 
kapitalistischen (oder sonstigen) Strukturen ausgehen. Diese Einschränkungen 
verweisen dialektisch auf die grundlegenden Strukturen, und besitzen 
sicherlich auch eine Eigendynamik, die diese grundlegenden Strukturen noch 
verschärfen oder verschlechtern. Man könnte auch sagen, strukturelle Gewalt 
wird in konkreten Gewalthandlungen '(wozu auch das Vorenthalten des Möglichen 
zählt) verkörpert, aber diese Verkörperung verweist immer auf die 
"übergeordneten" Strukturen.

Kurt-Werner Pörtner
 
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Organisation: projekt oekonux.de


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