Message 02734 [Homepage] [Navigation]
Thread: oxdeT02734 Message: 1/1 L0 [In index]
[First in Thread] [Last in Thread] [Date Next] [Date Prev]
[Next in Thread] [Prev in Thread] [Next Thread] [Prev Thread]

[ox] (2.) zur Zukunft der Einzelinteressen



Hallo alle!

[Da die elektronische Form Eurer Antworten leider flöten
gegangen ist, antworte ich in einem einzigen Schriftsatz.
Vielen Dank & Viele Grüße - C.P.]


======[ Ewigkeit ]======

Hallo Stefan & Annette!

Besonders Ihr zwei habt ja meinen "Vorwurf" des auf-
ewig-Festschreibens besonders übel vermerkt. Es ist
natürlich erfrischend, wie sehr man hier Eure Ablehnung
jeglichen Dogmatismus zu spüren bekommt -- andererseits
kann ich mich da schon fast nicht mehr des Eindrucks
erwehren, Ihr hättet dermaßen etwas gegen die Ewig-
keit, daß Ihr eigentlich überhaupt keine
allgemeingültigen Aussagen mehr akzeptieren
könnt/wollt, vor allem keine Aussagen, die den Anspruch
erheben, zeitlich allgemeingültig zu sein, also ewig.

======[ Interessen als Vektorsumme ]======

Hallo Annette, Ralf & Stefan und alle!

Natürlich war das mit der Summe Quatsch. (Es sei denn,
man stellte sich den Vektorraum unendlich-dimensional
vor oder so...) Aber dennoch liegt unser
Hauptmißverständnis in etwas anderem. Nämlich in der
Frage, was eigentlich unter "Allgemeininteresse" /
"Gesamtinteresse" usw. verstanden werden muß bzw. kann.

Ich habe jetzt erst gemerkt, daß Ihr dem
Allgemeininteresse immer eine subjektive Bedeutung
beimeßt: Irgendjemand müßte dies festlegen oder
aushandeln und dann 'den anderen' aufzwingen. Bzw. 'die
anderen' würden einem von irgendjemandem postulierten
oder ausgehandelten Allgemeininteresse unterworfen
werden (oder eben nicht...). Das heißt, daß in Eurem
Verständnis nicht nur das Einzelinteresse, sondern auch
das Allgemeininteresse eine durchaus bewußte
Angelegenheit, also etwas, das sich direkt ändert, wenn
man darüber streitet.

Ich gehe aber davon aus, daß es ein Allgemeininteresse
gibt, welches nicht von irgendjemandem festgelegt
werden kann. So wie auch die Windrichtung und die
Windstärke nicht von den Luftteilchen beschlossen,
ausgehandelt oder festgelegt werden.

Und ein so verstandenes Allgemeininteresse kann nur die
Gesamtheit aller Einzelinteressen sein. (Wie sich diese
Gesamtheit zu den Einzelinteressen verhält, ist eine
andere Frage. Auch, daß sich zwei Einzelinteressen aus
einem bestimmten Blickwinkel "zu Null" zu addieren
scheinen können, ist in erster Linie ein Problem einer
eindimensionalen Betrachtung...)

Was den Anspruch von irgendwelchen Subjekten betrifft,
das sogenannte Gemeinwohl zu vertreten, so hat das, was
die mit Gesamtinteresse meinen, höchstens soviel damit
zu tun, wie die Meinung eines Wetterfrosches zum
Weltklima (oder zum Golfstrom oder so).

Das Hauptproblem ist für mich gerade die Auflösung
dieses _Anspruchs_: ich denke, wir müssen darüber
hinauskommen, daß lauter Leute irgendwelche Ansprüche
als Interessen deklarieren und dann versuchen, sich
gegeneinander durchzusetzen (mittels Geld, Kapital,
Autorität, Wählerstimmen, Kooperationsangeboten oder -
verweigerungen, oder ähnlichen Mechanismen). Vor allem
muß klar werden, daß das Gesamtinteresse nicht von
irgendjemandem behauptet werden kann, sondern von allen
getragen wird. Und das muß eben nicht nur aus der Sicht
des Ganzen klar werden, sondern vor allem aus der Sicht
des Einzelnen.

Was mir bei Euch aufgefallen ist, ist die Vorstellung,
das Allgemeininteresse sei ausschließlich die
Resultante der Einzelinteressen (wie auch immer
kapitalistisch verwurstet, die einen Interessen mehr,
die anderen weniger gut durchgesetzt, beachtet oder
eben unterdrückt). Dabei kann man das
Allgemeininteresse eigentlich nur als Charakteristik
des Systems der Einzelinteressen begreifen. Denn, tut
man das nicht, dann heißt das, die Einzelinteressen
existierten zwar mglw. nur innerhalb des Systems, --
ihre Richtung, Stärke usw. hingen aber nicht von diesem
System ab.

Das Gegenteil ist aber der Fall: die Einzelinteressen
sind durch das System bedingt, ob sie das wollen oder
nicht. D.h. die Einzelinteressen gehen geradezu vom
Allgemeininteresse aus! Tucho würde jetzt (in Umkehrung
der Überlieferung) vielleicht wieder sagen: und wer
ausgeht, komme bekanntlich sobald nicht wieder... Aber
das ist ja heute auch genau das Problem!

Das Einzelinteresse geht also vom Allgemeininteresse
aus und kann überhaupt nur in Beziehung auf dieses
existieren (i). Es kann sich "gegen" letzteres richten
oder "dafür sein" oder sonstwelche Richtungen, Ausmaße
usw. in Bezug auf das Allgemeininteresse annehmen (ii).
ABER: so gesehen ist es eben das Einzelinteresse,
welches sich gegen das Allgemeininteresse richtet und
nicht umgekehrt! Und das ist ein erheblicher
Unterschied, denn (so gesehen) kommt es vor allem
darauf an, daß die Gesellschaft sich so
weiterentwickelt, daß in Zukunft *die von ihr
ausgehenden Einzelinteressen* weder dem Gesamtinteresse
widersprechen, noch mit anderen Einzelinteressen in
unversöhnlichem Gegensatze stehen.

Wir müssen eben wegkommen vom Gestalten von
»Bewegungsformen von "Interessengegensätzen"« -- hin zu
einer "vernünftigen" Gesellschaft, in der sich die
(oder einzelne) Teile nicht gegen das Ganze (oder gegen
andere Teile) richten. Warum das nicht gehen soll,
verstehe ich nicht. Denn, zum Vergleich: die ersten
einzelligen Lebewesen sind sicher nicht besondern
zimperlich miteinander umgegangen, wenn sie sich in die
Quere kamen. Heute aber gibt es durchaus richtige
Zellverbände, die sich durchaus nicht selbst zerstören.
Zumindest betrachtet man Gewebe mit derlei bösartigen
"Individuen" wie z.B. Krebszellen als kranke Gewebe und
nicht als unaufhebbaren Normalzustand. (Das ist jetzt
natürlich nur als Metapher gemeint, ich will durchaus
nicht in irgendwelchen Biologismus oder so verfallen!)

Abgesehen vom Allgemeininteresse gehe ich hier
natürlich immer von Interessen als subjektbezogen aus.
D.h. Einzelinteressen sind die Interessen der einzelnen
Subjekte -- und nicht irgendwelche Interessen_aspekte_,
wie sie heute gerne als Einzelinteressen erscheinen
(was sich bspw. im Ausdruck "Interessengruppen"
niederschlägt):

Die "Interessen" der Autofahrer und der Grünen sind in
diesem Sinne keine Einzelinteressen, obwohl sie sich
gegenüberzustehen und zu widersprechen scheinen. Diese
sogenannten "Interessen" sind Derivate (Ableitungen)
von einzelnen Aspekten vergessener ganzheitlicher
Interessen, deren Partikularität mitsamt ihrer
Gegesätzlichkeit aufgehoben werden wird. Die Gegensätze
stammen nämlich nicht aus den ursprünglichen
Interessen, aus denen sich diese Aspekte ableiten,
sondern aus dem Mechanismus der Ableitung, also aus der
Beschränktheit der Möglichkeiten diese ursprünglichen
Interessen zu verfolgen. Ich hoffe, Ralf, daß wir uns
hier einig sind, daß diese Beschränkungen und die
daraus resultierenden Mechanismen der Durchsetzung von
Interessen sehr wohl gesellschaftlich bedingt sind. Und
daß diese Formen von gesellschaftlichen Verhältnissen
im Verlaufe der Änderung der gesellschaftlichen
Organisation aufgehoben werden werden.

Der Übergang der Gesellschaft von der sogenannten
"Vorgeschichte der Menschheit", zur sogenannten
"eigentlichen Geschichte" ist wahrscheinlich ein
qualitativ größerer Sprung als der Übergang der
biologischen Organisationsformen vom "Zellverband" (à
la Korallenriff oder so?) zum richtigen "Organismus".

In diesem Sinne: mit *enthusiastischen* Grüßen,
Casimir.

*-----*-----*-----*-----*-----*-----*-----*-----*-----
  (i) -- Umgekehrt ist das natürlich genauso richtig,
aber man kann manchmal leider nicht alles gleichzeitig
sagen und dann noch auf Verständlichkeit hoffen...

  (ii - a) wie Ralf schon einwarf, ist das ganze
multidimensional und deshalb ist leider nich so leicht
vor-und noch viel schwerer darstellbar)
..(ii - b) Die Form des Bezugs auf das
Allgemeininteresse ist natürlich heute v.a. die des
Bezugs auf andere Einzelinteressen.




________________________________
Web-Site: http://www.oekonux.de/
Organisation: projekt oekonux.de


[English translation]
Thread: oxdeT02734 Message: 1/1 L0 [In index]
Message 02734 [Homepage] [Navigation]