[ox] Existenzgeld & Sonstiges
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- Date: Tue, 22 May 2001 16:25:38 EDT
Während man hier immer mehr den Eindruck bekommt, auf einem juristischen
Online-Fachseminar zu sein, möchte ich ein paar grundsätzliche Bemerkungen
zum Existenzgeld machen.
Die Forderung nach Existenzgeld ist IMHO bestenfalls als
strategisch-taktische "Münze" geeignet, um der realen Politik (oder
Realpolitik), die genau in die entgegengesetzte Richtung geht, eine Forderung
entgegenzuhalten, die "das Schlimmste" verhüten soll. Denn letzten Endes ist
die Existenzgeld-Forderung rein defensiv und hat nicht die geringsten
Chancen, im Rahmen des real existierenden Kapitalismus durchgesetzt zu
werden; wer daran glaubt, ist selber dran Schuld. In Luxemburg, so habe ich
gehört, beträgt die Sozialhilfe für einen Haushaltsvorstand zwar 2.200 DM,
aber man braucht nicht lange zu rätseln, warum sich die Luxemburger das
"leisten" können.
Geld ist im Kapitalismus das "allgemeine Äquivalent" und dient letzten Endes
der Selbstverwertung des Werts. Das ist seine eigentliche Funktion.
"Umverteilung" ist praktisch schon ein systemfremdes Element, das der Staat
durchgesetzt hat, denn dieser, in seiner Funktion als Aufrechterhalter der
allgemeinen Systemvoraussetzungen der Kapitalverwertung, hat keine eigenen
produktiven Potenzen, sondern muss sich selber von den vorhandenen
Kapitalströmen etwas "abzweigen", um seine Funktionsfähigkeit als "ideeller
Gesamtkapitalist" auch ausüben zu können.
Und selbst wenn man einmal systemimmanent argumentiert: das mit dem
Existenzgeld läuft nischt. Selbst wenn man die vorhandene Sozialhilfe,
Arbeitslosengeld und -hilfe, Kindergeld usw. in Existenzgeld umwandeln würde,
würde nie die geforderte Summe von 1500 DM für jeden dabei herausspringen.
Und wenn man sich einmal die Statistiken genauer anschaut, woher die Steuern
eigentlich kommen, die der Staat einkassiert, so kommt man schnell zu dem
Ergebnis, das heute 2/3 aller Steuereinnahmen aus Lohn- und Umsatzsteuer
resultieren, mithin also die abhängig Beschäftigten und die Konsumenten den
Löwenanteil der Staatseinnahmen finanzieren. Wenn man noch solche Sachen wie
Mineralölsteuer (heute Öko-Steuer getauft), Tabaksteuer etc. hinzurechnet, so
kommt man zu dem Ergebnis, dass die Unternehmer und die Bezieher von
Einkommen aus Kapitalerträgen und Vermögen nur noch einen marginalen Anteil
der Steuerlast tragen. Die Kapitalertragssteuer bspw., die bei der
Dividendenausschüttung einbehalten wird (und vor kurzem von 45 % auf 30 %
gesenkt wurde), macht gerade mal 4 % der gesamten Steuereinnahmen aus - mehr
Symbolik als "Springquellen des Reichtums". Insgesamt lässt sich sagen, dass
von der Adenauer-Zeit bis heute die reale Unternehmensbesteuerung von 21 %
auf 8 % gesunken ist - ausgerechnet bei Ludwig Erhard & Co. mussten die
Unternehmen also 2 1/2 mal so viel "bluten" wie heute - was man auch einen
Treppenwitz der Geschichte nennen könnte.
Summa summarum: angesichts der Struktur der heutigen Revenuequellen des
Staates (siehe oben) würden die etwas weniger Armen die ganz Armen
subventionieren - d. h., sie würden auch die Reichen subventionieren (noch
zusätzlich), weil ja, soweit ich das verstanden habe, das Existenzgeld
unabhängig vom Einkommen bezahlt werden soll - wie heute das Kindergeld. Wer
das für eine "revolutionäre" Forderung hält, dem ist angesichts dieser
Tatsachen wirklich nicht mehr zu helfen.
Kapitalismus heißt: Privatisierung der Gewinne und Sozialisierung der
Verluste- der Rest ist bürgerlich-ideologische Schaumschlägerei.
Kurt-Werner Pörtner
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