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Re: [ox] Fwd: Widerspruch!



Hi Dirk und Bojan, alle!

3 days ago Dirk Herrmann wrote:
From:  Bojan Antonovic <bantonov iiic.ethz.ch>
Da von keinem (!!!!!!) diesbezüglich ein Kommentar kam in der Diskussion
und damit auch nicht auf die negativen folgen dieser ?Freiheit?
hingewiesen wurde, nehme ich an, dass den Teilnehmern dies entweder nicht
bewusst war und wenn doch, diese das zumindest billigend in Kauf nehmen.

Bitte keine Schlüsse aus Dingen, die *nicht* gesagt wurden! Aus nichts
folgt nämlich alles.

Damit hebt man den Rechtsstaat (Ja, ich weiss, in Wirklichkeit ist es ja
ein ?Unrechtsstaat?) aus den Angeln, wessen Ziel das ist, kann leider mit
mir als loyalen Staatsbürger einerseits und Staatsdiener andererseits
nicht mit sonderlich viel Verständnis rechnen.

Allgemeiner Widerspruch 1:
Stichwort ?bounded rationality?. Alles Wissen jedermann frei zugänglich
zu machen ist eine gute Idee, weil alle Menschen sicherlich auch in der
Lage sein werden, die ihnen nun eröffnete Informationsflut zu bewältigen.
Ich denke mal, dass in der heutigen Zeit und in der hier vorherrschenden
Komplexität dann wohl jedermann eine S/390 bräuchte, um auch nur
annähernd feststellen zu können, welche der zahlreichen Informationen für
ihn relevant sind oder nicht.

Ah, du benutzt also eine S/390 als Web-Filter - interessant ;-) ...

Umgang mit Informationsfluten ist schon heute eine Kulturtechnik, die
alle Internet-verbundenen und selbst ordinäre Couch-Potatos beim
Fernsehen brauchen. Da bin ich zuversichtlich. Schließlich können auch
viele heute Schreiben und Lesen und auch ein Buchladen überfordert
heute niemenschen mehr.

Allgemeiner Widerspruch 2:
Stichwort Materielle Ressourcen: Wie bereits auf der Konferenz gesagt,
endet eine Open Source Entwicklung genau da, wo der materielle Bereich
anfängt. Ich weiss nicht, warum ich Ansätze wie ?dann hat jeder eine
CNC-Frässmaschine an seinem PC am Parallelport hängen und baut sich sein
Auto selber? mehr als nur belächeln sollte. Nicht nur, dass eine
Privatperson selten über die notwendigen Ressourcen verfügt, sondern auch
Stichworte wie ?Stückkostendegression? und ?economx of scales? sollten
hier mal überdacht werden. Sich selbst ein einzelnes Auto herzustellen
ist zwar prinzipiell möglich, sollte allerdings in etwa doopelt so hohe
Kosten verursachen wie der Kauf eines Solchen beim Hersteller.

Well, ich hebe immer hervor, daß die industrielle Produktionsweise
auch mit ihrer Zentralisierung nichts grundsätzlich Schlechtes und
m.E. auch nicht inkompatibel mit einer emanzipierten Gesellschaft ist.
Es müßte sicher Vieles verändert werden - um Selbstentfaltung zu
ermöglichen -, aber eine Produktion von z.B. großen Schiffen würde ich
im Vorgarten nicht nur für undenkbar sondern für katastrophal halten.
Da ist eine zentralisierte Produktion m.E. sinnvoll und dann auch
nicht gerade in den Alpen.

Ich denke, daß es jenseits des Werts genügend sachliche Gründe gibt,
Produktion jenseits der Bastelei in industrieller Weise zu
organisieren.

Allgemeiner Widerspruch 3:
Es gibt eine These, dass Wissen, wenn es digitalisiert wird, kein Wissen
mehr ist, sondern nur noch Information. Hierzu würde ich gerne mal die
Meinung der Wissensexperten hören.

Ich meine, daß Wissen nur in menschlichen Köpfen vorkommen kann, aber
da gibt es hier keinen Konsens.

Wirtschaftswiderspruch:
Im Kommunismus hies es: "arbeite soviel Du kannst, nimm soviel Du
brauchst". Wenn jetzt Aufgrund einer utopihaften Weiterwentwicklung von
Verfahren zur Herstellung von materiellen Gütern die Menschheit in Star
Trek-ähnliche Zustände kommt, bei denen jeder seine täglichen
Bedürfnisse frei und kostenlos replizieren kann, wer sollte dann noch
die Motivation haben, etwas zur Allgemeinheit beizutragen?

Der Anreiz liegt in der Tätigkeit selbst - wie bei Freier Software.

Stichwort: ?Anreizsysteme?. Ich hatte schon mit einigen sarüber
diskutiert, warum ein Manager mehr Geld bekommt als ein
Fliessbandarbeiter,

Der einfache Grund ist, daß die Arbeitskraft der ManagerIn einen
höheren Marktwert hat als die einer FließbandarbeiterIn. Mit Anreiz -
so vermute ich deine Stoßrichtung - kann es schon deswegen nichts zu
tun haben, weil dann die FließbandarbeiterIn fürstlich verdienen müßte
- die braucht nämlich den äußeren Anreiz wirklich.

Wenn ich es recht überblicke, war das Lohnsystem in der DDR sogar viel
stärker auf Anreiz gepolt als das hiesige. Verdienten da
SchwerarbeiterInnen nicht mehr als ProfessorInnen?

warum Wettbewerb inovationsfördernd ist

Und innovationstötend. Betriebsgeheimnisse und Patente - gerade im
Software-Bereich - sind dafür beredtes Beispiel.

und warum
Konkurrenz letztendlich auch dem Kunden zugute kommt.

Na, vor allem über den Preis - oder? Kooperation kann ähnlich gute und
bessere Ergebnisse haben als eine Compete-or-die-Konkurrenz - siehe
Freie Software.

Ein Ausbleiben des
Anreizsystemes habe ich in meiner Kindheit ja erlebt, das überlegene
technologische Know-how war überwältigend... Gerade in der Ex-DDR konnte
man ja das fehlen ein lohnbezogenen Anreizsystemes wunderbar
nachvollziehen. Es war den Leuten letzendlich egal, was und wie sie es
taten, solange es den Plan erfüllte. Kennt jemand die Geschichte mit den
Suppentüten, wo um den Plan sogar noch über zu erfüllen ganz einfach die
darin enthaltene Packmenge reduziert wurde, und dadurch ein quantitativ
höherer Output erzeugt werden konnte ?

Dann schau mal hin, was im Kapitalismus auf Seiten der ArbeiterInnen
passiert: Exakt dasselbe. Der Unterschied besteht darin, daß hier das
Gewaltpotential härter zur Repression gegen solcherlei Nachlässigkeit
bis Sabotage genutzt wird.

Entscheidend auch hier wieder: In beiden (tauschbasierten und
entfremdeten) Systemen brauchst du (strukturelle) Gewalt um die
Menschen dazu zu zwingen, gesamtgesellschaftlich nützlich zu werden.
Genau diese Notwendigkeit wollen einige hier abschaffen.

Der Buchdruck und die Industrialisierung haben die Welt erheblich
verändert. Sie haben neue Produkte und Produktionsmöglichkeiten
geschaffen, alte Wert- und Weltvorstellungen zu Grabe getragen und
keinesfalls dazu beigetragen, den Kapitalismus oder jegliches aus der
Welt zu schaffen. Die zu entstehende Welt wird v.a. anders sein. In
einigen Bereichen für die Menschheit besser. Eintretten kann auch das
komplette Gegenteil: Sie könnte zum Ende der Menscheit beitragen, indem
die Wissenschaft durch einige Quantensprünge nach vorn eine
Nachfolgespezies (z.B. eine kybernetische) erschafft, welche die
Menschen überflüssig macht. Natürlich werden diese Menschennachfolger
diese Welt als die beste bisher entstandenen sehen, sowie wir es heute
mit der unseren tun.

Das gibt mir einen schönen Aufhänger, um mal was zu dieser negativen
Utopie zu sagen. Zum einen halte ich ein solches Szenario für höchst
unwahrscheinlich. Wer sollte so etwas wollen? Und an Hitler-Mythen
oder ausgeflippte WissenschaftlerInnen glaube ich nur bei James Bond.

Zum anderen kommt in dieser negativen Utopie m.E. vor allem die Angst
zum Vorschein, daß andere Wesen genauso mit uns umspringen könnten,
wie wir es mit der Natur und anderen Menschen tun. Finde ich vor allem
entlarvend...


						Mit Freien Grüßen

						Stefan


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Web-Site: http://www.oekonux.de/
Organisation: projekt oekonux.de


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