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Re: [ox] Literatur



Hi Liste!

6 days ago Stefan Meretz wrote:
die Quelle im Netz ist:
http://stud4.tuwien.ac.at/~e9426503/infogestechn/fsw.html

Daraus die folgenden Zitate und meine Kommentare dazu.

Wer Spaß dran hat, kann diese Mail auch gerne irgendwohin forwarden.

Ich konzentriere mich mal auf die wirklich wichtigen Punkte, die noch
nicht in der Liste in diesem Thread erwähnt wurden.

Der Wunschtraum  eines jeden Kapitalisten ist  die Konvergenz des konstanten
und variablen  Kapitals gegen Null. Wird dem  Kapital nun neues Wissen quasi
gratis zur  Verfügung gestellt, so ist ein  Schritt weiter in diese Richtung
getan.

Freie Software, so erkennt Christian richtig, wird dem Kapital genauso
"quasi gratis" zur Verfügung gestellt, wie Ottilie
NormalverbraucherIn. Daß Freie Software in diesem Sinne wie ein
kostenloses öffentliches Gut wirkt, daß ist bei uns in der Liste schon
ganz zu Anfang diskutiert worden. Bei uns wurde das als (notwendiges)
Randphänomen im Grenzbereich zwischen Kapital und Freier Software
charakterisiert wenn ich das richtig erinnere.

Was Christian - übrigens in seiner ganzen Argumentation - außer
Betracht läßt, ist, daß nicht nur das "böse" Kapital, sondern auch
ganz ordinäre Privatmenschen, wie er, ich oder mit ein bißchen Glück
auch eine SozialhilfeempfängerIn in den Genuß diesen öffentlichen Guts
kommen können. Finde ich nicht vernachlässigbar.

"Quasi gratis" muß er BTW sagen, weil er weiter unten argumentiert,
daß andere Kapitalgruppen mit Freier Software munter akkumulieren. Da
kommt sich seine Argumentation schon ein wenig selbst ins Gehege.

Die  GPL verhindert zwar, daß das  dort verfügbar gemachte Wissen von
Softwarekonzernen  mit  IPR belegt  und  damit  auf einfache  Art und  Weise
vermarktet  wird.  Es  verwundert   aber  nichtsdestotrotz  nicht,  daß  das
softwareindustrielle Kapital  die "freie" Softwareentwicklung immer häufiger
als  positiv erachtet.

Nun, ich weiß nicht, welche Quellen er da hat, aber nach meiner
Wahrnehmung ist es gerade *nicht* das softwareindustrielle Kapital,
was in der ganzen Breite Freie Software so rasend begrüßt. Viele
etablierte Firmen portieren ihre (kommerzielle) Software auf Gnu/Linux
um Kundenwünschen zu entsprechen. Einige Software-Firmen portieren aus
diesem oder jenem Grund auf Gnu/Linux. Aber nach meiner Wahrnehmung
sind das vor allem Firmen, die (noch) keine direkte Konkurrenz in der
Freien Software haben. Wenn Oracle z.B. irgendwann mal durch eine
Freie Datenbank getoppt wird, werden die da auch ein Problem mit der
Freien Software kriegen.

Der härteste Konkurrent für Freie Software ist derzeit sicher M$, weil
Gnu/Linux im genau gleichen Nutzungssegment liegt wie der teure
Schrott aus Redmond. Und daß M$ - als immerhin eine der reichsten
Firmen der Welt - Freie Software nicht gerade als positiv erachtet,
dürfte nun wirklich hinlänglich bekannt sein. Finde ich nicht
vernachlässigbar diesen kleinen Widerspruch in der Empirie.

In der Tat sind es nach meiner Wahrnehmung eher Hardware-Firmen, die
Freie Software richtig heavy unterstützen - allen voran IBM.

Leider stützt Christian seine eine Hauptargumentationslinie auf genau
dieses etwas brüchige Argument.

Denn  als Quelle  von marktfähigen  Innovationen und
neuen  Ideen,   die  einfach   auf  anderen  Plattformen   oder  in  anderen
Programmiersprachen    als    GNU/Linux   in    leicht   veränderter    Form
nachprogrammiert werden können, taugt  die "freie" Software allenfalls.

Auch hier wieder der Charakter des öffentlichen Guts (aus dem Menschen
übrigens auch lernen können - hatte er in seiner Charakterisierung
unterschlagen). Geschenkt.

Wichtiger wären mir Belege für seine Behauptung, daß Freie Software
kommerziell nachprogrammiert wird. Mir ist da eher der andere Vorwurf
bekannt - insbesondere für Gnu/Linux -, daß Freie Software nicht
wirklich innovativ sei, da Unix als Design-Grundlage schon vorher
existiert habe.

Über
gratis zur  Verfügung gestelltes  Wissen, daß wenn schon  nicht direkt, dann
wenigstens indirekt vermarktbar ist,  müßte sich eigentlich jeder Kapitalist
freuen. Die  freien SoftwareentwicklerInnen  werden damit zu  den IdiotInnen
der Ware  und des Wertes,

Die Kritik am Charakter des öffentlichen Guts zugespitzt. Folgerichtig
aber leider ist die empirische Basis dafür m.E. nicht da.

die davon  träumen, sich beim Programmieren selbst
zu  bestimmen

Das finde ich ein bißchen hart. Welche Kapitalgruppe bestimmt mich
denn, wenn ich mich schnell hinsetze und ein Stückchen (Freie)
Software bastele, weil ich es gerade brauche? Christians Argumentation
zu Ende gedacht bedeutet, daß ich als ordentlicher Revolutionär
aufpassen muß, daß auch niemensch ein Fitzelchen meiner Arbeit
bekommen kann, da es in Kapitalhände fallen könnte. Oder ich
verschenke nur gegen Non-Disclosure-Agreements. Ja genau: NDAs und
Software-Patente sind wahrhaft revolutionär...

Wann, so könnte ich Christian fragen, träumt denn ein Mensch nicht nur
davon selbstbestimmt zu sein, sondern ist es wirklich? Erst nach der
Revolution?

Immerhin erstellen - und dazu gehört nicht nur kodieren BTW -
EntwicklerInnen Freier Software die Software aus keinen anderen
Gründen als ihren je eigenen. Jede Menge Freie Software, die für das
Kapital völlig uninteressant ist, mögen belegen, daß Kapitalinteressen
eben nur zufällig als Seiteneffekt eines größeren Prozesses mitbedient
werden. Und der größere Prozeß hat als zentrale Säule eben tatsächlich
die Selbstentfaltung der AkteurInnen.

und   sich  der  kapitalistischen  Verwertungsmaschinerie  zu
entziehen.

Davon träumt in der Freien-Software-Community eigentlich niemensch.
Wie Christian weiter unten die OSI (`http://www.opensource.org/')
richtig zitiert, ist es tendenziell eigentlich eher umgekehrt, daß sie
die Freie Software in den Markt reintegrieren wollen. Daß bei diesem
Versuch die seltsamsten Verrenkungen herauskommen, finde ich übrigens
nicht verwunderlich.

Die GPL  verunmöglicht nicht, daß sich "freie"  Software als Ware gegen Geld
tauscht  und Teil  eines Akkumulationsprozesses  wird.

Nicht die Freie Software ist Teil eines Akkumulationsprozesses,
sondern...

Natürlich:  Wird eine
"freie" Software von jemandem  verkauft, so muß er den Sourcecode freigeben,
und die Anzahl der  verkauften Exemplare wird daher eher beschränkt bleiben,
da z.B. ein Käufer  beliebig viele Kopien der Software verschenken kann. Die
Basis  der  Kapitalakkumulation mit  "freier"  Software  stellen daher  eher
Archive dar,  die viele "freie"  Programme bündeln und auf  CD-ROM oder über
das  Internet vertrieben  werden.  Bei diesem  Akkumulationsprozeß kann  der
konstante und variable Kapitalanteil  äußerst gering gehalten werden, da das
benötigte Wissen  frei verfügbar  und verwertbar ist.  Die Produktion dieses
Wissens ist  keine produktive, d.h. mehrwertschaffende  Arbeit, im Marxschen
Sinn,  da sich  hier  keine Arbeitskraft  gegen Geld  tauscht.

...genau diese Zusatzarbeit, die die Distributoren zu der Freien
Software hinzugeben. Eine Distribution zusammenzustellen ist nämlich
durchaus nicht trivial und genau die darin - und in CD-Pressung,
Marketing, Telefon-Support, Buch - steckende Arbeitskraft tauscht sich
gegen Geld.

Wichtiger als diese falsche Kategorisierung der Arbeitsleistung
scheint mir aber, daß dieser von Christian vermutete
Akkumulationsprozeß empirisch nicht nachweisbar ist. Tatsächlich gibt
es in USA und Europa zwei große und einige kleinere
Gnu/Linux-Distributoren. SuSE (`http://www.suse.de/') als der große
europäische Distributor beschäftigt laut eigener Web-Site 500 Menschen
weltweit (`http://www.suse.de/de/suse/jobs/index.html'). Da ist M$ -
um ein krasses Beispiel zu nennen - aber nicht nur in der
MitarbeiterInnen-Zahl wesentlich heftiger. Und ich habe nicht den
Eindruck, daß sich die Menschheit jetzt noch unglaublich viele
Distributoren wünscht, denen sie ihr Geld in den Rachen werfen können.

Nee, nee, Freie Software als Motor der Kapitalakkumulation ist wohl
eher ein Treppenwitz der Börsengeschichte. Das haben sogar die
Börsianer mittlerweile erkannt und die Kurse der Linux-Firmen kräftig
eingedampft.

Das variable
Kapital  tendiert gegen  Null, die "freien"  SoftwarentwicklerInnen arbeiten
quasi gratis  für das Kapital. Es  fallen vorwiegend konstante Kapitalkosten
an und  Kosten für  die Pressung der  CD-ROMs bzw. für  die Aufbereitung der
Daten, um sie virtuell zu vertreiben. Das immaterielle, sich in der Software
vergegenständlichende  Wissen  bekommt  mit  einem materiellen  Träger  eine
Basis, mit der die  Kapitalakkumulation einfacher möglich wird. Geld tauscht
sich in  dieser Phase gegen Waren,  Investitionskapital ist nötig, kann aber
sehr gering  gehalten werden. Der Profit,  der hier gemacht wird, entspringt
daraus,  daß  die  "freien"  SoftwareentwicklerInnen quasi  gratis  für  das
Kapital arbeiten.

Auch hier bleibt Christian empirische Belege schuldig - kein Wunder,
tritt doch in der Realität eher das Gegenteil ein. Tatsächlich zeigt
das Beispiel der Firma Corel, die eine eigene Distribution herausgeben
wollten, ohne sich streng an die GPL zu halten, daß sich die
Freie-Software-Community eben gerade *nicht* vor den Karren
irgendeines Einzelkapitals spannen läßt. Firmen, die Freie Software
simpel ausbeuten wollen, scheitern.

Natürlich  kann dann  jedeR  KäuferIn  die
Programme selbst weiterentwickeln oder  an jemanden Kopien verschenken. Dies
hindert aber  tausende KäuferInnen  nicht daran, für  ein derartiges Archiv,
das auf  CD-ROM oder  über das Internet  vertrieben wird, Geld  zu bezahlen.
Durch spezielle Softwarebonbons, bei denen der Sourcecode auch "unfrei" sein
kann, kann der Kaufanreiz zusätzlich angeregt werden.

Was zwar denkbar, in der Praxis aber eher unüblich ist. Auch hier
fehlt der Realitäts-Check.

Ein Beispiel für ein derartiges Archivprodukt ist das "freie" Betriebssystem
FreeBSD.  Man/Frau   kann  es   sich  entweder  gratis   über  das  Internet
herunterladen  oder eine  CD-ROM-Version  kaufen. Geld  kostet beides,  denn
Verbindungsgebühren für  einen stundenlangen Download fallen  bei der ersten
Variante  an, 40  Dollar plus  ca. 50  Dollar Porto  und Verpackung  (da nur
Versendung  mit  DHL Worldwide  Express)  plus Zollgebühr  bei der  zweiten.
Passend zur  CD-ROM gibt es auch  das Benutzerhandbuch um 40  Dollar und ein
spezielles  Paket  (CD-ROM,  Buch   plus  Spezialprogramme)  um  130  Dollar
(exklusive  Porto, Verpackung,  Zollgebühr). Ein Gegenargument  wird lauten,
daß  dies immer  noch  billiger ist  als eine  Windows-Vollversion,  bei der
zusätzlich der  Quellcode nicht  verfügbar ist. Das  wesentliche ist jedoch,
daß  für beides  bezahlt  werden muß  und daß  für beides  tausende Menschen
tatsächlich    bezahlen.    Ganz    schön    frei   diese    kapitalistische
Warengesellschaft!

Wie Christian die Bedeutungen des Wortes "frei" je nach Kontext
variiert möchte ich mir ersparen, näher zu erörtern. Da passiert
leider eine begriffliche Unsauberkeit nach der anderen. Hier finde ich
es aber besonders kraß: Frei heißt *eben nicht* kostenlos.

Keimform   des   Postkapitalismus   oder   Verwertung   "freier"   Software?

Die Warengesellschaft  tendiert dazu,  total zu werden. Alles  und jedes ist
unter  das  Kapital  subsumierbar,  auch  in  einer  Zeit  der  ökonomischen
Dauerkrise  schreitet  die  Durchkapitalisierung  der  Gesellschaft  rastlos
voran.   Das  Kapital   ist   unersättlich  in   seiner  Suche   nach  neuen
Verwertungssphären.

Ja. Aber ob es fündig wird, darüber hat nicht nur das Kapital sondern
auch ein kleines bißchen die Realität zu entscheiden.

Der Bereich  der "freien"  Software ist  eine besonders
interessante, da  es hier  Menschen gibt, die  gratis arbeiten und  dies als
emanzipatorisch  betrachten.

In gewisser Hinsicht ist es für die EntwicklerInnen Freier Software
genauso emanzipatorisch, wie für einen Hausmenschen Mittagessen zu
kochen. So sehen das auch viele: Notwendigkeit kombiniert mit Spaß an
der Sache.

"Freie"  Software  ist  keine  Keimform  einer
postkapitalistischen  Gesellschaft -  wie jedoch  von Stefan Meretz  und Co.
behauptet  wird -, denn  in einer  Gesellschaft der Totalität  der Warenform
kann es keine Produktion geben, die sich von den Kategorien des Tausches und
des  Werts  befreit.

Wenn die Totalität so total ist, dann verstehe ich nicht, wie
Christian aus dieser Totalität ausbrechen und so etwas überhaupt
denken kann. Das ist eigentlich total unmöglich.

Eine  ökonomische  Keimform einer  postkapitalistischen
Produktion  dürfte nicht  unter das  Kapital subsumierbar sein.

Dann wüßte ich gerne, wie so etwas aussehen könnte. Letztlich ist
jegliche nützliche Produktion vom Kapital irgendwie nutz- und damit
wohl dann auch subsumierbar. Aber Christian meint ja eigentlich
ohnehin, daß es keine ökonomische Keimform geben kann und mit solchen
a priori unerfüllbaren Bedingungen kann er das dann auch beweisen.

Eine   postkapitalistische  Produktion   müßte  eine   sein,  bei   der  die
kapitalistischen  Kategorien der  Ware,  der Leistung,  der Konkurrenz,  der
Lohnarbeit,  des  Tauschwertes,  des Profits,  des  Kapitals  und des  Werts
vollständig aufgehoben  sind.

Ja genau, das die voll entwickelte Form. Freie Software bietet all das.
In der kapitalistischen Umgebung halt als Keimform, die sich von der
entwickelten Form unterscheidet wie der Samen von der Blüte.

Diese Produktion kann  in der Gesellschaft der
totalitären   Waren-   und  Wertform   jedoch   nicht  antizipiert   werden,
entsprechende   Versuche   einer   Gegenökonomie   (seien  es   Tauschringe,
selbstverwaltete  Betriebe oder  "freie"  Software) verharren  immer in  der
bürgerlichen  Zwangsgesetzlichkeit  des Tausches.

Ja, wo wird denn jetzt im Kern der Freien Software konkret getauscht?
Wenn ich ein Progrämmi bastele und auf eine Web-Seite stelle, was
kriege ich denn dann als Tauschäquivalent wenn es jemensch saugt?
Nichts!

Irgendwie scheint mir Christians zweite Hauptargumentationslinie, daß
es keine ökonomische Keimform geben kann, auf ebenso schwachen Füßen
zu stehen wie die erste.

Doch,  darum  ginge  es  einzig  und  allein,  denn es  gibt  keine  bessere
Warengesellschaft, genausowenig wie es ein besseres Kapital gibt.

Das merken wir uns für später...

Ein  anderer  Aspekt  der Verwertung  "freier"  Software  sind Projekte  wie
Mozilla.  Dabei  wurde  der  Sourcecode des  Internetbrowsers  Netscape  zur
Weiterentwicklung veröffentlicht.  Die Strategen von  Netscape erhoffen sich
dadurch, daß  sie mit  Hilfe der "freien"  SoftwareentwicklerInnen den Markt
für  Webbrowser monopolisieren  können und  dadurch einen weiteren  Schub an
Popularität  und  damit  an Profit  beim  Verkauf  von Webservern  erfahren.
Netscape verkauft  nicht nur  Webserver und Software,  sondern betreibt auch
eine  eigene  virtuelle  Shopping-Mall.  Die  Fusion von  Netscape  mit  dem
weltweit  größten  Onlinedienst  AOL  bedeutete einen  weiteren  Schritt  in
Richtung der Konvergenz von Content- und Infrastruktur-Providern. Die Lizenz
von Mozilla  (Mozilla Public License, MPL)  kann zwar im Sinn  der GPL nicht
als   "freie"   Software   betrachtet   werden,   da   sich   Netscape   die
Kommerzialisierung der  Ergebnisse vorbehält,  dies stellt jedoch  nicht den
wesentlichen   Aspekt  dar,   da   grundsätzlich  jeder   GPL-Software  eine
Verwertungsoption immanent  ist. Dies  wird schon daran  ersichtlich, daß in
dieser Lizenz davon gesprochen  wird, daß es möglich ist, für "Kopien freier
Software [...]  etwas [...] zu  berechnen". Oder wenn es  heißt: "Sie dürfen
für den eigentlichen Kopiervorgang eine Gebühr verlangen". Von Bedeutung ist
vielmehr, daß Projekte wie  Mozilla symptomatisch für die neue Strategie des
softwareindustriellen  Kapitals sind:  Die  Suche nach  Leuten, die  Spaß am
Produktionsprozeß  haben und  möglichst  gratis arbeiten,  um den  variablen
Kapitalanteil zu senken und  die Produktivität zu erhöhen. Tatsache ist, daß
es  diese Projekte  gibt,  daß sie  für sich  beanspruchen,  daß es  sich um
"freie"  Softwareproduktion  handelt  und daß  sich  hier  Teile der  "Free"
Software-Community     als    IdiotInnen     des     Kapitals    engagieren.

Tatsache ist, daß dieser Versuchsballon die Freie-Software-Community
für Kapitalinteressen zu instrumentalisieren, heute wohl im Großen und
Ganzen als gescheitert betrachtet werden kann. Irgendwie ist
Christians Analyse scheinbar noch ausbaufähig.

Meretz  und Co.  sprechen von  der "freien" Softwareproduktion  als Keimform
einer anderen Gesellschaft. Vor  allem auch aus dem Grund, da sie in der Art
und  Weise,   wie  hier  produziert  wird,   eine  Antizipation  zukünftiger
Verhältnisse  des Postkapitalismus  sehen. Es  handle sich um  eine globale,
dezentralisierte, vernetzte,  kollektive Form der  Selbstbestimmung, bei der
die ProsumentInnen (gleichzeitig ProduzentInen und KonsumentInnen) auch noch
Spaß  an  ihrer Tätigkeit  haben.  In der  Tat  ginge es  in einer  anderen,
postkapitalistischen  Gesellschaft um  selbstbestimmte Tätigkeiten  und eine
Form der  Produktivkraftentwicklung, die dem Menschen  ein Maximum an freier
Zeit  garantiert.  Diese Formen  sind  jedoch nicht  antizipierbar, da  dies
hieße, daß  der technische Fortschritt und  die entwickelten Produktivkräfte
nach einem grundlegenden Formwandel der Gesellschaft ungehindert fortgesetzt
werden  könnten und  das Alte  als Neues  einfach übernommen  werden könnte.

Auch hier wieder eine oft zu beobachtende Argumentationsfigur: Dies
und jenes würde bedeuten, daß mein Postulat nicht gelten würde und
deswegen darf es nicht so sein. "Denn das nicht sein darf, was nicht
sein kann" ist wohl ein Grundkonsens, der alle DogmatikerInnen eint.

Ich empfehle einen differenzierten analytischen Blick in die
Wirklichkeit.

(Marcuse 1967,  Der eindimensionale Mensch).

Ach ja, Marcuse. Der wäre bestimmt begeistert gewesen über die Freie
Software. Aber das nur BTW.

Von einer Humanisierung  der Arbeit
und einer Erhöhung der  Macht der Arbeitenden könnten wir nur dann ausgehen,
wenn  es eine  globale Verbesserung  der Lebensverhältnisse  der Arbeitenden
gäbe.

...und hier packen wir das Gemerkte wieder aus: Ähm, gibt es jetzt
doch einen besseren Kapitalismus?...

Im Kapitalismus  bedeutet jedoch  die Verbesserung der  Situation der
einen die  Zunahme des Leids der  anderen.

...puh, gerettet. Dann doch nicht.

Die - sorry, aber jetzt verliere ich langsam meine Nettigkeit -
Fritzchen-Vorstellung vom Kapitalismus, daß hier seit 200 Jahren ein
Nullsummenspiel betrieben wird, und unser Reichtum ausschließlich auf
der Armut der sog. Dritten Welt beruht, das ist doch wirklich
Schwachsinn. Die Industrialisierung hat natürlich auch absolut was
gebracht an Lebensqualität. So viel Lebensqualität hatte die
Menschheit vor 200 Jahren ja insgesamt gar nicht, als das deren
Existenz in den Metropolen durch simplen Raub erklärt werden könnte.

Literatur:

An der Literarturliste fällt mir unangenehm auf, daß Christian
ausschließlich seine eigenen Werke mit Links angibt. In vielen anderen
Fällen steht einfach nur "Internet" da. Leider komme ich nicht umhin
zu interpretieren, daß er Sorge hat, jemensch könnte mit wenigen
Klicks das kriegen worauf er sich bezieht. Bei so einer wackeligen
Argumentation hätte ich das allerdings auch.


Insgesamt bedauerlich finde ich, daß Christians sich die Mühe gemacht
hat, wo wir doch praktisch alles längst diskutiert haben und nach
meinem Dafürhalten unseren Standpunkt nicht nur wesentlich besser
empririsch belegen können, sondern auch noch wesentlich
differenzierter argumentieren und damit der komplexen Realität um
Größenordnungen gerechter werden als Christian.

Ärgerlich finde ich es, daß Christian viele Fraktionen der
Freien-Software-Bewegung in einen Topf wirft und nicht differenziert.
Das ist so, als würde mensch - extrem gesprochen - Faschisten und
Kommunisten in einen Topf werfen und mal von den einen und mal von den
anderen einen Punkt kritisieren.


						Mit Freien Grüßen

						Stefan


________________________________
Web-Site: http://www.oekonux.de/
Organisation: projekt oekonux.de


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