Re: [ox] Literatur
- From: Stefan Merten <smerten oekonux.de>
- Date: Thu, 19 Apr 2001 01:55:42 +0200
Hi Liste!
6 days ago Stefan Meretz wrote:
die Quelle im Netz ist:
http://stud4.tuwien.ac.at/~e9426503/infogestechn/fsw.html
Daraus die folgenden Zitate und meine Kommentare dazu.
Wer Spaß dran hat, kann diese Mail auch gerne irgendwohin forwarden.
Ich konzentriere mich mal auf die wirklich wichtigen Punkte, die noch
nicht in der Liste in diesem Thread erwähnt wurden.
Der Wunschtraum eines jeden Kapitalisten ist die Konvergenz des konstanten
und variablen Kapitals gegen Null. Wird dem Kapital nun neues Wissen quasi
gratis zur Verfügung gestellt, so ist ein Schritt weiter in diese Richtung
getan.
Freie Software, so erkennt Christian richtig, wird dem Kapital genauso
"quasi gratis" zur Verfügung gestellt, wie Ottilie
NormalverbraucherIn. Daß Freie Software in diesem Sinne wie ein
kostenloses öffentliches Gut wirkt, daß ist bei uns in der Liste schon
ganz zu Anfang diskutiert worden. Bei uns wurde das als (notwendiges)
Randphänomen im Grenzbereich zwischen Kapital und Freier Software
charakterisiert wenn ich das richtig erinnere.
Was Christian - übrigens in seiner ganzen Argumentation - außer
Betracht läßt, ist, daß nicht nur das "böse" Kapital, sondern auch
ganz ordinäre Privatmenschen, wie er, ich oder mit ein bißchen Glück
auch eine SozialhilfeempfängerIn in den Genuß diesen öffentlichen Guts
kommen können. Finde ich nicht vernachlässigbar.
"Quasi gratis" muß er BTW sagen, weil er weiter unten argumentiert,
daß andere Kapitalgruppen mit Freier Software munter akkumulieren. Da
kommt sich seine Argumentation schon ein wenig selbst ins Gehege.
Die GPL verhindert zwar, daß das dort verfügbar gemachte Wissen von
Softwarekonzernen mit IPR belegt und damit auf einfache Art und Weise
vermarktet wird. Es verwundert aber nichtsdestotrotz nicht, daß das
softwareindustrielle Kapital die "freie" Softwareentwicklung immer häufiger
als positiv erachtet.
Nun, ich weiß nicht, welche Quellen er da hat, aber nach meiner
Wahrnehmung ist es gerade *nicht* das softwareindustrielle Kapital,
was in der ganzen Breite Freie Software so rasend begrüßt. Viele
etablierte Firmen portieren ihre (kommerzielle) Software auf Gnu/Linux
um Kundenwünschen zu entsprechen. Einige Software-Firmen portieren aus
diesem oder jenem Grund auf Gnu/Linux. Aber nach meiner Wahrnehmung
sind das vor allem Firmen, die (noch) keine direkte Konkurrenz in der
Freien Software haben. Wenn Oracle z.B. irgendwann mal durch eine
Freie Datenbank getoppt wird, werden die da auch ein Problem mit der
Freien Software kriegen.
Der härteste Konkurrent für Freie Software ist derzeit sicher M$, weil
Gnu/Linux im genau gleichen Nutzungssegment liegt wie der teure
Schrott aus Redmond. Und daß M$ - als immerhin eine der reichsten
Firmen der Welt - Freie Software nicht gerade als positiv erachtet,
dürfte nun wirklich hinlänglich bekannt sein. Finde ich nicht
vernachlässigbar diesen kleinen Widerspruch in der Empirie.
In der Tat sind es nach meiner Wahrnehmung eher Hardware-Firmen, die
Freie Software richtig heavy unterstützen - allen voran IBM.
Leider stützt Christian seine eine Hauptargumentationslinie auf genau
dieses etwas brüchige Argument.
Denn als Quelle von marktfähigen Innovationen und
neuen Ideen, die einfach auf anderen Plattformen oder in anderen
Programmiersprachen als GNU/Linux in leicht veränderter Form
nachprogrammiert werden können, taugt die "freie" Software allenfalls.
Auch hier wieder der Charakter des öffentlichen Guts (aus dem Menschen
übrigens auch lernen können - hatte er in seiner Charakterisierung
unterschlagen). Geschenkt.
Wichtiger wären mir Belege für seine Behauptung, daß Freie Software
kommerziell nachprogrammiert wird. Mir ist da eher der andere Vorwurf
bekannt - insbesondere für Gnu/Linux -, daß Freie Software nicht
wirklich innovativ sei, da Unix als Design-Grundlage schon vorher
existiert habe.
Über
gratis zur Verfügung gestelltes Wissen, daß wenn schon nicht direkt, dann
wenigstens indirekt vermarktbar ist, müßte sich eigentlich jeder Kapitalist
freuen. Die freien SoftwareentwicklerInnen werden damit zu den IdiotInnen
der Ware und des Wertes,
Die Kritik am Charakter des öffentlichen Guts zugespitzt. Folgerichtig
aber leider ist die empirische Basis dafür m.E. nicht da.
die davon träumen, sich beim Programmieren selbst
zu bestimmen
Das finde ich ein bißchen hart. Welche Kapitalgruppe bestimmt mich
denn, wenn ich mich schnell hinsetze und ein Stückchen (Freie)
Software bastele, weil ich es gerade brauche? Christians Argumentation
zu Ende gedacht bedeutet, daß ich als ordentlicher Revolutionär
aufpassen muß, daß auch niemensch ein Fitzelchen meiner Arbeit
bekommen kann, da es in Kapitalhände fallen könnte. Oder ich
verschenke nur gegen Non-Disclosure-Agreements. Ja genau: NDAs und
Software-Patente sind wahrhaft revolutionär...
Wann, so könnte ich Christian fragen, träumt denn ein Mensch nicht nur
davon selbstbestimmt zu sein, sondern ist es wirklich? Erst nach der
Revolution?
Immerhin erstellen - und dazu gehört nicht nur kodieren BTW -
EntwicklerInnen Freier Software die Software aus keinen anderen
Gründen als ihren je eigenen. Jede Menge Freie Software, die für das
Kapital völlig uninteressant ist, mögen belegen, daß Kapitalinteressen
eben nur zufällig als Seiteneffekt eines größeren Prozesses mitbedient
werden. Und der größere Prozeß hat als zentrale Säule eben tatsächlich
die Selbstentfaltung der AkteurInnen.
und sich der kapitalistischen Verwertungsmaschinerie zu
entziehen.
Davon träumt in der Freien-Software-Community eigentlich niemensch.
Wie Christian weiter unten die OSI (`http://www.opensource.org/')
richtig zitiert, ist es tendenziell eigentlich eher umgekehrt, daß sie
die Freie Software in den Markt reintegrieren wollen. Daß bei diesem
Versuch die seltsamsten Verrenkungen herauskommen, finde ich übrigens
nicht verwunderlich.
Die GPL verunmöglicht nicht, daß sich "freie" Software als Ware gegen Geld
tauscht und Teil eines Akkumulationsprozesses wird.
Nicht die Freie Software ist Teil eines Akkumulationsprozesses,
sondern...
Natürlich: Wird eine
"freie" Software von jemandem verkauft, so muß er den Sourcecode freigeben,
und die Anzahl der verkauften Exemplare wird daher eher beschränkt bleiben,
da z.B. ein Käufer beliebig viele Kopien der Software verschenken kann. Die
Basis der Kapitalakkumulation mit "freier" Software stellen daher eher
Archive dar, die viele "freie" Programme bündeln und auf CD-ROM oder über
das Internet vertrieben werden. Bei diesem Akkumulationsprozeß kann der
konstante und variable Kapitalanteil äußerst gering gehalten werden, da das
benötigte Wissen frei verfügbar und verwertbar ist. Die Produktion dieses
Wissens ist keine produktive, d.h. mehrwertschaffende Arbeit, im Marxschen
Sinn, da sich hier keine Arbeitskraft gegen Geld tauscht.
...genau diese Zusatzarbeit, die die Distributoren zu der Freien
Software hinzugeben. Eine Distribution zusammenzustellen ist nämlich
durchaus nicht trivial und genau die darin - und in CD-Pressung,
Marketing, Telefon-Support, Buch - steckende Arbeitskraft tauscht sich
gegen Geld.
Wichtiger als diese falsche Kategorisierung der Arbeitsleistung
scheint mir aber, daß dieser von Christian vermutete
Akkumulationsprozeß empirisch nicht nachweisbar ist. Tatsächlich gibt
es in USA und Europa zwei große und einige kleinere
Gnu/Linux-Distributoren. SuSE (`http://www.suse.de/') als der große
europäische Distributor beschäftigt laut eigener Web-Site 500 Menschen
weltweit (`http://www.suse.de/de/suse/jobs/index.html'). Da ist M$ -
um ein krasses Beispiel zu nennen - aber nicht nur in der
MitarbeiterInnen-Zahl wesentlich heftiger. Und ich habe nicht den
Eindruck, daß sich die Menschheit jetzt noch unglaublich viele
Distributoren wünscht, denen sie ihr Geld in den Rachen werfen können.
Nee, nee, Freie Software als Motor der Kapitalakkumulation ist wohl
eher ein Treppenwitz der Börsengeschichte. Das haben sogar die
Börsianer mittlerweile erkannt und die Kurse der Linux-Firmen kräftig
eingedampft.
Das variable
Kapital tendiert gegen Null, die "freien" SoftwarentwicklerInnen arbeiten
quasi gratis für das Kapital. Es fallen vorwiegend konstante Kapitalkosten
an und Kosten für die Pressung der CD-ROMs bzw. für die Aufbereitung der
Daten, um sie virtuell zu vertreiben. Das immaterielle, sich in der Software
vergegenständlichende Wissen bekommt mit einem materiellen Träger eine
Basis, mit der die Kapitalakkumulation einfacher möglich wird. Geld tauscht
sich in dieser Phase gegen Waren, Investitionskapital ist nötig, kann aber
sehr gering gehalten werden. Der Profit, der hier gemacht wird, entspringt
daraus, daß die "freien" SoftwareentwicklerInnen quasi gratis für das
Kapital arbeiten.
Auch hier bleibt Christian empirische Belege schuldig - kein Wunder,
tritt doch in der Realität eher das Gegenteil ein. Tatsächlich zeigt
das Beispiel der Firma Corel, die eine eigene Distribution herausgeben
wollten, ohne sich streng an die GPL zu halten, daß sich die
Freie-Software-Community eben gerade *nicht* vor den Karren
irgendeines Einzelkapitals spannen läßt. Firmen, die Freie Software
simpel ausbeuten wollen, scheitern.
Natürlich kann dann jedeR KäuferIn die
Programme selbst weiterentwickeln oder an jemanden Kopien verschenken. Dies
hindert aber tausende KäuferInnen nicht daran, für ein derartiges Archiv,
das auf CD-ROM oder über das Internet vertrieben wird, Geld zu bezahlen.
Durch spezielle Softwarebonbons, bei denen der Sourcecode auch "unfrei" sein
kann, kann der Kaufanreiz zusätzlich angeregt werden.
Was zwar denkbar, in der Praxis aber eher unüblich ist. Auch hier
fehlt der Realitäts-Check.
Ein Beispiel für ein derartiges Archivprodukt ist das "freie" Betriebssystem
FreeBSD. Man/Frau kann es sich entweder gratis über das Internet
herunterladen oder eine CD-ROM-Version kaufen. Geld kostet beides, denn
Verbindungsgebühren für einen stundenlangen Download fallen bei der ersten
Variante an, 40 Dollar plus ca. 50 Dollar Porto und Verpackung (da nur
Versendung mit DHL Worldwide Express) plus Zollgebühr bei der zweiten.
Passend zur CD-ROM gibt es auch das Benutzerhandbuch um 40 Dollar und ein
spezielles Paket (CD-ROM, Buch plus Spezialprogramme) um 130 Dollar
(exklusive Porto, Verpackung, Zollgebühr). Ein Gegenargument wird lauten,
daß dies immer noch billiger ist als eine Windows-Vollversion, bei der
zusätzlich der Quellcode nicht verfügbar ist. Das wesentliche ist jedoch,
daß für beides bezahlt werden muß und daß für beides tausende Menschen
tatsächlich bezahlen. Ganz schön frei diese kapitalistische
Warengesellschaft!
Wie Christian die Bedeutungen des Wortes "frei" je nach Kontext
variiert möchte ich mir ersparen, näher zu erörtern. Da passiert
leider eine begriffliche Unsauberkeit nach der anderen. Hier finde ich
es aber besonders kraß: Frei heißt *eben nicht* kostenlos.
Keimform des Postkapitalismus oder Verwertung "freier" Software?
Die Warengesellschaft tendiert dazu, total zu werden. Alles und jedes ist
unter das Kapital subsumierbar, auch in einer Zeit der ökonomischen
Dauerkrise schreitet die Durchkapitalisierung der Gesellschaft rastlos
voran. Das Kapital ist unersättlich in seiner Suche nach neuen
Verwertungssphären.
Ja. Aber ob es fündig wird, darüber hat nicht nur das Kapital sondern
auch ein kleines bißchen die Realität zu entscheiden.
Der Bereich der "freien" Software ist eine besonders
interessante, da es hier Menschen gibt, die gratis arbeiten und dies als
emanzipatorisch betrachten.
In gewisser Hinsicht ist es für die EntwicklerInnen Freier Software
genauso emanzipatorisch, wie für einen Hausmenschen Mittagessen zu
kochen. So sehen das auch viele: Notwendigkeit kombiniert mit Spaß an
der Sache.
"Freie" Software ist keine Keimform einer
postkapitalistischen Gesellschaft - wie jedoch von Stefan Meretz und Co.
behauptet wird -, denn in einer Gesellschaft der Totalität der Warenform
kann es keine Produktion geben, die sich von den Kategorien des Tausches und
des Werts befreit.
Wenn die Totalität so total ist, dann verstehe ich nicht, wie
Christian aus dieser Totalität ausbrechen und so etwas überhaupt
denken kann. Das ist eigentlich total unmöglich.
Eine ökonomische Keimform einer postkapitalistischen
Produktion dürfte nicht unter das Kapital subsumierbar sein.
Dann wüßte ich gerne, wie so etwas aussehen könnte. Letztlich ist
jegliche nützliche Produktion vom Kapital irgendwie nutz- und damit
wohl dann auch subsumierbar. Aber Christian meint ja eigentlich
ohnehin, daß es keine ökonomische Keimform geben kann und mit solchen
a priori unerfüllbaren Bedingungen kann er das dann auch beweisen.
Eine postkapitalistische Produktion müßte eine sein, bei der die
kapitalistischen Kategorien der Ware, der Leistung, der Konkurrenz, der
Lohnarbeit, des Tauschwertes, des Profits, des Kapitals und des Werts
vollständig aufgehoben sind.
Ja genau, das die voll entwickelte Form. Freie Software bietet all das.
In der kapitalistischen Umgebung halt als Keimform, die sich von der
entwickelten Form unterscheidet wie der Samen von der Blüte.
Diese Produktion kann in der Gesellschaft der
totalitären Waren- und Wertform jedoch nicht antizipiert werden,
entsprechende Versuche einer Gegenökonomie (seien es Tauschringe,
selbstverwaltete Betriebe oder "freie" Software) verharren immer in der
bürgerlichen Zwangsgesetzlichkeit des Tausches.
Ja, wo wird denn jetzt im Kern der Freien Software konkret getauscht?
Wenn ich ein Progrämmi bastele und auf eine Web-Seite stelle, was
kriege ich denn dann als Tauschäquivalent wenn es jemensch saugt?
Nichts!
Irgendwie scheint mir Christians zweite Hauptargumentationslinie, daß
es keine ökonomische Keimform geben kann, auf ebenso schwachen Füßen
zu stehen wie die erste.
Doch, darum ginge es einzig und allein, denn es gibt keine bessere
Warengesellschaft, genausowenig wie es ein besseres Kapital gibt.
Das merken wir uns für später...
Ein anderer Aspekt der Verwertung "freier" Software sind Projekte wie
Mozilla. Dabei wurde der Sourcecode des Internetbrowsers Netscape zur
Weiterentwicklung veröffentlicht. Die Strategen von Netscape erhoffen sich
dadurch, daß sie mit Hilfe der "freien" SoftwareentwicklerInnen den Markt
für Webbrowser monopolisieren können und dadurch einen weiteren Schub an
Popularität und damit an Profit beim Verkauf von Webservern erfahren.
Netscape verkauft nicht nur Webserver und Software, sondern betreibt auch
eine eigene virtuelle Shopping-Mall. Die Fusion von Netscape mit dem
weltweit größten Onlinedienst AOL bedeutete einen weiteren Schritt in
Richtung der Konvergenz von Content- und Infrastruktur-Providern. Die Lizenz
von Mozilla (Mozilla Public License, MPL) kann zwar im Sinn der GPL nicht
als "freie" Software betrachtet werden, da sich Netscape die
Kommerzialisierung der Ergebnisse vorbehält, dies stellt jedoch nicht den
wesentlichen Aspekt dar, da grundsätzlich jeder GPL-Software eine
Verwertungsoption immanent ist. Dies wird schon daran ersichtlich, daß in
dieser Lizenz davon gesprochen wird, daß es möglich ist, für "Kopien freier
Software [...] etwas [...] zu berechnen". Oder wenn es heißt: "Sie dürfen
für den eigentlichen Kopiervorgang eine Gebühr verlangen". Von Bedeutung ist
vielmehr, daß Projekte wie Mozilla symptomatisch für die neue Strategie des
softwareindustriellen Kapitals sind: Die Suche nach Leuten, die Spaß am
Produktionsprozeß haben und möglichst gratis arbeiten, um den variablen
Kapitalanteil zu senken und die Produktivität zu erhöhen. Tatsache ist, daß
es diese Projekte gibt, daß sie für sich beanspruchen, daß es sich um
"freie" Softwareproduktion handelt und daß sich hier Teile der "Free"
Software-Community als IdiotInnen des Kapitals engagieren.
Tatsache ist, daß dieser Versuchsballon die Freie-Software-Community
für Kapitalinteressen zu instrumentalisieren, heute wohl im Großen und
Ganzen als gescheitert betrachtet werden kann. Irgendwie ist
Christians Analyse scheinbar noch ausbaufähig.
Meretz und Co. sprechen von der "freien" Softwareproduktion als Keimform
einer anderen Gesellschaft. Vor allem auch aus dem Grund, da sie in der Art
und Weise, wie hier produziert wird, eine Antizipation zukünftiger
Verhältnisse des Postkapitalismus sehen. Es handle sich um eine globale,
dezentralisierte, vernetzte, kollektive Form der Selbstbestimmung, bei der
die ProsumentInnen (gleichzeitig ProduzentInen und KonsumentInnen) auch noch
Spaß an ihrer Tätigkeit haben. In der Tat ginge es in einer anderen,
postkapitalistischen Gesellschaft um selbstbestimmte Tätigkeiten und eine
Form der Produktivkraftentwicklung, die dem Menschen ein Maximum an freier
Zeit garantiert. Diese Formen sind jedoch nicht antizipierbar, da dies
hieße, daß der technische Fortschritt und die entwickelten Produktivkräfte
nach einem grundlegenden Formwandel der Gesellschaft ungehindert fortgesetzt
werden könnten und das Alte als Neues einfach übernommen werden könnte.
Auch hier wieder eine oft zu beobachtende Argumentationsfigur: Dies
und jenes würde bedeuten, daß mein Postulat nicht gelten würde und
deswegen darf es nicht so sein. "Denn das nicht sein darf, was nicht
sein kann" ist wohl ein Grundkonsens, der alle DogmatikerInnen eint.
Ich empfehle einen differenzierten analytischen Blick in die
Wirklichkeit.
(Marcuse 1967, Der eindimensionale Mensch).
Ach ja, Marcuse. Der wäre bestimmt begeistert gewesen über die Freie
Software. Aber das nur BTW.
Von einer Humanisierung der Arbeit
und einer Erhöhung der Macht der Arbeitenden könnten wir nur dann ausgehen,
wenn es eine globale Verbesserung der Lebensverhältnisse der Arbeitenden
gäbe.
...und hier packen wir das Gemerkte wieder aus: Ähm, gibt es jetzt
doch einen besseren Kapitalismus?...
Im Kapitalismus bedeutet jedoch die Verbesserung der Situation der
einen die Zunahme des Leids der anderen.
...puh, gerettet. Dann doch nicht.
Die - sorry, aber jetzt verliere ich langsam meine Nettigkeit -
Fritzchen-Vorstellung vom Kapitalismus, daß hier seit 200 Jahren ein
Nullsummenspiel betrieben wird, und unser Reichtum ausschließlich auf
der Armut der sog. Dritten Welt beruht, das ist doch wirklich
Schwachsinn. Die Industrialisierung hat natürlich auch absolut was
gebracht an Lebensqualität. So viel Lebensqualität hatte die
Menschheit vor 200 Jahren ja insgesamt gar nicht, als das deren
Existenz in den Metropolen durch simplen Raub erklärt werden könnte.
Literatur:
An der Literarturliste fällt mir unangenehm auf, daß Christian
ausschließlich seine eigenen Werke mit Links angibt. In vielen anderen
Fällen steht einfach nur "Internet" da. Leider komme ich nicht umhin
zu interpretieren, daß er Sorge hat, jemensch könnte mit wenigen
Klicks das kriegen worauf er sich bezieht. Bei so einer wackeligen
Argumentation hätte ich das allerdings auch.
Insgesamt bedauerlich finde ich, daß Christians sich die Mühe gemacht
hat, wo wir doch praktisch alles längst diskutiert haben und nach
meinem Dafürhalten unseren Standpunkt nicht nur wesentlich besser
empririsch belegen können, sondern auch noch wesentlich
differenzierter argumentieren und damit der komplexen Realität um
Größenordnungen gerechter werden als Christian.
Ärgerlich finde ich es, daß Christian viele Fraktionen der
Freien-Software-Bewegung in einen Topf wirft und nicht differenziert.
Das ist so, als würde mensch - extrem gesprochen - Faschisten und
Kommunisten in einen Topf werfen und mal von den einen und mal von den
anderen einen Punkt kritisieren.
Mit Freien Grüßen
Stefan
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