Re: [ox] Literatur
- From: Horibbeck aol.com
- Date: Fri, 13 Apr 2001 10:24:15 EDT
In einer eMail vom 13.04.01 11:11:22 !!!First Boot!!! schreibt
benni cs.uni-frankfurt.de:
Als erstes warne ich vor dem typischen Rechthaber-Reflex
(incl. beleidigt in der Ecke stehen), der in einem
Land ohne Streitkultur zwar verständlich aber unkonstruktiv ist.
Starker Tobak - OK. Aber kreatives Streiten kann durchaus Spaß machen,
besonders wenn eine Kritik fundiert ist und sich ernsthaft dem Disput
stellt!
Ich bin der letzte, der sich einem kreativen Streit entzieht, aber
Christian Fuchs ist übrigens auch rechthaberisch bis dogmatisch, z.B.
wenn er
gebetsmühlenartig wiederholt, daß im totalitären Kapitalismus NICHTS (!)
emanzipatorisches antizipierbar sein kann (außer kritische
Dazu fällt mir noch auf, daß Fuchs einen Absatz vorher schreibt:"Die
Warengesellschaft TENDIERT (Hervorhebung von mir) dazu, total zu
werden. Sie ist also auch seiner Meinung nach nur prinzipiell totalitär.
In der konkreten Realität könnte emanzipatorische Praxis also durchaus
ansetzen, wo der lange Arm des Kapitals noch nicht oder nicht mehr (?)
hinreicht.
> und daß erst die "Warengesellschaft in ihrer Gesamtheit
> beseitigt" sein muß durch eine "politische Aufhebungsbewegung", wo doch
Politik selbst aufgehoben gehört!?? -- Wo aber dann einen Anfang finden???
Ich sehe die Frage der Keimformen im Kapitalismus mitnichten für so
negativ entschieden wie bei Fuchs, sondern für erstrangig
diskussionswürdig.
Ack. Das ist bei ihm ein völlig unbegründetes Dogma. Ich verstehe
das Gefühl der Ohnmacht gegenüber der Totalität des Kapitalismus ja
durchaus, nur was ich nicht verstehe ist, wie man daraus solche
Dogmen stricken kann.
btw: Hältst Du mich auch für dogmatisch nur weil ich "Starker Tobak"
Nein!
Das wäre dann doch
wohl auch wieder starker Tobak ;-)
Da besonders wichtig (und aktuell), etwas ausführlicher:
Es wird nicht das "böse" Kapital mit Antisemitismus gleichgesetzt. Fuchs
zeigt lediglich die Analogie auf zwischen den Gegensatzpaaren raffendem
u.
schaffendem Kapital und "bösem" monopolistischem u. "gutem" nicht
monopolistischem Kapital und daß darin unterschwellig Antisemitismus
steckt.
Schnell ist man nähmlich bei unproduktivem, also schmarotzendem Kapital
oder
bei Schmarotzertum ganz allgemein!
Als Projektion auf Hassobjekte kann sodann die unverstandene abstrakte
strukturelle Destruktivität des Kapitalismus konkret werden. Als
"konkrete"
Hassobjekte fungieren dann für wildgewordene bürgerliche Konkurrenzhyänen
(sich geradezu aufdrängend) Juden, Ausländer, Frauen, faule Arbeitslose,
Obdachlose, Behinderte, Schwule, unheilbar Kranke, Alte etc. etc., in
letzter
Konsequenz lebensunwertes Leben überhaupt. (wie gehabt)
Dem völkischen deutschen Nationalismus ist der rassistische
Antisemitismus
ganz besonders eigen. Unsere GANZE Gesellschaft ist davon durchsetzt, und
damit jeder einzelne von uns, und seien wir noch so fortschrittlich
gesinnt!
Eine Warnung an dieser Stelle kann also nur nützen.
Das ist ja alles gut und richtig. Nur ist bei Fuchs das alles
schablonenhaft runtergebetet und alles einmal durchgerührt und
undifferenziert nebeneinandergestellt. Es handelte sich da
keineswegs um eine gutgemeinte Warnung in Deinem Sinne, sondern eher
um ein Standardargument nach Schema F, das man einem missliebigen
Streitpartner mal so eben schnell "kreativ" um die Ohren hauen kann.
Du schimpfst hier nur wütwend 'rum. Das bringt's nicht.
Und was das Durchsetzen der ganzen Gesellschaft angeht und jedes
einzelnen: Woher willst Du das wissen? Kannst Du in meinen Kopf
Kann ich nicht, mir reichen da die Überraschungen meines eigenen Kopfes.
Aber Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus unserer Gesellschaft allgemein
spiegelt sich zwangsläufig auch speziell in jedem einzelnen Individuum
wieder. Die Frage ist nur noch: wie im konkreten Einzellfall und wie
selbstkritisch gehen wir damit um?
Kannst Du mir irgendeine Argumentation von mir zeigen, wo
das deutlich geworden wäre? Wäre ja mal ein interessantes
Experiment. Das Archiv der Mailingliste sollte ja genügend Stoff
Ich will hier niemandem etwas beweisen. Ich wollte Dich auch nicht
angreifen. Aber ein Tabu-Thema darf es auch nicht sein. Dafür ist es
zu wichtig. Und so abwegig, daß es unerwähnt bleiben kann, ist es
auf keinen Fall.
Ganz abgesehen davon, dass niemand hier Kapital in "böse" oder
"gut" einteilt,
Gemeint ist hier wohl der besonders böse Feind MS.
Der ist zwar groß, aber es handelt sich trotzdem nur um die Spitze
des Eisberges.
MS wird in dem Text kein einziges mal erwähnt wenn ich mich richtig
erinnere. Woher soll man also ahnen, dass das gemeint sei? Ich bin
Außerdem würde ich tatsächlich auch darauf bestehen, dass es Firmen
gibt, die eine schädlichere und skrupellosere Politik machen als
andere. Das Firmen wie Sun oder Apple, wenn sie in der Lage von MS
wären, möglicherweise genauso handeln würden, ist eine andere Frage.
Natürlich kann es nicht darum gehen ein Monopol durch ein anderes zu
ersetzen. Und natürlich sind Monopole eine fast schon zwangsläufige
Entwicklung des Kapitalismus, aber deswegen sind Monopole trotzdem
als solche schädlicher als konkurrierendes Kapital. Der Witz besteht
ja gerade darin, dass das Ziel der Konkurrenz im Kapitalismus immer
das Monopol ist.
Noch etwas anderes, was mich an Fuchsens Text gestört hat:
- "Tausch" wird generell abgelehnt. Das ist in meinen Augen absurd.
In Fuchsens heiler Welt sind wir dann alle Selbstversorger oder wie
- "Konkurrenz" wird ebenso generell abgelehnt. Auch das halte ich
für einen Fehler. Es gibt so etwas wie kooperative Konkurrenz,
gerade dann, wenn der Kapitalismus mal nicht direkt wirksam ist. Das
zeigt sich bei jedem beliebigen Sport- oder Gesellschaftsspiel.
Beide Kategorien sind deutlich älter als der Kapitalismus und sie
als kapitalistische Kategorien zu verstehen ist eben "starker
Tobak". Was nicht heissen muß, das beides nicht vom Kapitalismus
Genau! Allein kapitalistisch sind diese Kategorien nicht. Es gab
sie schon immer in der Vergangenheit. Was nicht heißen muß,
daß es sie auch weiter in alle Zukunft geben muß.
Tausch als Emanzipation von der Geldwelt mißverstanden kann
doch nur abgelehnt werden als bloßes Zurück in vorkapitalistische
Zeiten. Wenn ich das richtig verstanden habe, werden in der
Linux-Community ja gerade nicht gleichsam pfennigfuchserisch
gleichwertige Leistung getauscht. Was (mich) hier begeistert ist
die keimhaft wertfreie Form der Produktion.
In einer Art Selbstversorgung gibt jeder so viel er kann und jeder
kriegt, was er braucht. Im konkreten Fall ein stabiles Betriebs-
system. Das Tauschprinzip ist hier tendenziell (keimhaft)
aufgehoben, genau wie das Konkurrenzprinzip, in dem als einziger
Möglichkeit die Entfaltung des einen immer nur auf Kosten
des anderen denkbar ist.
Wie z.B. bei Sport und Gesellschaftsspielen, (wo es nur
Gewinner und Verlierer gibt) die hier bestens als ständige
Einübung bürgerlicher Konkurrenzideologie funktionieren)
MfG,
Horst