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[ox] [Fwd: "Arbeit - auf Teufel komm raus?"]



Hi all,

nochmal ein indirekter Kommentar zur Frage, ob man seine/n Chef/in
wählen können soll, eine Alternativklitsche aufmacht oder eine
"Freie-Software-Firma" gründet.

Ciao,
Stefan

-------- Original Message --------
Betreff: "Arbeit - auf Teufel komm raus?"
Datum: Wed, 11 Apr 2001 23:03:24 [PHONE NUMBER REMOVED]
Von: Peter Bußfeld <peter.bussfeld fh-duesseldorf.de>
An: Krisis-Mailingliste <list krisis.free.de>

Aus: "Junge Welt" 12.04.2001

Sich den Müßiggang erarbeiten
Es gibt ein Leben jenseits der Lohnplackerei, erfuhr man im
sächsischen
Landtag

Denn in Oblomow verkörperte sich nicht nur der Gutsbesitzer, sondern
auch der Bauer, und nicht nur der Bauer, sondern auch der
Intellektuelle, und nicht nur der Intellektuelle, sondern auch der
Arbeiter und der Kommunist.« Der hier so schimpfte, hieß Wladimir
Iljitsch Lenin. Der so Beschimpfte war der Titelheld eines Romans
von
Iwan Gontscharow, Ilja Oblomow. Lenin erschien der sein Leben
schlafend
oder sinnierend auf dem Diwan verbringende Oblomow als das Beispiel
für
die russische Trägheit und Schwermütigkeit, die einer Entwicklung
des
aktiven revolutionären Subjektes entgegenstanden.

In Verbindung mit der Eröffnung der Ausstellung »Arbeit - auf Teufel
komm raus?« organisierte die sächsische PDS- Landtagsfraktion für
letzten Dienstag in Dresden einige Vorträge unter dem abschreckenden
Titel »Politische Strategien für eine menschenwürdige Gestaltung von
Arbeit und Leben«. Sollte diese wahlweise langweilige bzw.
furchteinflößende Sprache Interessenten von der Teilnahme abgehalten
haben, wäre das schade, denn nicht die zu erwartenden Hohelieder auf
Lohnarbeit und Vollbeschäftigung waren zu hören. Immerhin zwei der
drei
Vorträge räumten mit dem hierzulande quer durch die Gesellschaft
gepflegten, quasireligiösen Arbeitsethos auf, wonach nur derjenige
etwas
zählt, der im Sinne der kapitalistischen Verwertungsökonomie etwas
leistet. Nicht der einzelne Mensch ist ein Wert an sich, sondern
dessen
ökonomische Verwertbarkeit. Augenfällig wird diese Sprache gewordene
Unmenschlichkeit vor allem in dem von allen Modernisierern und
Reformern
gern gebrauchten Wort »Humankapital«.

Insbesondere Erich Ribolik von der Uni Wien erregte mit seiner
konsequenten und    streng antikapitalistischen Verneinung der
»Zurichtung des Menschen als Arbeitstier« und des »vom Arbeitsethos
paralysierten Denkens« bei den knapp 60 Zuhörern teilweise heftiges
Staunen. Als er dann gleich noch den Alternativ- und anderen
Pfriemel-Ökonomen sowie deren idealistischen »dritten Sektor« die
Überwindung    kapitalistischer, somit unmenschlicher Verhältnisse
mit
kapitalistischen Mitteln vorwarf, wurden die Traditionalisten mit
ihrer
Argumentationsmelange aus Buchhalterei und Schwarmgeist gänzlich
aufgeregt. Denn, so Ribolik, mit dem »dritten Sektor« würden weitere
Lebensbereiche - ob gewollt oder nicht - der Ökonomie der
Verwertbarkeit
unterworfen. Und wie die Geschichte zeigt, wird in der vermeintlich
alternativen Wirtschaft zu Bedingungen gearbeitet, was Lohn und
Arbeitszeit anlangt, die außerhalb jeder Diskussion stehen. Trotz
der
Aufregung der Arbeitsfetischisten fiel das Kreuz nicht von der Wand
des
CDU-Fraktionsraumes, in dem die Veranstaltung stattfand, als Ribolik
auf
die christliche Symbolik zu sprechen kam. Erstaunlich sei, wie tief
diese »Überhöhung der Ideologie der Unterdrückung«, womit er die
lohnabhängige Plackerei meinte, in der Arbeiterbewegung verankert
sei.
Aufgeladen mit religiösen Symbolen, etwa »Arbeit als Heiland«,
scheint
die Arbeiterbewegung bis heute »nicht nur verdammt zu dieser
verdammten
Tätigkeit, sondern auch dazu, dieser verdammten Tätigkeit
hinterherzulaufen«. Statt weniger Arbeit für alle, was angesichts
begrenzter Lebenszeit des Individuums logisch und nach der
technischen
Entwicklung der letzten Jahre möglich sein würde, forderten
kollektiv
alle Parteien, Gewerkschaften, Regierung und Unternehmer »neue und
mehr
Arbeit für das Land«. Diese große Übereinkunft der gesamten
Gesellschaft
hat nach Ribolik ihre Wurzeln in dem bewußtlosen Glauben an die
Alternativlosigkeit des ökonomischen Systems. So werde Arbeit, egal
wie
unsinnig, unnötig und zerstörerisch sie ist, ein Wert an sich -
abgekoppelt vom Sinn der Bedürfnisbefriedigung. Und selbst das
vermeintlich neutrale Lernen wird, statt Hilfe zur politischen
Mündigkeit zu sein, um die menschenunwürdigen politischen
Verhältnisse
umzustoßen, ein »sinnloses Lernen«, das auf die weitere Zurichtung
des
Menschen zielt. Ein sich Qualifizieren für eine Arbeit, die weder
gebraucht wird noch für das Individuum sinnvoll ist. Und so bedarf
es
heute der Ȇberwindung der Idealisierung der Arbeit jenseits der
Notwendigkeit«, so der Wiener Erziehungswissenschaftler, um den Weg
frei
zu machen für die Befriedigung der Bedürfnisse des Menschen, die
jenseits der kapitalistischen Verwertungslogik liegen. Sein
Anknüpfungspunkt bei Karl Marx ist dessen Wort vom »Reich der
Freiheit«:
»Das Reich der Freiheit beginnt in der Tat erst da, wo das Arbeiten,
das
durch Not und äußere Zweckmäßigkeit bestimmt ist, aufhört; es liegt
also
der Natur der Sache nach jenseits der Sphäre der eigentlichen
materiellen Produktion.«

Jens-Uwe Richter/Gunnar Schubert

Die Ausstellung »Arbeit - auf Teufel komm raus?« ist täglich, außer
am
Wochenende, in den Fraktionsräumen der PDS in Dresden,
Bernhard-von-Lindenau-Platz 1, zu besichtigen. Am 26. April findet
im
Plenarsaal des Landtags unter demselben Titel ein Workshop statt.
Informationen unter Tel.:    [PHONE NUMBER REMOVED] bzw. 4935835.
                                                                   ©
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