Re: Kapitalistische Technik wiederverwendbar? (was: Re(2): [ox] Re: Reproduktion,
- From: f.nahrada magnet.at (Franz J. Nahrada)
- Date: Sat, 10 Feb 2001 10:56:45 +0100
liste oekonux.de- Stefan Merten - schreibt:
Wir sind hier in einer spannenden Diskussion, denn auch Lenin war
von der Professionalität der Fließbandproduktion, Engels vom
Funktionieren der Planetaren Arbeitsmaschine tief beeindruckt.
Nun, das komplexe Zusammenwirken hocharbeitsteiliger Prozesse hat ja
auch eine gewisse Faszination.
Hi Stefan! Ich bin der letzte der das bestreitet. Dennoch hat der
Kapitalismus überhaupt kein Problem damit, die Arbeit nicht zu teilen,
selbst wenn es vernünftig und naheliegend wäre. Auf der einen Seite
die irre globale Gesamtfabrik, auf der anderen Seite die völlige
Unfähigkeit zum Aushandeln lokaler Reproduktionszyklen und
Partnerschaften. Auf der einen Seite Auspowerung, auf der anderen
Seite erzwungene Untätigkeit.
Aber das komplexe Ineinandergreifen in einem Ökosystem fasziniert
dich? Oder alles langweilig?
Nein, das ist höchst spannend, wenngleich auch die Langeweile ein gesundes
Zeichen ist. Die religiöse Anbetung von Ökosystemen übersieht, daß
in der Natur kein Zweck realisiert ist, sondern maximal die Macht der
Gewohnheit. Hegel sprach von der bürgerlichen Gesellschaft als vom
"geistigen Tierreich" etc. Spannend wird es, wenn man das verfahrens-
technische aus der Natur lernt: daß Produktion nicht ein simpler
Prozeß sein kann, sondern ein ständiges Reproduktionsverhältnis
mit hunderten, tausenden aufeinander abgestimmten Prozessen,
daß nur auf diese Art und Weise ein nachhaltiges Produktionssystem
konstruiert werden kann etc. - Aber per se ist die Natur nicht das
Höchste, Symbiosen kommen in ihr höchstens zufällig vor. Erst der
Geist ermöglicht die Transzendierung der biologischen Art und
wirklich schöpferisches Verhalten. Wir sind jetzt durch unsere
Technologie erstmals in der Lage, anders mit Natur umzugehen als
einseitig - brutal; wir können sehen daß Natur selbst eine Fülle von
Technologien enthält, die auch massenhaft wechselseitig Lebensbedingungen
hervorbringen, und das noch dazu gratis. Das habe ich mit dem Vergleich
Programmierung - Entelechie an anderer Stelle auch ausgeführt.
Da ist auch für mich oft die Entscheidung schwer, auf der einen Seite
die unglaubliche Vielfalt der Verfahren und ihre Selbstorganisation
zu bewundern, auf der anderen Seite die Erinnerung aufrechtzuerhalten,
daß in der Interaktion mit diesem System, durch bewußte Gestaltung
von Teilprozessen statt eines Komplett-Engineering, seine Effizienz
und "Rationalität" wesentlich gesteigert werden kann. Da hättest Du
es leicht, mich der Inkonsequenz zu zeihen, eher als beim Globalen Dorf.
Es gibt das Argument "Natur kann man nicht verbessern, höchstens
heilen", dem ich ziemlich unentschieden gegenüberstehe. So ziemlich
alles, was der Mensch braucht, gibt es schon - das ist allerdings
eine revolutionäre Entdeckung. Nur es gibt es eben nicht in der Form,
die wir als vernünftig und brauchbar erachten. Das ist Kultur, und
Kulturlandschaft ist nun einmal kein normales "Ökosystem".
Du schreibst:
Aber das war auch nicht mein Punkt. Mir ging es um den Einsatz und
Erhalt des kapitalistischen Produktionswissens als notwendige
Voraussetzung für die Umformung in eine neue Gesellschaft. Dazu gehört
heute natürlich auch der stoffliche Teil der Logistik - z.B.
Lieferbeziehungen.
und Du wunderst Dich daß ich auch hier ganz hart und bestimmt
sag:
Ich würde ohne jedes Argument dagegenhalten:
mit dem Klump können wir nichts anfangen. Kapitalistische
Technologie und Logistik ist zutiefst destruktiv und von systematischer
Ignoranz durchdrungen.
Dem hältst Du entgegen:
Das würde ich doch differenzierter sehen. Zunächst mal sind die im
Kapitalismus entstandenen Produktionsmittel / Maschinen ja auch
Technik. Klar ist das Profitprinzip in diese Maschinen eingebaut, aber
es gibt denke ich auch erhebliche Teile, wo das nicht so klar ist.
Z.B. nutzt mir das technische Artefakt, über das meine Finger gerade
gleiten, zu durchaus subversiver Tätigkeit - behaupte ich mal so ;-) .
Es wäre natürlich für jeden Einzelfall zu untersuchen, wie das
Verhältnis genau ist und was ggf. zu verändern wäre. Mein Eindruck ist
aber - mal so aus der Hüfte -, daß je moderner die Produktionsmittel,
oder vielleicht je mehr Freiheitsgrade die Technik hat, desto weniger
ist das Profitprinzip da hart und unüberwindlich eingebaut.
Ich finde das einen ganz tollen Ansatz.
Denn der übliche Weg ist umgekehrt: Es wird eben nicht in jedem
Einzelfall untersucht, sondern sehr pauschal Produktivkraft entweder
gelobt oder kritisiert.
Übrigens zur Aufklärung von Mißverständnissen:
ich hab ja auch meine Kicks durch Technologie und vor allem
den Computer - wobei ich eingestandenermaßen ein alter
Macianer bin - bekommen. Das mit den Freiheitsgraden hab ich
bei HyperCard gemerkt, einem Produkt von Apple, das zu einem
kurzen Open Source Frühling in der Mac Welt geführt hat. Denn
der Code in HC war interpretiert und wurde nur nach Bedarf
kompiliert, die Source war immer verfügbar.
(In kurzen Worten: Apple hat die Büchse der Pandora rechtzeitig
wieder zugemacht, denn HyperCard gab tatsächlich dem Benutzer
"zuviele" Freiheitsgrade. Die Freiheitsgrade, sich die eigene
Arbeitsumgebung so einzurichten wie man sie haben wollte.
Solche anspruchsvollen User wollte und konnte man denn doch nicht
supporten.)
Ich habe daraus gelernt, daß die Freiheitsgrade in der neuen Technologie
immanent sind (denn die gehorcht den Grundprinzipien der Auto-
matisierung) und daß gerade deswegen das Profitprinzip bewußt
gegen die Möglichkeiten der Technologie eingebaut werden muß !!!
Es muß verhindert werden, was gleichzeitig das Faszinosum der
modernen Technologie ist: daß der Benutzer eine Fülle von
Fähigkeiten selbst entwickelt und auf die Idee kommt, sich von
seinem Werkzeughersteller zu emanzipieren. Das ist eine spannende
Dialektik, die durch bewußte Verdummungsstrategien (usability,
Multimedia) verstärkt wird.
Das wäre eine lohnende Aufgabe für Technikkritik, ich stimme
Dir grundsätzlich zu und andererseits wieder gar nicht,
indem ich sage, das bewußte Ent-gebrauchswerten von
Produkten war noch nie so im Schwange wie heute. Oftmals
baut man alle Fähigkeiten in die Platine ein und schafft dann
künstliche Blockaden, um verschieden teure Modelle auf den
Markt zu bringen.
Illustration: Hast du bei einer altertümlichen Stanze (stelle ich mir
jetzt mal so vor - bin kein Maschinenbauer) es noch ganz klar, daß der
Mensch eben genau nur als eine Verlängerung der Maschine gedacht
werden konnte - eben weil es die Maschine noch nicht selbst konnte, so
ist das Verhältnis bei einem Industrieroboter doch eher umgedreht: Da
ist die Maschine die Verlängerung der geistigen Fähigkeiten der
Menschen.
Bei den ersteren ist also die Funktion des Menschen klar festgelegt
und völlig unvereinbar mit Selbstentfaltung. Im letzteren Fall könnte
durchaus ein Mensch seine Selbstentfaltung darin sehen, Autos mit
künstlerischer Lackierung versehen zu lassen anstatt eintönigem Uni.
Das zeigt ja sogar schon die Werbung ;-) .
Macht das Sinn?
Solange nicht, als die künstlichen Produktdifferenzierungen
Mittel des Absatzes sind. Ansonsten macht es für mich jede
Menge Sinn, bloß ich frage mich warum es noch immer mehr
Industrieroboter als computergesteuerte Werkstattroboter gibt.
(Nebenbei: Eine Fabrik ist m.E. kein Ort der Selbstentfaltung.)
Ein "Open Source Car" wird doch dafür erdacht, (auch!) unter
intermediären Bedingungen assembliert werden zu können.
Dafür wären aber ganz andere Produktionsformen notwendig,
zu denen uns schlicht die Werkzeuge fehlen.
Aber damit sind wir schon wieder bei der Verkehrsproblematik,
die ja einer der Knackpunkte bei der Gestaltung von vernünftiger
gesellschaftlicher Produktion ist.
Da hab ich auf der Suche nach dem Joghurtbecher einen
interessanten Beitrag gefunden, der demonstriert, wie sehr
unsere Technologie und Logistik das Produkt irrationaler
gesellschaftlicher Umstände ist, unter denen das Profit-
prinzip die oberste Stelle einnimmt...Soll heißen, selbst
unter Beachtung der immanenten Bedürfnisse der
Logistik scheitern doch alle "vernünftigen" Vorschläge
wie der folgende. Schade nur, daß die Techniker immer
solche phantasierenden Realisten sind, anstatt draufzukommen,
warum solche Vorschläge selten was werden.
Das AIVS
Ein Beitrag des AvD - Instituts für Verkehrssoziologie zur
Sitzung des Deutschen Verkehrssicherheitsrates Abteilung
Straßenverkehrstechnik, Berlin, 24.6.2000
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Warum Waren-pipeline Systeme ?
Meine Ware kommt doch aus dem Internet!
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Die Individualgesellschaft schafft einen Anspruch der Kunden
der mit einer Disposition einhergeht, die ein mörderisches
Tempo hat.
Die Werbung suggeriert eine unbegrenzte Leistungsfähigkeit
der Warenanbieter.
DerVersandhandel (Quelle, Otto) liefert und tauscht mittlerweile
binnen 24 Stunden um.
Es gibt nur ein Verkehrsmittel, das dies bisher schafft: Der LKW.
Realität ist aber: Unsere Verkehrsinfrastruktur steht vor dem
Infarkt. Davon unberührt bleibt eine Politik die ohne
Visionen ist. Irgendwie wird es schon weiter gehen, die Telematik
wird es richten, oder das Problem wird als normales
steuerpolitisch zu lösendes Problem angesehen.
Dabei werden die Probleme ignoriert die durch Internet und andere
moderne Verkaufskommunikationskanäle als realer
Verkehrszuwachs noch dazu kommen werden.
(Das Internetauktionshaus - e-bay ? eines von 5 Anbietern hat
monatlich 800.000 Einzelangebote für 800.000 einzelne
Interessenten im Umschlag). Dies kann nur der LKW leisten.
Wie könnte eine echte Antwort auf diese Herausforderung durch
die Verkehrstechnik und die Verkehrssicherheit aussehen?
Zuerst müßte die Verkehrspolitik durch Überzeugungsarbeit
in allen für den Verkehr zuständigen Gremien und
entsprechenden Öffentlichkeitsarbeit zum Konsens für ein
generationenübergreifendes neues Verkehrssystem
gebracht wird, das nach Ansicht des AvD ? Institutes für
Verkehrssoziologie positive Erfahrungen aus der
Vergangenheit mit den Möglichkeiten der Zukunft verbinden kann.
Visionen sind deshalb heute nötiger denn je, denn wir brauchen
Lösungen für den Transit ? Verkehr, für den nationalen Verkehr
und den regionalen Verteilerverkehr und im städtischen
Güterverteilverkehr.
Ich möchte Ihnen heute eine mögliche Verkehrsmittel-Infrastruktur
vorstellen, die im kommunalen Bereich problemlos
schon heute eine echte Alternative zum LKW bietet.
Die Waren- Pipeline
Vorstellbar und realisierbar wäre eine unterirdische "Rohrpost",
eine kleine U- Waren -Bahn mit selbstfahrenden, digital
gesteuerten selbstfahrenden Containern.
Die Pipeline könnte einen Durchmesser mit 1Meter bis 1,40 Meter
haben und elektrisch betrieben, digital und damit
individuell gesteuert werden. Die Größe dieses möglichen Systemes
ist heute bereits gut vorstellbar, wenn man weiß,
daß jede Modelleisenbahn bis zu 400 Züge steuern kann. Das
Modulsystem (FroG) kann dies ebenerdig bereits (Free
range on Ground). Die derzeitig verfügbare Grabungstechnik läßt
problemlos Versorgungspipelinesbau bis zu einer
Tiefe von mehreren hundert Meter zu, ohne daß es zu einer Verzögerung
oder Beeinträchtigung des darüber fahrenden Verkehrs kommt.
Die Dauer einer Grabung ist auch zu bestimmen. Innerhalb eines Monats
gräbt die Technik 1 Km.
Es gibt bereits einen Forschungsverbund der Universitäten von
Berlin und Bochum, die Professoren Dr. Dietrich Stein
und Albrecht Wellmer arbeiten an neuen Antriebskonzepten
und an dem Problem der "Weiche". Die Technik ist vorhanden.
(hier ist dann die übliche Beschwörung, daß es ökonomisch doch
Sinn machen müßte:)
Die Zeit ist reif für diese Alternative, die als neuer Generationen-
auftrag zu konzipieren ist. Anfangs wird es analog zum
Internet nur ein dünnes Netz sein, doch wenn wir heute z.b bei
der Planung eines neuen Industriegebietes, einer
neuen Wohnanlage diese Verbindung zu einen Güterverteilzentrum
mit bauen lassen würden, ist das System durch
seine überzeugenden Vorteile einer deutlichen Reduzierung
des Güterverkehrs förderungswürdig. Für Investoren, z.b
auch die Kurierdienste (ups oder auch die privatisierte Post )
sicher kein Problem, wenn man ihre Ausgaben zum
Beispiel für ein Frachtflugzeug oder ihre Kosten durch Stau und
Verspätungen kennt. Für die kommmunen und Landkreise und
lokale Finanzinstitute wäre dies sicher eine bessere Geldanlage
als z.B. die unsinnigen und unproduktiven Derivatgeschäfte.
Wenn dieses System durch z.b den Einsatz von Gepäckwagen
im gesamten ÖPNV und vor allem durch die Nutzung
der nachts nicht benutzten U- Bahnen, der Straßenbahnen
unterstützt würde und seine Arbeit in wenigen Jahren
aufnehmen wird, wird eine Finanzierung des Systemes
durch einen Transportpfennig, der nicht als Steuer sondern
zweckgebundenund nach Gewicht, (1 Pfg für z.B. einen
Joghurtbecher - 2 Pfg für 1 Pfund Kartoffeln ) gestaltet wird
dies nach Berechnungen des AvD ein Aufkommen von ca. 30-40
Milliarden im Umschlagszeitraum erbringen.
...
Wir sind optimistisch, eine Renaissance der Rohrpost
steht trotz oder gerade wegen e- mail und Internet bevor, warum
also nicht auch den neuen Kühlschrank, den neuen Computer,
den monatlichen Bedarf an Waren direkt in die
Tiefgarage, oder das Straßenverteilzentrum oder auch
in die Firma liefern lassen?
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Jetzt ist natürlich die Frage schwer, ob das spinnös ist oder nicht;
auf jeden Fall sollte es die Gewißheit erschüttern, daß die derzeitige
Logistik das Nonplusultra ist. Eine Kapitalismusdebatte als
Technologiedebatte: das wär nicht nur spannend, sondern auch
höchst angebracht!
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