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Re: [ox] Wieder mal: Vergesellschaftung



Hallo,

da sind wir doch über die Debatte zur Vergesellschaftung tatsächlich
beim Staat gelangt. 
Ralf, wenn ich Dich richtig verstehe meinst Du, wenn die kapitalistische
ökonomische Form der Vergesellschaftung wegfällt, brauchen wir erstmal
immer noch den Staat, damit nicht alles durcheinandergeht...?
Marx oder Engels sprachen dann vom Übergang zur "Verwaltung von Sachen"
statt Herrschaft über Menschen oder so ähnlich. 

Ich glaube aber auch aus theoretischen Gründen (Umgang mit
Komplexität...) nicht daran, daß es Sinn macht, daß was sich die
Menschen dann zu ihrer Selbstorganisierung entwickeln, noch Staat zu
nennen. Den sozialistischen Versuch der nicht-ökonomischen, oft genug
voluntaristischen Steuerung hatten wir ja. Und den sozialistischen als
"demokratischen Rechtsstaat" kann ich mir auch nicht vorstellen, weil
letzterer nun mal unmittelbar mit kapitalistischen
Organisationsprinzipien der Gesellschaft zu tun hat. Vielleicht sollte
man inhaltlich genauer sagen, was man erhalten/behalten will, vielleicht
so was wie 
- Gewaltenteilung, 
- Gewaltmonopol,
- Allokationsfunktion,
- Verwaltung von Sachen (welchen?),
- ... o.ä. 
So konkret kann man dann auch genauer bestimmen, ob wir da mit unseren
neuen Ideen (u.a. aus Freier Software oder dem Konzept Freier
Kooperationen von Christoph Spehr) genauer sagen können, wie und ob
diese konkreten Anliegen dann anders organisiert sein können.

Wie schon zu Stefan gesagt: Sollten sich irgendwann in
ferner Zukunft die Menschen in ihren gesellschaftlichen Verhältnissen so
entwickeln, dass ein Staat nicht mehr nötig ist, werden sie das dann sicher
merken und die Staatstätigkeit wird absterben.

Wer legt fest, welche Menschen das definieren können? Ich merke die
Unnötigkeit des Staates heute schon und nicht erst "in ferner Zukunft". 
Ich hatte mal nachgelesen, an welcher Stelle Marx die "Diktatur des
Proletariats" und den Sozialismus als Übergangsphase in seine Theorie
einfügte (nach der Kommune, vor allem in Kritik des Gothaer Programms).
Es ist für mich dort einfach nicht genügend argumentativ begründet, es
wurde einfach additiv hinzugefügt. Aber irgendwie hat sich das
entsprechende Denkmuster in unseren Köpfen festgefressen, daß man es
sich kaum noch zu hinterfragen traut... 
(ich meine nicht, daß Du für einen Staat der Diktatur des Proletatiats
votierst; ich meine die Denkstruktur, daß es nicht gleich vom
Kapitalismus in den Kommunismus - ohne Staat - hineingehen kann, sondern
daß es erst noch eine "Übergangsstruktur" - mit Staat - geben müsse).
Ich denke, die gesellschaftlichen Bedingungen haben sich - seit Marx,
wenn er für damals Recht hatte - dermaßen geändert, daß vieles ganz
anders aussieht als in seiner damaligen historisch-materialistischen
Analyse (die ich mal doch bei ihm voraussetze, auch wenn die
Argumentation in seinen Schriften diesbezüglich eher dürr ist). 

Der junge Marx reicht für die Analyse der "Vergesellschaftung", wenn man
die individuelle Subjektivität ernst nimmt, tatsächlich nicht aus. Dazu
hat ein gewisser K. Holzkamp (sicher von uns schon öfter erwähnt) eine
"marxistisch fundierte Subjektwissenschaft" erarbeitet, die die
gesellschaftstheoretischen (auch die fachpsychologischen) Marxisten nur
leider fast nie zur Kenntnis nehmen. 

Ahoi Annette

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