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Re: [ox] Autorenverguetung



Hi Ralf und Liste!

Long time, no see ;-) .

Last month (37 days ago) RalfKrae wrote:
Stefan M. schrieb
Ich fände es durchaus einen Beitrag zum Menschsein, wenn dieser
Gedanke "Geldkriegen == Anerkennung (und sonst gibt's nix)" aus den
Köpfen langsam mal wieder verschwinden würde.

"Sonst gibt es nix" muss ja keineswegs sein.

Scheint mir aber in weiten Bevölkerungsteilen so zu sein. Na gut, da
sind wohl einfach auch die Ansprüche an ein gutes Leben ein wenig sehr
restringiert.

Das wäre eine Ebene, wo Forderungen entstehen könnten: "Hey Chef, mir
ist nicht so/ganz/nur wichtig, wieviel du mir zahlst, sondern du
solltest mich endlich ordentlich behandeln." Na ja, illusorisch in
einer Zeit, in der alle darum winseln, endlich schuften und
angeschrien werden zu dürfen...

Aber solange man zum Leben Geld
braucht und Leute nicht nur nebenbei, sondern als ihre Hauptbeschäftigung,
also so, dass sie keiner anderen hinlänglichen Erwerbstätigkeit nachgehen
können, bestimmte gesellschaftlich nachgefragte Produkte herstellen, seien es
nun materielle oder immaterielle, bin ich schon sehr dafür, dass die
Anerkennung der Gesellschaft dafür auch finanziell ausfällt.

Genau das ist ja aber nicht das was passiert - muß ich dir nicht
erklären, anderen vielleicht. Die Bezahlung einer Leistung erfolgt im
Kapitalismus ausschließlich nach der Höhe des Marktwerts der
Arbeitskraft (bzw. genaugenommen wohl der Arbeit - laß ich weg).

Wenn die gesellschaftliche Nützlichkeit eine Rolle spielen würden,
dann würden Börsenmakler kein Geld kriegen für das was sie tun und
eine Putzkraft würde fürstlich bezahlt.

Ansonsten werden
die allermeisten nämlich nicht mehr Lage sein, diese Tätigkeit, z.B.
Wissenschaft, weiter zu betreiben, weil sie sich stattdessen darum kümmern
müssen, ihren Lebensunterhalt zu erwerben. Also bitte Reihenfolge beachten:
Wenn man kein Geld mehr braucht oder alle sowieso genug davon haben, stellt
sich die Lage selbstverständlich anders dar, aber auch erst dann.

Mir scheint, daß wir nicht in Schwarz-Weiß denken sollten. Ich stelle
mir momentan mehr einen fließenden Übergang vor. Für Software brauchst
du heute schon kein Geld mehr, für andere Informationsprodukte später
nicht mehr und irgendwann nicht mehr für Freie Güter. Das Geld stürbe
dann quasi ab.

Oder eben: Schaffen wir die Bedingungen dafür, daß die Hungrigen und
Beladenen, die sich von der Grundsicherung ernähren, ihre
Selbstentfaltung darin sehen können, Nützliches in einem Umfang zu
tun, der eben gesellschaftlich relevant wird.

Aber eine solche allgemeine Grundsicherung dürfte im Kapitalismus wohl nur
auf ziemlichem Armutsniveau realisierbar und durchsetzbar sein.

Das würde ich als radikaler Linker auch sagen. Das von dir als
Sozialdemokrat zu hören, wundert mich dann doch.

Für einen
dem gesellschaftlichem Wohlstandsniveau entsprechenden Anteil (vom dem man
sich z.B. auch Compi mit Internetanschluss leisten kann) dürfte im
Kapitalismus entweder Erwerbsarbeit oder Vermögen/Kapital notwendig sein.

Kann Schröder das nicht politisch regeln? Früher glaubten viele so
etwas mal und immerhin haben wir ja auch eine Sozialhilfe.

Und noch einen Schritt weitergedacht - und da würde es vielleicht
wirklich spannend: Die Tätigkeit von allen, die sich aus der
Grundsicherung reproduzieren, müßte per Definition wertlos sein. D.h.
die Produkte, die so hergestellt würden, sind grundsätzlich Frei. Das
klingt doch nett :-) .

Man sieht den Produkten aber nicht an, ob sie von
GrundsicherungsbezieherInnen gemacht wurden. Solange es Geld gibt und man
dafür was kaufen kann, wird es also schwierig werden, zu verhindern, dass
Leute ihre Produkte verkaufen statt frei abgeben -

Doch, ganz einfach. Da würde das gleiche Prinzip wirken wie bei Freier
Software: Warum soll ich etwas für teuer Geld kaufen, wenn ich es eine
Ecke weiter umsonst kriegen kann? Vor allem wenn sich die Freie
Ideologie erstmal deutlicher durchgesetzt hat.

BTW: Den Ideologiefaktor würde ich nicht vernachlässigen. Das ist so
ein bißchen die Eroberung der Zivilgesellschaft von Gramsci. Fand ich
immer einen wichtigen Gedanken, den uns die Freie-Software-Bewegung
mit ihrem Begeisterungspotential und ihrer Strahlkraft gut vormacht.

es handelt sich ja nicht
bei allen Menschen um überzeugte OekonuxlerInnen.

Alle brauchen wir auch nicht für den Erfolg von Freier Software.
Einige wenige reichen.

Wenn man das verhindern
wollte, bräuchte man einen Kontrollaufwand, gegen den der heutige gegen
Schwarzarbeit von SozialhilfebezieherInnen ein Klacks wäre. Will das jemand
hier?

Vielleicht bräuchte mensch den nicht - wegen obigen Effektes und weil
wir den Rest verschmerzen können.


						Mit Freien Grüßen

						Stefan

PS: Ich merke, wie in meine Antworten auch Gedanken einfließen, die
mir in den letzten Wochen gekommen sind. Dann sind sie ja nicht
verloren :-) .


________________________________
Web-Site: http://www.oekonux.de/
Organisation: projekt oekonux.de


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