Re: [ox] Ein paar kleine Anmerkungen zur Kongress - Debatte
- From: RalfKrae aol.com
- Date: Fri, 17 Nov 2000 06:41:16 EST
Lieber Helmut, liebe Leute,
wenige kurze Anmerkungen, dann hab ich auch allmählich mal wieder was anderes
zu tun, als hektische mails zu tippen:
Konkret führen heißt beispielsweise: In der IG Medien, die ja nun mit
dieser
Thematik direkt angesprochen ist, gibt es seit langem eine Debatte um das
Urheberrecht. Mit den bekannten Mehrheitspositionen, aber eben auch mit
einer - wachsenden - Minderheit, die Forderungen lieber nicht an die
Allgemeinheit stellen möchte, sondern an die Unternehmen, die mit ihrer
Arbeit(skraft) Geld verdienen.
In der Tat vermischten sich konkrete und allgemeine Fragen und so kam es zu
einer unzureichend fundierten Debatte über GEMA und VG Wort etc.. Für eine
ernsthafte Veröffentlichung hätte ich meine mails dazu so locker vom Hocker
nicht geschrieben. Man könnte es aber auch als relativen Fortschritt ansehen,
dass über GEMA und VG Wort zumindest Teile der Einnahmen direkt an die
UrheberInnen gehen und nicht an die Verlage, wo zweifelhaft ist, ob die
UrheberInnen durchsetzen könnten, dass sie letztlich was davon haben. Die
Ungleichverteilung wäre jedenfalls wohl noch größer, weil die
Verteilungsmechanismen der VGs egalitärer als die unmittelbare
Marktverteilung sind. Wenn Forderungen gegenüber den Verlagen durchgesetzt
werden könnten, würden die es sich letztlich auch bei den EndkundInnen holen.
Ich bin auch gar kein Experte in diesen Fragen, und man müsste das wohl
wirklich konkreter und differenzierter diskutieren. Aber dabei muss m.E. der
Ausgangspunkt sein, die Interessen der UrheberInnen ernst zu nehmen.
Um eine Gewerkschaftspolitik zu entfalten, die "auf der Höhe der Zeit" ist
oder wie mensch es immer nennen will, genügt es eben nicht, den
traditionalistischen (sozialdemokratischen wie kommunistischen) Ansatz zu
verfolgen: Die Interessen am Arbeitsplatz zu verteidigen. Spätestens bei
AKW
wird da sogar der Realpolitiker auf die Realität stoßen.
Behauptet wohl niemand hier, dass das reicht. Aber in den meisten Fällen ist
es keineswegs überflüssig, sondern auch nötig. Und Medienprodukte sind keine
AKW, das wird auch der Anti- oder Nichtrealpolitiker zugeben müssen.
-Wer die Sache mit den Arbeitsplätzen, mit dem Sinn von Arbeit und der
ganzen Ideologie drumherum zumindest etwas durchdenkt, wird die Differenzen
zu "freier" Betätigung kaum noch als Schützengraben benutzen können. (Also
um es klar zu sagen, einen Sozialismus a la "wir sind die bessere
Leistungsgesellschaft" kann mensch sich sonstwohin stecken, das ist nun
wahrlich kein Fortschritt im Leben). Will heißen: Der "Arbeit" ein wenig
ihren Fetischcharakter nehmen, öffnet der Debatte - vielleicht - neue Wege.
Debatten um den Sinn von Arbeit sind in der Tat wichtig, können aber nicht
darin bestehen, Leuten zu erzählen, dass ihre Arbeit sowieso sinnlos sei und
sie nur Schrott produzieren, wenn sowohl die Arbeitenden als auch die ganz
überwiegende Mehrzahl der Gesellschaft das anders sehen. Das Problem, dass
Arbeit (konkret i.d.R.: Erwerbsarbeit) überhöht und fetischisiert wird und
auch dass sie erheblich verkürzt werden könnte, ändert nichts daran, dass sie
überwiegend für die Reproduktion der Gesellschaft wie der Einzelnen notwendig
ist und auch in nichtkapitalistischen Verhältnissen notwendig wäre. Ich halte
es weiterhin für ganz unrealistisch, zu meinen, das ließe sich alles durch
freie Tätigkeit erledigen. Also stellt sich auch weiterhin der Problem der
gesellschaftlichen Organsiation und Regulierung des gesellschaftlichen
Arbeitsprozesses und der Verteilung der Produkte. Dabei sollte es soweit
möglich nach Bedürfnissen gehen, aber es wird m.E. auf unabsehbar lange Zeit
nötig und sinnvoll bleiben, auch eine Art Leistungsprinzip anzuwenden. Im
Unterschied zur kapitalistischen Gesellschaft, wo große Teile des Reichtums
als Kapitaleinkommen verteilt werden, fände ich das schon erheblichen
Fortschritt, und die Konkurrenz könnte wesentlich schwächer und stärker durch
solidarische Formen eingeschränkt sein als heute. Außerdem gibt es m.E.
wesentlich größere globale, soziale und ökologische Probleme als die
Fetischisierung der Arbeit, die man auf dieser Basis lösen oder massiv
reduzieren könnte, und das fände ich wahrlich einen gewaltigen Fortschritt im
Leben und für das Leben von Millionen.
So seh ich das jedenfalls. Man kann über diese Fragen diskutieren oder man
kann es auch lassen. Ich hab jetzt sowieso keine Zeit, das mit dem
Zeitaufwand wie in den letzten Tagen weiterzumachen. Auf der Konferenz wird
es sich kaum umgehen lassen und ich finde es auch nötig.
Sozialistische Grüße
Ralf Krämer
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