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Re: [ox] Ein paar kleine Anmerkungen zur Kongress - Debatte



Lieber Helmut, liebe Leute,

wenige kurze Anmerkungen, dann hab ich auch allmählich mal wieder was anderes 
zu tun, als hektische mails zu tippen:

 Konkret führen heißt beispielsweise: In der IG Medien, die ja nun mit 
dieser
 Thematik direkt angesprochen ist, gibt es seit langem eine Debatte um das
 Urheberrecht. Mit den bekannten Mehrheitspositionen, aber eben auch mit
 einer - wachsenden - Minderheit, die Forderungen lieber nicht an die
 Allgemeinheit stellen möchte, sondern an die Unternehmen, die mit ihrer
 Arbeit(skraft) Geld verdienen. 

In der Tat vermischten sich konkrete und allgemeine Fragen und so kam es zu 
einer unzureichend fundierten Debatte über GEMA und VG Wort etc.. Für eine 
ernsthafte Veröffentlichung hätte ich meine mails dazu so locker vom Hocker 
nicht geschrieben. Man könnte es aber auch als relativen Fortschritt ansehen, 
dass über GEMA und VG Wort zumindest Teile der Einnahmen direkt an die 
UrheberInnen gehen und nicht an die Verlage, wo zweifelhaft ist, ob die 
UrheberInnen durchsetzen könnten, dass sie letztlich was davon haben. Die 
Ungleichverteilung wäre jedenfalls wohl noch größer, weil die 
Verteilungsmechanismen der VGs egalitärer als die unmittelbare 
Marktverteilung sind. Wenn Forderungen gegenüber den Verlagen durchgesetzt 
werden könnten, würden die es sich letztlich auch bei den EndkundInnen holen. 
Ich bin auch gar kein Experte in diesen Fragen, und man müsste das wohl 
wirklich konkreter und differenzierter diskutieren. Aber dabei muss m.E. der 
Ausgangspunkt sein, die Interessen der UrheberInnen ernst zu nehmen.

Um eine Gewerkschaftspolitik zu entfalten, die "auf der Höhe der Zeit" ist
 oder wie mensch es immer nennen will, genügt es eben nicht, den
 traditionalistischen (sozialdemokratischen wie kommunistischen) Ansatz zu
 verfolgen: Die Interessen am Arbeitsplatz zu verteidigen. Spätestens bei 
AKW 
 wird da sogar der Realpolitiker auf die Realität stoßen.

Behauptet wohl niemand hier, dass das reicht. Aber in den meisten Fällen ist 
es keineswegs überflüssig, sondern auch nötig. Und Medienprodukte sind keine 
AKW, das wird auch der Anti- oder Nichtrealpolitiker zugeben müssen.

 -Wer die Sache mit den Arbeitsplätzen, mit dem Sinn von Arbeit und der
 ganzen Ideologie drumherum zumindest etwas durchdenkt, wird die Differenzen
 zu "freier" Betätigung kaum noch als Schützengraben benutzen können. (Also
 um es klar zu sagen, einen Sozialismus a la "wir sind die bessere
 Leistungsgesellschaft" kann mensch sich sonstwohin stecken, das ist nun
 wahrlich kein Fortschritt im Leben). Will heißen: Der "Arbeit" ein wenig
 ihren Fetischcharakter nehmen, öffnet der Debatte - vielleicht - neue Wege.

Debatten um den Sinn von Arbeit sind in der Tat wichtig, können aber nicht 
darin bestehen, Leuten zu erzählen, dass ihre Arbeit sowieso sinnlos sei und 
sie nur Schrott produzieren, wenn sowohl die Arbeitenden als auch die ganz 
überwiegende Mehrzahl der Gesellschaft das anders sehen. Das Problem, dass 
Arbeit (konkret i.d.R.: Erwerbsarbeit) überhöht und fetischisiert wird und 
auch dass sie erheblich verkürzt werden könnte, ändert nichts daran, dass sie 
überwiegend für die Reproduktion der Gesellschaft wie der Einzelnen notwendig 
ist und auch in nichtkapitalistischen Verhältnissen notwendig wäre. Ich halte 
es weiterhin für ganz unrealistisch, zu meinen, das ließe sich alles durch 
freie Tätigkeit erledigen. Also stellt sich auch weiterhin der Problem der 
gesellschaftlichen Organsiation und Regulierung des gesellschaftlichen 
Arbeitsprozesses und der Verteilung der Produkte. Dabei sollte es soweit 
möglich nach Bedürfnissen gehen, aber es wird m.E. auf unabsehbar lange Zeit 
nötig und sinnvoll bleiben, auch eine Art Leistungsprinzip anzuwenden. Im 
Unterschied zur kapitalistischen Gesellschaft, wo große Teile des Reichtums 
als Kapitaleinkommen verteilt werden, fände ich das schon erheblichen 
Fortschritt, und die Konkurrenz könnte wesentlich schwächer und stärker durch 
solidarische Formen eingeschränkt sein als heute. Außerdem gibt es m.E. 
wesentlich größere globale, soziale und ökologische Probleme als die 
Fetischisierung der Arbeit, die man auf dieser Basis lösen oder massiv 
reduzieren könnte, und das fände ich wahrlich einen gewaltigen Fortschritt im 
Leben und für das Leben von Millionen.

So seh ich das jedenfalls. Man kann über diese Fragen diskutieren oder man 
kann es auch lassen. Ich hab jetzt sowieso keine Zeit, das mit dem 
Zeitaufwand wie in den letzten Tagen weiterzumachen. Auf der Konferenz wird 
es sich kaum umgehen lassen und ich finde es auch nötig.

Sozialistische Grüße

Ralf Krämer
Fresienstr. 26
44289 Dortmund
Tel. 0231-3953843
Fax 0231-3953844

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