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Re: [ox] Re: Selbstenfaltung vs. Fremdbestimmung



On Sun, Nov 12, 2000 at 01:10:51AM [PHONE NUMBER REMOVED], Stefan Merten wrote:
Der
Kern ist für die einen die Idee, dass es kein immaterielles Eigentum
geben darf (Stallman). Für wieder andere ist es nur der verbesserte
Austausch (Raymond). 

Für Stallmann ist es dies, für Raymond ist es jenes - und beiden
zusammen macht Programmieren einfach so höllisch viel Spaß, daß sie
keinen äußeren Antrieb brauchen - Selbstentfaltung in seiner ganzen
individuellen Vielfalt halt.

Nur weil es beiden Gemeinsam ist, heisst das doch noch nicht, dass
es "der Kern" sein muss. Zu meinen Problemen mit der
Selbstentfaltung vielleicht weiter unten noch mehr.

Selbstenfaltung wird doch in unserer postfordistischen Welt schon
überall und ständig prächtig integriert. Natürlich immer nur so weit
wie nötig.

Darauf bin ich heute in dem Thread mit Markus ja nochmal ausführlicher
eingegangen.

Hab ich irgendwie wohl ueberlesen oder nicht in diesem Kontext hier
sehen koennen, sorry.

Naja, dann ersetze oben "hehre Idee" durch "überaus nützliche hehre
Idee" ;-)

Es gibt doch sicherlich auch Beispiele für solche Ideen, die unter
kapitalistischen Verhältnissen scheitern mussten - leider fällt mir
grad keins ein -

An so einem Beispiel wäre ich sehr interessiert. Ich denke, daß da die
Linke seit mindestens 70 Jahren nichts mehr zu bieten hat. Seitdem sie
nicht mehr über eine Übernahme der Produktion nachdenkt.

Was ist mit den ganzen Initiativen aus der Oekologie-Bewegung und
den selbstverwalteten Betrieben? Die machen alle noch das selbe, nur
jetzt kapitalistisch. Naja, aber ich kenn mich da nicht wirklich aus.

aber ansonsten wäre ja jeder bisherige
Antikapitalismus unnützlich gewesen ;-)

Na ja, Abwehrkämpfe und auch Verteilungskämpfe sind ja schon sinnvoll.
Aber darüber wird die Geschichte befinden.

Das ist aber kein Antikapitalismus und darum gings ja.

Was heisst schon korumpieren. Ist der
Rund-um-die-Uhr-weil-es-ihm-Spass-macht-Arbeiter, den ich für ein
durchaus verbreitetes Phänomen halte, korumpiert? Doch nicht
wirklich. Er hat einen Job, indem er seine Subjektivität wunderbar
einbringen kann - denkt er.

Nein er denkt es nicht nur, er macht es auch. Aber die Grenzen dieses
Einbringens dürften auf der Hand liegen, wenn du es mit einer
Tätigkeit für ein Hobby, etwas Selbstbestimmtem also, vergleichst.

Der Punkt ist: Fue rmich persoenlich stimme ich Dir da 150%ig zu.
Leider musste ich aber in vielen Diskussionen mit Anderen erfahren,
dass die das anders sehen. Kleiner Tip: Fragt mal in irgend einer
Runde, die nicht gerade von Linken wimmelt "Wem von euch macht seine
Arbeit spass?" Gerade die immateriellen Arbeiter ueber die wir ja
hier reden, werden sehr oft begeistert ihre Haende recken. Da kann
man dann lange diskutieren, ob die das jetzt nur nicht schnallen,
dass sie ausgebeutet werden, oder nicht - aber Du hast ja selbst
gesagt: Was jetzt angemessene Selbstenfaltung ist - da sollte man
den Leuten nicht reinreden.

Ich gewinne halt zunehmend den Eindruck, dass man vielen Leuten
alles als Selbstentfaltung verkaufen kann.

Ich glaube nur mit Selbstenfaltung hat man noch nicht viel gewonnen
auch wenn das sicherlich eine notwendige Bedingung ist. Deswegen
wehre ich mich gegen das als "Kern".

Mein Eindruck ist, daß die Fremdbestimmung, die unabdingbarer
Bestandteil von Lohnarbeit, aber auch unternehmerischer Arbeit ist,
sich auch in unseren Köpfen als so naturgesetzlich festgesetzt hat,
daß selbst uns es schwer fällt, eine individuelle Freiheit auch nur zu
denken.

Genau das ist der Punkt. Wenn Du es aber kaum schaffst, wie sollen
es dann die unerleuchteten Normalos schaffen? Landet man dann am
Ende nicht doch einfach wieder beim Idealismus? Und wie Du ja selbst
sagst, ist der oft nicht sehr überzeugend.

Spür doch mal in dich, wenn du eine Woche lang, einen Monat lang, ein
Jahr lang morgens aufstehst. Kannst du dir echt nix besseres
vorstellen, als dich der Wertverwertung, dem Geldverdienen in den
Rachen zu werfen? Ich kann mir auf jeden Fall jede Menge vorstellen.
Let's go for it!

Wie gesagt: Mich brauchst Du nicht überzeugen. Ich denke jetzt schon
wieder mit Grausen an meine nächste Arbeitsperiode. Mit "Spür doch
mal in Dich" wirst Du aber nur Erleuchtete überzeugen können. Die
Anderen spüren da nämlich genau das Falsche. 

Grüße, Benni
-- 
      Ragnaroek-Play-by-email: http://ragnaroek.home.pages.de/
               Goetter und Erdlinge am Ende der Welt

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