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[ox] Die Anwendbarkeit der Werttheorie in der Informationsgesellschaft und Veränderungen der Arbeitswelt (fwd)




http://www.trend.partisan.net/trd0900/t050900.htm

UlrichLeicht t-online.de

Hallo Listige aller Orten 

Irgenwann tauchte schon einmal der Verweis auf einen Artiklel von Christian 
Fuchs auf. Ich glaube nicht, daß es der unten erwähnte war. 
Unter anderem in Zusammenhang mit der Diskussion um den Komplex 
"Werttheorie-new economy-Informationsgesellschaft-human capital" 
finde ich ihn sehr spannend und weiterbringend. Neben dem Artikel 
"Himmelfahrt des Geldes ..." von Robert Kurz ist dies das beste, das ich 
bislang zum Thema "Wert-Dienstleitung-produktive Arbeit/unproduktive Arbeit" 
gefunden habe.
Der Text liegt als Anlage anbei, ist aber auch in der trend-online-Zeitung 
bei partisan net - http://www.trend.partisan.net/trd0900/t050900.htm zu finden, 
die ursrüngliche Quelle ist:
http://stud4.tuwien.ac.at/~e9426503/soinfoges/infogeswert.html 
      

Die Anwendbarkeit der Werttheorie in der
Informationsgesellschaft und Veränderungen der
Arbeitswelt

von Christian Fuchs 

"(...)
Damit ist klar: Für Marx ist produktive Arbeit mehrwertschaffende Arbeit, die 
sich unmittelbar mit Kapital austauscht. Unproduktive Arbeit tauscht sich 
hingegen gegen Revenue aus, sie verzehrt eine Revenue und schafft keinen 
Mehrwert.

      Im weiteren soll die Frage beantwortet werden, welche Arbeit in der 
"Informationsgesellschaft" produktiv, d.h. mehrwertschaffend ist, und welche 
nicht. Arbeit in der Informationsgesellschaft sieht heute offensichtlich 
anders aus als zur Zeit von Marx, da sich die Beschäftigungsstruktur 
wesentlich verändert hat. Vor allem der Dienstleistungssektor (tertiärer 
Bereich) ist heute viel größer als damals.

      Im folgenden wird also untersucht, wie sich Arbeit verändert hat. Den 
Anfang dabei macht ein Blick auf die Bedeutung wissenschaftlicher Arbeit in 
der Informationsgesellschaft.
(...)" 
Aus dem ersten Abschnitt, der " Arbeit" überschrieben ist. 
Es folgen die Kapitel:
- Wissenschaft 
- Wissenschaftliche Arbeit bei Toni Negri 
- Dienstleistungen und Informationsprodukte 
- Arbeit, Technik, relativer Mehrwert, der tendenzielle Fall der Profitrate und 
  ihre Bedeutung für Krisen des Kapitalismus
- Das Verhältnis von Technik und Gesellschaft
- Die Auswirkungen des Technikeinsatzes unter bestehenden gesellschaftlichen    
  Bedingungen
- Postkapitalistischer Technikeinsatz und die Aufhebung der Lohnarbeit

Gruß
Uli

Christian Fuchs - Die Anwendbarkeit der Werttheorie in der
Informationsgesellschaft und Veränderungen der Arbeitswelt

Arbeit

Nach Marx ist abstrakte Arbeit wertschaffende Arbeit. Unter konkreter Arbeit
kann hingegen die Herstellung von Gebrauchswerten verstanden werden.

"Alle Arbeit ist einerseits Verausgabung menschlicher Arbeitskraft im
physiologischen Sinn, und in dieser Eigenschaft gleicher menschlicher oder
abstrakt menschlicher Arbeit bildet sie den Warenwert. Alle Arbeit ist
andrerseits Verausgabung menschlicher Arbeitskraft in besondrer
zweckbestimmter Form, und in dieser Eigenschaft konkreter nützlicher Arbeit
produziert sie Gebrauchswerte" ([Marx1867], S. 61).

Im dreizehnten Kapitel des 1. Bandes des Kapitals über die Maschinerie
schreibt Marx, daß in der einfachen Kooperation ein Nebeneinander vieler
gleichartiger Maschinen möglich wurde, d.h. daß z.B. viele Webstühle
gleichzeitig nebeneinander arbeiten konnten, da sie durch eine Dampfmaschine
als Bewegungsmaschine angetrieben wurden. Im Maschinensystem werden
verschiedene Teilarbeitsschritte kombiniert, es gibt ein Hintereinander von
Teilprozessen, die jedoch alle gleichzeitig ausgeführt werden können, indem
das Ergebnis eines Prozesses an den nächsten Teilprozeß als Input
weitergereicht wird. Das beste Beispiel dafür ist das (erst nach Marxens Tod
im Taylorismus/Fordismus auftauchende) Fließband. Beides zeigt, daß die
Maschinerie nur unter vergesellschafteter/gemeinsamer Arbeit funktionieren
kann. "Der kooperative Charakter des Arbeitsprozesses wird jetzt also durch
die Natur des Arbeitsmittels selbst diktierte technische Notwendigkeit"
([Marx1867], S. 330). Unter Kooperation versteht Marx, daß viele planmäßig
neben- und miteinander arbeiten ([Marx1867], S. 273).

Als die individuell ausgeführte Handarbeit noch vorherrschte, war die
Einheit von abstrakter und konkreter Arbeit auf jeweils eineN ArbeiterIn
beschränkt. Mit der kooperativen Arbeit verteilt sich diese Einheit auf alle
am kooperativen Produktionsprozeß beteiligten Arbeitenden. Die abstrakte
sich in einer Ware vergegenständlichte Arbeit bekommt durch die Maschinerie
einen vergesellschafteten Charakter.

Abstrakte Arbeit ist produktive Arbeit. Produktive Arbeit wird bei Marx
folgendermaßen näher bestimmt: "Nur der Arbeiter ist produktiv, der Mehrwert
für den Kapitalisten produziert oder zur Selbstverwertung des Kapitals
dient" ([Marx1867], S. 532).

Marx verwendet den Begriff "Revenue" auf zwei Arten: Einerseits "um den
Mehrwert als periodisch aus dem Kapital entspringende Frucht" ([Marx1867],
S. 618; siehe auch S. 591f). zu bezeichnen. Andererseits teilt er den
Mehrwert in zwei Teile: Kapital und Revenue. Das Kapital verbleibt in der
Zirkulation und Akkumulation, die Revenue wird dem Zirkulationsprozeß durch
den Kapitalisten entzogen. Sie ist jener Teil des Mehrwerts, "der vom
Kapitalisten periodisch verzehrt oder zu seinem Konsumtionsfonds geschlagen
wird" ([Marx1867], S. 618). Für den Begriff der "produktiven Arbeit" ist vor
allem die zweite Bedeutung relevant. Dies wird in den "Theorien über den
Mehrwert" deutlich:

"Die produktive Arbeit wird hier bestimmt vom Standpunkt der
kapitalistischen Produktion aus, und A.Smith hat die Sache selbst
begrifflich erschöpft, den Nagel auf den Kopf getroffen - es ist einer
seiner größten wissenschaftlichen Verdienste [...], daß er die produktive
Arbeit als Arbeit bestimmt, die sich unmittelbar mit dem Kapital austauscht,
d.h. durch Austausch, womit die Produktionsbedingungen der Arbeit und Wert
überhaupt, Geld oder Ware, sich erst in Kapital verwandeln (und die Arbeit
in Lohnarbeit im wissenschaftlichen Sinn. Damit ist auch absolut
festgesetzt, was unproduktive Arbeit ist. Es ist Arbeit, die sich nicht
gegen Kapital, sondern unmittelbar gegen Revenue austauscht, also gegen
Salair oder Profit (natürlich auch gegen die verschiednen Rubriken, die als
copartners am Profit der Kapitalisten partizipieren, wie Zins und Renten)
[...] Ein Schauspieler z.B., selbst ein Clown, ist hiernach ein produktiver
Arbeiter, wenn er im Dienst eines Kapitalisten arbeitet (des entrepreneur),
dem er mehr Arbeit zurückgibt, als er in der Form des Salärs von ihm erhält,
während einer Flickschneider, der zu dem Kapitalisten ins Haus kommt und ihm
seine Hosen flickt, ihm einen bloßen Gebrauchswert schafft, ein
unproduktiver Arbeiter ist. Die Arbeit des erstren tauscht sich gegen
Kapital aus, die des zweiten gegen Revenue. Die erste schafft einen
Mehrwert; in der zweiten verzehrt sich eine Revenue" ([MEW], Band 26,
Theorien über den Mehrwert, S.126ff).

Damit ist klar: Für Marx ist produktive Arbeit mehrwertschaffende Arbeit,
die sich unmittelbar mit Kapital austauscht. Unproduktive Arbeit tauscht
sich hingegen gegen Revenue aus, sie verzehrt eine Revenue und schafft
keinen Mehrwert.

Im weiteren soll die Frage beantwortet werden, welche Arbeit in der
"Informationsgesellschaft" produktiv, d.h. mehrwertschaffend ist, und welche
nicht. Arbeit in der Informationsgesellschaft sieht heute offensichtlich
anders aus als zur Zeit von Marx, da sich die Beschäftigungsstruktur
wesentlich verändert hat. Vor allem der Dienstleistungssektor (tertiärer
Bereich) ist heute viel größer als damals.

Im folgenden wird also untersucht, wie sich Arbeit verändert hat. Den Anfang
dabei macht ein Blick auf die Bedeutung wissenschaftlicher Arbeit in der
Informationsgesellschaft.

Wissenschaft

Im Fordismus wurden planende und ausführende Arbeit getrennt (Kopf- und
Handarbeit). Es stellt sich die Frage, inwiefern die Kopfarbeit als
Wertzusatz in die Ware einfließt, ob hier also das Wertgesetz unveränderlich
anwendbar ist. D.h.: Ist Kopfarbeit eine mehrwertschaffende Arbeit? Mit der
Verwissenschaftlichung der Produktion und der immer stärkeren Zunahme der
Bedeutung der Produktivkraft Wissen werden wissenschaftliche Vorleistungen
der Produktion, die Schaffung von Know-How durch Forschung, die Ausbildung
qualifizierter ArbeiterInnen und Wissensarbeit immer bedeutender. Viele
Firmen und nahezu alle Konzerne kooperieren nicht nur mit Universitäten und
vergeben Forschungsaufträge an diese, sondern haben auch eigene
Forschungsabteilungen, die kein allgemein zugängliches Wissen schaffen,
sondern Wissen, daß dem eigenen Betrieb vorbehalten bleibt. Die Kopfarbeit,
das Wissen als Vorbedingung der Produktion, fließt nicht in ein einziges
Produkt ein und muß nicht irgendwann durch Neukauf erneuert werden wie
konstantes und variables Kapital, sondern es hat einen unvergänglicheren
Charakter: Es fließt in viele Produkte gleichzeitig ein (nicht nur innerhalb
eines Betriebes, sondern in vielen Betrieben gleichzeitig), obwohl es nur
einmal geschaffen werden muß und es verbraucht oder verschleißt sich nicht.
Fixes konstantes Kapital wie die Maschinerie nützt sich ab oder entwertet
sich moralisch, zirkulierendes konstantes Kapital wie Rohstoffe fließt
stofflich in die Ware ein, ist danach verbraucht und muß für den
Produktionsprozeß erneuert werden. Nicht so das Wissen: Es verbraucht sich
nicht stofflich und muß nicht durch Neukauf reproduziert werden. Einmal
angeeignetes Wissen kann und muß zumeist weiterentwickelt werden, was
weitere Kosten verursacht, aber es gibt fast keine Reproduktionskosten des
vorhandenen Wissens, es muß nicht permanent neu (re)produziert werden wie
etwa das flüssige Kapital v und czirk. Wissen kann zu einem sehr geringen
Preis quasi unendlich vervielfältigt werden (es wird also in der Form von
Kopien billig reproduziert, muß aber selbst nicht reproduziert werden) und
kann in digitaler Form mittels moderner I&K-Technologien global sehr schnell
verbreitet werden.

Bereits Marx wußte von dem für das Kapital äußerst günstigen Charakter der
Wissenschaft zu berichten: Naturstoffe und Naturkräfte kosten dem Kapital
nichts. "Der Grad ihrer Wirksamkeit hängt von den Methoden und
wissenschaftlichen Fortschritten ab, die dem Kapitalisten nichts kosten"
([Marx1885], S. 356). Oder: "Die Wissenschaft kostet dem Kapitalisten
überhaupt &lsquonichts&rsquo, was ihn durchaus nicht hindert, sie
auszubeuten. Die &lsquofremde&rsquo Wissenschaft wird dem Kapital
einverleibt, wie die fremde Arbeit" ([Marx1867], S. 331, Fußnote 108).
Inzwischen läßt sich das Kapital die wissenschaftliche Forschung einiges
kosten, da es den äußerst günstigen Charakter des Wissens in Form der
nichtvorhandenen Reproduktionskosten, seiner universellen Anwendbarkeit und
des nichtvorhandenen stofflichen Verbrauchs erkannt hat.

Die immer bedeutender werdende wissenschaftliche Arbeit tritt zwar als eine
Voraussetzung des Produktionsprozesses indirekt in ihn ein, es kann aber
argumentiert werden, daß sie im Sinn der Produktion von Mehrwert keine
produktive Arbeit ist. Sie vergegenständlicht sich nicht im Produkt wie die
verausgabte menschliche Arbeit, die Mehrwert schafft. Sie ist also keine
abstrakte Arbeit, aber auch keine konkrete, da sie keinen Wert der
Produktionsmittel auf die Ware überträgt. Sie ist unproduktive Arbeit und
fällt aus der Tauschwert-Vergesellschaftung auf dem Markt heraus. Die
Wissenschaft ist die "unmittelbare Produktivkraft" (Grundrisse, [MEW] Band
42, S. 602), schafft jedoch selbst keinen Wert. Das allgemeine
gesellschaftliche Wissen spiegelt sich im fixen Kapital wider. Für dessen
Fortschritt und Entwicklung sorgt die Wissenschaft.

Mehrwert kann nur entstehen, wenn einE ArbeiterIn einem Produkt den Wert
ihrer Arbeitskraft zusetzt und darüber hinaus unbezahlten Neuwert schafft.
Der Mehrwert kann nur verwertet werden, indem das Produkt, in dem er sich
vergegenständlicht, gegen Geld ausgetauscht wird. Dann ist die Verwertung
des Wertes, die Akkumulation, möglich. Wissenschaftliche Arbeit ist i.A.
jedoch nicht marktkompatibel, sie tauscht sich nicht gegen Geld und hat
damit in den meisten Fällen keinen Tauschwert. Was wäre denn das Produkt der
Wissenschaft, das teurer verkauft wird als es eingekauft wird? Es existiert
in den meisten Fällen nicht, daher existiert auch der Mehrwert
wissenschaftlicher Arbeit nicht. Sie ist eine immer wichtigere Basis der
Kapitalakkumulation, aber weder produktive noch abstrakte Arbeit.

Mit dem deutschen Wirtschaftswissenschaftler Arnold Picot können die
folgenden charakteristischen Eigenschaften von Information in ihrer Form des
Wissens festgehalten werden: "

   * Informationen sind ein immaterielles Gut, das in der Regel auch bei
     mehrfacher Nutzung nicht verbraucht wird [...]
   * Information erweitert sich während der Nutzung
   * Informationen sind verdichtbar
   * Informationen können andere wirtschaftliche Ressourcen ersetzen
   * Informationen sind im Extremfall mit Lichtgeschwindigkeit
     transportierbar
   * Informationskäufer müssen sich mit Kopien begnügen
   * die Grenzkosten der Vervielfältigung von Informationen sind in der
     Regel gering und sinken aufgrund technischer Neuerung, d.h. es bestehen
     sehr große Potentiale für economies of scale
   * Informationen haben eine Neigung zur Diffusion und
   * Informationen bahnen Beziehungen an" ([Picot1997], S. 56)

Wissenschaftliche Arbeit wurde in den 90ern vor allem in Italien im Rahmen
des Diskurses über immaterielle Arbeit in Betracht gezogen. Bedeutung haben
dabei vor allem die Ideen des marxistischen Staatsrechtlers Toni Negri.
Darauf soll nun kurz eingegangen werden.

Wissenschaftliche Arbeit bei Toni Negri

Toni Negri stellt in [NegriHardt1997] eine Tendenz zu immaterieller Arbeit
fest: "Arbeit heißt in den gegenwärtigen metropolitanen Gesellschaften mit
ungebrochener Tendenz immaterielle Arbeit - also intellektuelle,
affektiv-emotionale und technowissenschaftliche Tätigkeit, Arbeit des
Cyborg. [...] Computerisierung weiter Zweige der Arbeitsprozesse
charakterisieren den Übergang, den Arbeit in ihren Grundlagen gegenwärtig
durchläuft. Marx antizipierte diese Transformation und versuchte sie unter
dem Begriff des &lsquoGeneral Intellect&rsquo zu fassen" ([NegriHardt1997],
S. 14f). Eine quasi intellektuelle Produktivkraft habe sich entwickelt.

Im 3. Band des Kapitals spricht Marx von "allgemeiner Arbeit des
menschlichen Geistes", eben jenem General Intellect ([Marx1894], S. 114).
"Allgemeine Arbeit ist die wissenschaftliche Arbeit, alle Entdeckung, alle
Erfindung. Sie ist bedingt teils durch Kooperation mit Lebenden, teils durch
Benutzung der Arbeiten Früherer" (ebd.). In den Grundrissen benutzt Marx den
Begriff des General Intellect für das allgemeine soziale Wissen oder die
kollektive Intelligenz einer Gesellschaft. Das fixe Kapital, dabei vor allem
in Form der Maschinerie, können sich diese Intelligenz quasi einverleiben,
das Wissen vergegenständlicht sich in ihnen:

Maschinen "sind von der menschlichen Hand geschaffne Organe des menschlichen
Hirns; vergegenständlichte Wissenskraft. Die Entwicklung des capital fixe
zeigt an, bis zu welchem Grade das allgemeine gesellschaftliche Wissen,
knowledge, zur unmittelbaren Produktivkraft geworden ist und daher die
Bedingungen des gesellschaftlichen Lebensprozesses selbst unter Kontrolle
des general intellect gekommen und ihm gemäß umgeschaffen sind" ([MEW], Band
42, S. 602).

Der Produktionsprozeß trete immer mehr als technologische Anwendung der
Wissenschaft auf ([Marx1894], S. 79), die Arbeit sei nicht mehr die
bestimmende Produktivkraft. Die lebendige Arbeit wird durch Automation und
Computerisierung vom Ort der Produktion ausgeschlossen und in der digitalen
Revolution immer stärker durch Maschinerie ersetzt. Dies bedeutet einen
sinkenden Anteil an variablem und einen steigenden Anteil an fixem Kapital.

Wissenschaftliche Arbeit kann also mit Marx als "General Intellect"
betrachtet werden. Sie schafft keinen Mehrwert, ist aber eine Arbeit, die
eine wesentliche Basis der Kapitalakkumulation darstellt und die sich im
fixen Kapital vergegenständlicht.

Negri behauptet, daß das Kapital die Automatisierung als Reaktion auf
individuelle Arbeitsverweigerungen eingeführt habe (ebd., S. 136f). Diese
Verschwörungstheorie erscheint nicht realistisch, vielmehr verspricht die
Automation steigende Profitraten durch gesteigerte Produktivität. Die
Verweigerung der Arbeit muß jedoch im Kontext der linken Bewegung im Italien
der 60er und 70er gesehen werden: Es handelte sich um einen populären Slogan
der radikalen Arbeiterbewegung und sozialer Bewegungen, die darauf hinweisen
wollten, daß eine postkapitalistische Gesellschaft nicht als Befreiung der
(Lohn-)Arbeit zu verstehen sei, sondern als eine Befreiung von der Arbeit.
Sie sprachen sich also nicht für eine Verweigerung jeder produktiven
Tätigkeit aus, sondern von wertschaffender Lohnarbeit. Letztere solle
nämlich abgeschafft werden.

Auf Grund dieser Entwicklungen gebe es heute Voraussetzungen und Elemente,
die den Kommunismus antizipieren: Wesentlich dabei sei, daß Produzenten
heute immer enger durch Kommunikation und Kooperation verbunden sind. Diese
produktive Kooperation antizipiere den Kommunismus. Ein weiteres Beispiel
für so ein Element sei der Wohlfahrtsstaat ("reale Inseln neuer
gesellschaftlicher Kooperation", S. 140). Die wesentliche Produktivkraft sei
heute die technowissenschaftliche Arbeit, Arbeit sei heute vor allem
immateriell, kooperativ, wissenschaftlich und intellektuell. Es erscheint
als sehe Negri diese Arbeit und sein Subjekt, den "Cyborg" (ein Begriff von
Donna Haraway), als Antizipation des Kommunismus. Beide haben für Negri
einen autonomen Charakter. Die Subsumtion der technisch-wissenschaftlichen
Arbeit seitens des Kapitals erscheint ihm unmöglich

Es hat den Anschein, daß Negri meint, daß Menschen, die
technisch-wissenschaftliche Arbeit ausführen (dazu gehören sicherlich nicht
nur WissenschaftlerInnen, sondern auch qualifizierte
InformationsarbeiterInnen wie beispielsweise in der Industrie gut
verdienende InformatikerInnen) ein revolutionäres Subjekt darstellen, da sie
sich eine Autonomie erhalten können.

Es stellt sich aber die Frage, ob diese ArbeiterInnen nicht vielmehr eine
zunehmend elitäre Klasse darstellen. Qualifizierte Arbeitende, die gut
verdienen, identifizieren sich tendenziell mit dem Unternehmen,
internalisieren quasi die kapitalistische Logik und handeln ganz im Sinn des
Kapitals, da sie eine Interessenskonvergenz zu erkennen glauben. Und die
Managementtheorie forciert auch Methoden, die von den Arbeitenden verlangen,
sich mit der Arbeit und dem Betrieb zu identifizieren. Oft geht dies einher
mit Enthierarchisierungen im Betrieb wie etwa dem Abbau des mittleren
Managements oder der Ausweitung individueller Handlungsspielräume
(teilautonome Arbeitsgruppen, usw.). Eine tatsächliche Identifikation kann
m.E. nach aber nur bei den hochqualifizierten, universitär ausgebildeten
Arbeitenden stattfinden, da ihre hohen Löhne als Anreiz wirken. Die
Etablierung der neuen techno-wissenschaftlichen Elite geht jedoch im
Neoliberalismus einher mit einer immer stärkeren Dequalifizierung niedrig
qualifizierter und unqualifizierter ArbeiterInnen. Die digitale Revolution
trägt dazu durch die verstärkte Rationalisierung bei. Es stellt sich die
Frage, ob die eigentlichen potentiell revolutionären Subjekte diejenigen
sind, die weltweit in einer neoliberalen Welt noch weniger am
gesellschaftlichen Reichtum partizipieren können als in einer
keynesianischen. Im Gegensatz zu Negri kann auch die Meinung vertreten
werden, daß qualifizierte technisch-wissenschaftliche Arbeiter tendenziell
die Herrschaftslogik internalisieren unddaß die Arbeiterklasse durch die
neuen Kooperationsformen nicht mächtiger wird, sondern daß sie sich
zusehends spaltet und mit ihrer eigenen Ohnmacht konfrontiert ist.

Die Unterstellung der Autonomie der Wissenschaft kann auch nicht unkritisch
stehengelassen werden: Immer stärker werden die Verbindungen zwischen
Industrie und Wissenschaft (Daniel Bell z.B. hat dies ausführlich erläutert,
siehe auch Abschnitt 3.3.), die Wissenschaft schafft Voraussetzungen der
Kapitalakkumulation, ist also zwar nicht direkt, aber doch immer stärker in
indirekter Form in den Verwertungsprozeß integriert. Nichtsdestotrotz gibt
es wissenschaftliche Nischen, in denen autonome Arbeit möglich ist. Und
diese wissenschaftliche Arbeit kann durchwegs auch einen Charakter haben,
der versucht, sich der vorherrschenden Logik zu entziehen und der dieser
auch gegensteuern kann.

Nachdem nun der Stellenwert wissenschaftlicher Arbeit in der
Informationsgesellschaft behandelt wurde, kann nun der Blick auf andere
Formen der Arbeit geworfen werden. Wesentlich dabei sind Dienstleistungen
und Informationsarbeit. Welchen Stellenwert haben sie heute? Schaffen sie
Mehrwert?

Dienstleistungen und Informationsprodukte

Die Rahmenbedingungen und die Infrastruktur der Warenproduktion werden immer
bedeutender: In allen Industriestaaten zeigt sich ein Trend des sektoralen
Strukturwandels (siehe [Ofner1997], S. 253ff, S. 297ff): Der primäre Sektor
Landwirtschaft nimmt ab (meist unter 10 Prozent der Beschäftigten sind darin
tätig), der sekundäre, warenproduzierende Sektor ist rückläufig (und beläuft
sich meist um die 30 Prozent), während der DL-Sektor immer größer wird (60
bis 70 Prozent). Der tertiäre Sektor ist schwer zu definieren: Manche meinen
Arbeit darin zeichne sich durch kein separates Produkt aus,
Informationsprodukte wie CDs, Filme, usw. haben jedoch sehr wohl eine
stoffliche Basis. Andere argumentieren, daß sich Dienstleistungen durch ein
immaterielles Produkt auszeichnen (z.B. Haarschnitt). Hier trifft dieselbe
Kritik zu wie bei der Behauptung eines nichtseparaten Produktes. Wird
argumentiert, daß sich Dienstleistungen durch eine Gleichzeitigkeit von
Produktion und Konsum auszeichnen, so trifft dies zwar auf die meisten
persönlichen Dienstleistungen zu, aber nicht auf Informationsprodukte,
Kunst, Wissenschaft, Musik, Kultur, Film, usw. Daher erscheint eine
Restdefinition wie bei [Ofner1997] am angebrachtesten: Im tertiären Sektor
werden alle Erwerbstätigkeiten subsumiert, die weder in den primären noch in
den sekundären Sektor passen (vgl. [Ofner1997], S. 253: "Dienstleistungen
werden hier als Restkategorie zu den produzierenden Tätigkeiten in Land- und
Forstwirtschaft, Gewerbe und Industrie aufgefaßt").

Es stellt sich die Frage, warum dieser tertiäre Sektor immer stärker
anwächst. Marx lieferte im 13. Kapitel des 1. Bandes des Kapitals einen
Hinweis darauf: "Endlich erlaubt die außerordentlich erhöhte Produktivkraft
in den Sphären der großen Industrie, begleitet, wie sie ist, von intensiv
und extensiv gesteigerter Ausbeutung der Arbeitskraft in allen übrigen
Produktionssphären, einen stets größren Teil der Arbeiterklasse unproduktiv
zu werden und so namentlich die alten Haussklaven unter dem Namen der
&lsquodienenden Klasse&rsquo, wie Bediente, Mägde, Lakaien usw., stets
massenhafter zu reproduzieren" ([Marx1867], S. 120).

Dies läßt die Vermutung anstellen, daß durch die Weiterentwicklung der
technischen Produktivkraft, die sich seit den 60ern massiv in Form der
Automatisierung und Computerisierung äußert, produktive Arbeit in der
Industrie eingespart wird. Immer weniger Arbeiter sind nötig, um den
Mehrwert industriell zu produzieren, da durch den Einsatz immer
produktiverer Maschinen immer mehr in immer weniger Zeit produziert werden
kann. D.h., daß der konstante Kapitalanteil relativ zum variablen steigt.
Die Ausweitung des Dienstleistungssektors kann als eine Methode verstanden
werden, um die von der Industrie freigesetzten Arbeitnenden zu absorbieren
oder ihre Anzahl zu vermindern. "Die Vermehrung der
&lsquoDienstleistungsjobs&rsquo ist also eine Methode, um die durch
technischen Fortschritt erzeugte Arbeitslosigkeit abzubauen"
([AltvaterHeckerHeinrichSchaper-Rinkel], S. 120). Es wurde bereits erwähnt,
daß der Marxist Robert Kurz in Frage stellt, daß der Dienstleistungssektor
die Arbeitslosigkeit, die im industriellen Sektor entsteht, kompensieren
kann, da auch im DL-Bereich Automatisierungsöglichkeiten bestehen (vgl.
[Kurz1999], S. 718ff). Franz Ofner weist in [Ofner1997] darauf hin, daß
Tätigkeiten immer dann automatisierbar sind, wenn sie mathematisch und
formal logisch beschreibbar sind. Dann ist es leicht möglich, die
entsprechenden Tätigkeiten durch Maschinen zu ersetzen, auf denen Programme,
die mit Verzweigungen arbeiten (if Bedingung 1 then Aktion 1, if Bedingung 2
then Aktion 2 usw.) ablaufen. Dies ist auch im Dienstleistungsbereich der
Fall. Man/Frau denke z.B. an den Boom des Internetbuchversandes (Amazon
usw.) oder an die Möglichkeit, daß durch Informations- und
Kommunikationssysteme ein Medium zur Verfügung gestellt wird, daß Menschen
als Dienstleistende überflüssig macht (z.B. bei einem interaktiven
Reisebüro, E-Commerce, Online-Bankgeschäften usw.). Es kann also gesagt
werden, daß in fast allen Beschäftigungsbereichen
Automatisierungsmöglichkeiten bestehen, die auch wahrgenommen werden, da
dadurch Personalkosten eingespart werden können. Dies kann auch als ein
Grund für die Entstehung von Massenarbeitslosigkeit angesehen werden.

Es fällt auf, daß es Dienstleistungen gibt, bei denen keine Ware entsteht,
die im Tausch gegen Geld verkauft wird, um Profit zu realisieren. Dazu
gehören z.B. Tätigkeitsbereiche wie Dienstpersonal, öffentliche Verwaltung,
Tätigkeiten im Gesundheits- und Bildungsbereich (solange keine
Privatisierung stattgefunden hat und damit Gesundheit und Bildung nicht
direkt zu Waren geworden sind). Im Sinn von Marx kann gesagt werden, daß
diese Tätigkeiten keine produktiven sind: Es ensteht kein Produkt, das
verkauft wird. Daher kann auch kein Profit realisiert werden. Der Profit
entspringt aus dem Mehrwert durch eine Realisierung, wenn die Ware verkauft
wird. Wenn kein Verkauf einer Ware vorgesehen ist, so gibt es auch keine
Mehrwertproduktion. Bei den genannten Dienstleistungen entsteht kein
Mehrwert, daher handelt es sich nicht um produktive oder abstrakte Arbeit.
Vielmehr wird diese Arbeit entweder durch die Revenue oder aus öffentlichen
Geldern bezahlt.

Es stellt sich nun die Frage, ob sämtliche Tätigkeiten im
Dienstleistungsbereich unproduktive sind, bei denen kein Mehrwert entsteht.
Wird der Dienstleistungsbereich als Restkategorie verstanden, so erscheint
dies zweifelhaft, da wir es bei Dienstleistungen mit sehr heterogenen
Beschäftigungsarten zu tun haben. Diese Fragen sollen nun geklärt werden.
Insbesonders steht dabei im Vordergrund, ob die Arbeit im Bereich der
Computerindustrie mehrwertschaffend und produktiv ist.

Die beiden amerikanischen Systemanalytiker Jim Davis und Michael Stack
meinen, daß das Wertgesetz auf die Produktivkraft Wissen anwendbar ist: "Der
Tauschwert von Wissen ist somit die für Forschung, Analyse und Darstellung
notwendige Arbeit" ([DavisStack1995], S. 14). "Informationsverarbeitende
ArbeiterInnen können Mehrwert produzieren und sind damit produktive
ArbeiterInnen im marxistischen Sinne" (ebd., S. 19, Fußnote 26).

Der Informatiker Peter Fleissner vertritt im Gegensatz dazu in
[Fleissner1987] und [Fleissner1995] die Auffassung, daß Infomations- und
Wissensarbeit keine mehrwerterzeugende Arbeit ist, da der Output nicht
akkumulierbar sei: "[...] gilt die Arbeitswertlehre in der klassischen Form
nicht für solche Arbeitsbereiche, deren Output nicht akkumuliert werden
kann. Manche Dienstleistungen, jene, die im Augenblick ihrer Entstehung
verbraucht werden, die weder gelagert noch weiterverkauft werden können,
sondern sofort konsumiert werden müssen, stellen zwar Gebrauchswerte dar, da
aber wegen der Nichtakkumulierbarkeit kein Mehrprodukt, und wegen der
fehlenden stofflichen Basis auch kein Mehrwert erzeugt wird, sondern
Tauschwerte verbraucht werden, nenne ich diese Bereiche zum Unterschied von
den klassischen werterzeugenden Sektoren wertverbrauchend. Die Erzeugung von
Wissen in kapitalistischen Dienstleistungsbetrieben, Forschung und
Entwicklung, fallen genau unter diese Kategorie".

Im Dienstleistungssektor, so Fleissner, werden nur Gebrauchswerte erzeugt.
Die meisten Dienstleistungen seien aber nicht direkt an der Produktion von
Mehrwert beteiligt. Die Kapitalakkumulation und die Profite im
Dienstleistungsbereich ließen sich dadurch erklären, daß das reale
Preissystem vom Arbeitswertpreissystem abweiche. Es werde also durch den
Verkauf von Dienstleistungsprodukten sehr wohl Profit gemacht. In diesen
Produkten stecke jedoch kein Mehrwert, da dieser nur im industriellen Sektor
entstehen könne. Die Mehrwertmasse und die Profitmasse würden daher nicht
mehr übereinstimmen.

Der Dienstleistungssektor als Restkategorie ist ein äußerst heterogener
Beschäftigungsbereich. Daher stellt sich die Frage, ob gesagt werden kann,
daß bei sämtlichen Dienstleistungen kein Mehrwert produziert wird. Es
besteht auch die Möglichkeit, spezielle Dienstleistungen diesbezüglich zu
betrachten.

Der tertiäre Bereich absorbiert einen immer größeren Teil der
gesellschaftlichen Arbeit. Die Rahmenbedingungen der Warenproduktion, die
universitäre Wissenschaft, Transport, Kommunikation, Energieversorgung,
Ausbildung, der Gesundheitsbereich, sozialstaatliche Einrichtungen und
staatliche Dienstleistungen gehen in alle produktive Arbeit als
Voraussetzung indirekt ein, das Wertgesetz ist jedoch nicht auf sie
anwendbar: Sie fließen nicht als abstrakte, vergegenständlichte,
wertschaffende Arbeit in Waren ein, sondern gehen als gesellschaftliche
Arbeit in alle Produkte indirekt ein. Diese unproduktive Arbeit ist weder
wertschaffend noch wertzusetzend, sie wächst aber immer stärker an. Auf die
bereits erwähnten unproduktiven Dienstleistungen trifft Peter Fleissners
Argumentation sicherlich zu, da hier der Output tatsächlich nicht
akkumulierbar ist.

Im tertiären Sektor befinden auch jene Arbeiten, die mit der Schaffung von
Informationsprodukten wie CDs, Software, Filme, Videos, DVDs, Laserdiscs,
Minidiscs, usw. zu tun haben. Wie sieht es hier mit der Mehrwertproduktion
aus? Enthält ein Informationsprodukt wie eine Software einen Mehrwert? Ist
Programmieren eine produktive Arbeit im Sinn von Marx?

Betrachten wir also die Entwicklung einer Software: Das Wissen der
ProgramiererInnen erscheint in abstrahierter Form in einem Programm.
Software ist kodiertes Wissen. Der eigentliche Produktionsprozeß erfolgt mit
einem materiellen Träger wie CD, Diskette usw. industriell im Preßwerk (oder
die Software wird über das Internet vertrieben). Die Reproduktionskosten
dabei sind äußerst gering, eine einmal geschaffene Software kann mit äußerst
geringen Kosten vervielfältigt werden (c und v sind dabei also sehr gering).
Nur der stoffliche Träger der Information muß als fixes konstantes Kapital
permanent erneuert werden, nicht so das von den SoftwareentwicklerInnen
geschaffene Wissen: Die Kosten für seine Erzeugung fallen nur einmal an. Mit
Intellectual Property Rights (IPR, z.B. Patente, Urheberrechte) versuchen
Softwarefirmen die exklusive Nutzung von geschaffenem Wissen für sich zu
garantieren.

Erzeugt der Programmierer Mehrwert? Es sei nochmals an die Definition bei
Marx erinnert: "den Überschuß über den ursprünglichen Wert nenne ich -
Mehrwert" ([Marx1867], S. 165). Nach dieser Definition produzieren
ProgramiererInnen Mehrwert, da der Kapitalist die Arbeitskraft und die
notwendigen Produktionsmittel kauft. Der Wert einer Software entspricht aber
nicht der Summe von konstantem und variablem Kapital, sondern sie wird
teurer als das vorgeschossene Kapital verkauft. Daher muß ein Mehrwert in
ihr stecken. ProgrammiererInnen arbeiten mehr als sie bezahlt bekommen,
daher leisten sie Mehrarbeit und produzieren Mehrwert.

Wesentlich für den Mehrwert ist aber auch, daß er Selbstzweck ist, d.h. daß
er sich verwertender Wert ist: Ein Teil des Mehrwerts verbleibt in der
Zirkulation, wird wieder zum Ausgangspunkt des Akkumulationsprozesses in der
Form von Geldkapital G, das reinvestiert wird. "Die Zirkulation des Geldes
als Kapital ist dagegen Selbstzweck, denn die Verwertung des Werts existiert
nur innerhalb dieser stets erneuten Bewegung. Die Bewegung des Kapitals ist
daher maßlos" ([Marx1867], S. 167).

Die Produktion beispielsweise eines Autos folgt sehr wohl der Form
G-W..P..W'-G', G' wird erneut investiert, mehr Autos werden produziert,
damit G' weiter erhöht werden kann. D.h. es kann gesagt werden, daß der
Output des Produktionsprozesses akkumulierbar ist. Es werden Autos
hergestellt, damit sie verkauft werden, noch mehr Autos hergestellt werden
können und noch mehr Kapital akkumuliert wird.

Ist der Output von Informationsarbeit (z.B. Software) akkumulierbar? Eine
Software wird nicht erzeugt und verkauft, damit dieselbe Software in höherer
Anzahl neu programmiert wird. Es kann also nicht direkt von der
Akkumulierbarkeit der Software oder von Informationsprodukten gesprochen
werden. Dies kommt daher, daß Wissen die Eigenschaft hat, daß es nur einmal
erzeugt werden muß und nicht permanent reproduziert werden muß, damit es
verfügbar ist. Bei Rohstoffen ist dies z.B. nicht der Fall. Der Wert ist
Selbstzweck in Mehrwertform, da er im Kapitalkreislauf auf sich selbst
rückgekoppelt wird, der Endpunkt der Kapitalmetamorphose G' wird dabei zum
Ausgangspunkt G eines neuen Kapitalkreislaufes. Die Softwareentwicklung ist
kein rückgekoppelter Prozeß, es wird nicht ein mehr derselben Software durch
Reinvestition von akkumuliertem Kapital erzeugt.

Damit tatsächlich Profit aus Wissen entspringt, muß es eine materielle Basis
erhalten. Dies erfolgt durch seine Speicherung auf Datenträger, die seine
Vermarktbarkeit erlauben. Erst in dieser materiellen Form entsteht der
Tauschwert des Wissens. Die Software an sich, die sich auf einem lokalen
Rechner befindet, ist noch nicht tauschbar. Erst wenn sie einen Träger wie
Diskette, CD-ROM oder Internet bekommt, kann sie im großen Ausmaß gegen Geld
getauscht werden.

Die Software muß in den meisten Fällen industriell vervielfältigt werden.
Damit bekommt sie eine stofflich-materielle Basis. Diese industrielle
Vervielfältigung muß entweder als Dienstleistung angekauft werden oder sie
wird von einer Softwarefirma selbst durchgeführt. Beim industriellen
Fertigungsprozeß muß Arbeitskraft als variables Kapital v und konstantes
Kapital in Form der Maschinerie und des Rohmaterials (Disketten, CDs, ...)
angekauft werden.

Für jede Kopie der Software muß nun nicht mehr das zugrundeliegende Wissen,
das sich in der Software vergegenständlicht, neu geschaffen werden. Sobald
es einmal existiert und die Arbeiter, die es erzeugen, bezahlt wurden,
kostet es nichts mehr und es fließt gratis in die industrielle Produktion
ein. Das kodierte Wissen in Form der Software gehz nun quasi als kostenlose
Basis in jede Kopie ein. Jede einzelne Kopie wird teuer verkauft, also um
ein vielfaches ihrer Herstellungskosten. Es werden Softwarekopien
hergestellt, um sie zu verkaufen und um Reinvestitionen vorzunehmen.
Dadurch, daß eine Software eine materielle Basis erhält und industriell
vervielfältigt wird, wird sie akkumulierbar. Diese industrielle Prozeß folgt
dem Wertgesetz, genauso wie die Herstellung von Autos. Es gilt noch immer:
Je mehr Arbeit in eine Software hineingesteckt wird, desto teurer ist sie.
Aber es ist nicht so, daß der Preis einer Software der darin enthaltenen
Arbeit 1:1 entspricht. Das ist generell nicht der Fall und die Eigenschaften
des Wissens (muß nur einmal hergestellt werden, sehr einfach und günstig
vervielfältigbar) begünstigen dies.

Im dritten Band des Kapitals beschreibt Marx, daß die realen Preise von den
Arbeitswertpreisen (W = c + v + m) abweichen. Der Verkaufspreis einer
einzelnen Kopie des kodierten Wissens übersteigt seinen Arbeitswert bei
weitem. Marx führte den Produktionspreis im 3. Band des Kapitals ein: "Der
Preis einer Ware, welcher gleich ist ihrem Kostpreis plus dem im Verhältnis
ihrer Umschlagsbedingungen auf sie fallenden Teil des jährlichen
Durchschnittsprofits auf das in ihrer Produktion angewandte (nicht bloß das
in ihrer Produktion konsumierte) Kapital, ist ihr Produktionspreis"
([Marx1894], S. 168). Zur Erinnerung: Der Kostpreis k = c + v. Illustriert
sei dies an folgendem Beispiel, bei dem die Produktpreise dreier Waren
voneinander abhängig sind.

 Zusammensetzung  Wert Profitrate  Produktpreis

 I 80c+20v+20m    120  20%         120

 II 90c+10v+10m   110  20%         120

 III 70c+30v+30m  130  20%         120

Tab. 3.2.: Produktionspreisbeispiel nach [Marx1894], S. 174

Der Wert der drei Waren ist unterschiedlich, da sie jedoch voneinander
abhängen, muß die Durchschnittsprofitrate berechnet werden: Sie beträgt 20
Prozent. Der Durchschnittsprofit ist also pg=(20m+10m+30m)/3 = 20. Der
Produktpreis ergibt sich für jedes Produkt als c + v + pg, beträgt also für
alle drei Waren 120.

Dies soll zeigen, daß schon die klassische Arbeitswerttheorie erkannte, daß
der Preis eines Produktes nicht gleich dem Arbeitswert W = c + v + m ist. Es
sollte daher auch nicht überraschen, daß der Preis von Informationsprodukten
wie einer Software nicht mir ihrem Arbeitswert übereinstimmt.

Zusammenfassend: Software als kodiertes Wissen wird nur einmal erzeugt, dies
entspringt aus den spezifischen Eigenschaften des Wissens als Gut, das nicht
permanent neu erschaffen werden muß. Dabei produzieren die
ProgrammiererInnen Mehrwert. Dieser Mehrwert kann aber nur Selbstzweck sein,
also sich verwertender Wert, indem das Informationsprodukt industriell
vervielfältigt wird. Die Vervielfältigung ist ein eigenständiger Prozeß, der
erst nach der Erzeugung der Software erfolgen kann. In diese geht das
kodierte Wissen als unvergängliche, nun quasi gratis zur Verfügung stehende
Basis, die nicht erneuert werden muß, ein. Es fallen hier nur mehr das
variable Kapital, mit dem die VervielfältigerInnen bezahlt werden, und das
konstante Kapital (Disketten, CDs, Vervielfältigungsmaschinerie, ...) als
Kosten an. Nur durch diesen industriellen Prozeß kann die Mehrwertproduktion
zum Selbstzweck in Form einer Rückkopplung (G&rsquo wird zu G, damit beginnt
der Zirkulationsprozeß von neuem) werden. Der Preis einer Software
entspricht nicht ihrem Arbeitswert, da Wissen nur einmal erzeugt werden muß
und sehr günstig vervielfältigt werden kann. Wissen muß nicht permanent
reproduziert werden, damit es genutzt und verwertet werden kann. All dies
gilt nicht nur für Software, sondern auch für andere Informationsprodukte
wie Videos, Filme, Musik, usw.

Bei jenen Dienstleistungen, bei denen ein Informationsprodukt entsteht,
handelt es sich um produktive Arbeit, da Mehrwert produziert wird. Bei
anderen Dienstleistungen (Bedienstete, öffentliche Verwaltung, staatliche
Dienstleistungen wie Gesundheit, Bildung und Wissenschaft usw.) entsteht
kein Produkt, das getauscht wird. Daher handelt es sich hier um unproduktive
Arbeit, bei der kein Mehrwert entsteht. Diese Arbeit hat vielmehr jene
Bedeutung, daß sie die Basis und die Rahmenbedingungen der
Kapitalakkumulation herstellt.

Dazu sei nochmals die Sichtweise Peter Fleissners erwähnt: "Während in den
meisten Dienstleistungbranchen keine wertbildede Arbeit geleistet wird -
etwa im Handel, in der Lagerung, im Transport, in Banken und Versicherungen,
im Hotel- und Gaststättenwesen, in der Forschung, Bildung, im
Gesundheitswesen und im Staatsdienst - gibt es unter den Dienstleistern
warenproduzierende, wertbildende Ausnahmen, wie etwa Maler, Bildhauer oder
Programmierer (sofern sie branchenspezifische oder regionalspezifische
Standardsoftware, nicht jedoch, sofern sie Individualsoftware erzeugen), die
für einen Markt produzieren, und deren Tätigkeit in einem Gegenstand, der
auch nach Ende des Produktionsaktes fortexistiert, gelagert und akkumuliert
werden kann, seinen Niederschlag findet. Diese Dienstleister zählen im
obigen Sinn zu den wertbildend[en SIC!] Tätigkeiten" ([Fleissner1987], S.
48).

Ein weiterer bedeutender Mechanismus, um Profit mit Software zu realisieren,
ist, daß von Softwarefirmen Lizenzen zur Nutzung einer Software vergeben
werden. Solche Lizenzen sind teuer (etliche tausend Schilling beispielsweise
für Microsoft-Produkte), die Herstellung des einzelnen Softwareproduktes ist
jedoch äußerst billig.

Der philippinische Marxist und Grün-Politiker Roberto Verzola faßt dies
folgendermaßen zusammen: "Eine Diskette mit Software, die für einige Cents
kopiert werden kann, wird um 50 Dollar verkauft. Eine CDROM, die für 3
Dollar reproduziert werden kann, wird um 300 verkauft. [...] Der Verkäufer
macht Profit, indem er vom Staat ein Monopol für die Verwendung und das
Kopieren des Informationsproduktes erwirbt und indem das Sharing zwischen
UserInnen kriminalisiert wird. [...] Monopole erzeugen die Knappheit. Solche
Monopole sind euphemistisch bekannt als &lsquoIntellektuelle
Eigentumsrechte&rsquo (Intellectual Property Rights, IPR), der Hauptform des
Eigentums in einer Informationsökonomie. [...] Die neuesten
Veröffentlichungen von populärer Software, Songs und Videos werden sofort in
jeder Ecke des Globus kopiert. Tatsächlich globalisiert sich Information
automatisch ohne Rücksicht auf den Willen derer, die darauf bestehen, sie zu
monopolisieren. [...] Die Produkte einer Informationsökonomie sind aber
nichtmaterielle Güter. Die Reproduktionskosten von Informationsgütern sind
sehr gering. Dies hat zu der weitverbreiteten sozialen Praxis des freien
Teilens und Austausches von Information geführt. Informationsmonopole sind
zur Hauptform des Eigentums im Informationssektor geworden. [...] Produkte
dieser Informationsökonomie breiten sich weltweit aus, indem Menschen
umsonst Informationsgüter teilen und austauschen. [...] Daher braucht eine
Informationsökonomie ein globales System, um ihre Monopole geltend zu machen
und um Informationsmaterial weltweit zu sammeln, um Intellektuelle abzuhören
und natürlich um Zahlungen weltweit einzutreiben. Dies führt zur
Globalisierung der Informationsökonomie und ist der Motor der dritten Welle
der Globalisierung" ([VerzolaWeb], Übersetzung aus dem englischen, CF).

Wenn Veränderungen der Arbeitswelt in der Informationsgesellschaft in
Betracht gezogen werden, so muß auch ein Blick auf die Anwendung von Technik
geworfen werden. Der Technikeinsatz verändert die Arbeit. Im Kapitalismus
stehen Arbeit, Technik und die Profitraten in enger Beziehung zueinander.
Der bei Marx beschriebene tendenzielle Fall der Profitrate ist ein
wesentliches Moment ökonomischer und damit gesellschaftlicher Veränderung.
Damit verstanden werden kann, mit welchen Veränderungen der Weg in die
Informationsgesellschaft verbundenn ist, müssen all diese Aspekte
berücksichtigt werden. die folgenden kurzen Abschnitte setzen sich damit
auseinander.

Arbeit, Technik, relativer Mehrwert, der tendenzielle Fall der Profitrate
und ihre Bedeutung für Krisen des Kapitalismus

Marx hat zwei Methoden der Produktion von Mehrwert beschrieben: Die Methode
des absoluten Mehrwerts, bei der durch eine Verlängerung des Arbeitstages
Mehrwert entsteht. Dies stößt jedoch einerseits an institutionelle Schranken
in Form des gesetzlich beschränkten Normalarbeitstages und andererseits an
eine physische Schranke, da die Arbeitenden nicht maßlos belastbar sind.
Daher wird die Methode des relativen Mehrwerts immer bedeutender: Der
Arbeitstag zerfällt dabei in zwei Teile: Die Arbeit, die notwendig ist, um
das Lohnäquivalent zu produzieren und jene unbezahlte Mehrarbeit, die den
Mehrwert produziert. Durch den technischen Fortschritt, d.h. die Entwicklung
der technischen Produktivkraft, wird die Mehrarbeit verlängert. Der Einsatz
produktiverer Maschinerie als Methode des relativen Mehrwerts hat zur Folge,
daß der Arbeiter in derselben Zeit mehr produziert als zuvor, d.h. die
Produktivität steigt. Dies stellt eine Intensifikation der Arbeit dar: der
Exploitationsgrad der Arbeit/die Rate des Mehrwerts [Image]steigt, da mehr
Wert in kürzerer Zeit geschaffen wird. m steigt also an, während v in der
Regel gleich bleibt. Es erfolgt eine vergrößerte Wertverausgabung der Arbeit
in kürzerer Zeit. Zur Zeit von Marx stellten Erhöhungen der
Maschinengeschwindigkeiten eine häufige Form der Intensivierung dar, Technik
wurde somit zum Herrschaftsmittel. Ein modernes Beispiel der Intensivierung
der Arbeit aus dem Softwarebereich sind die Objektorientierte Programierung
(OOP) und Computer Aided Software Engineering (CASE): Spezielle grafische
Benutzerschnittstellen erlauben es dem/der SoftwareentwicklerIn,
Benutzerschnittstellen und Softwaremodule viel schneller herzustellen als
früher. Während die Programmierung einer Benutzerschnittstelle mit Turbo
Vision bei Turbo Pascal (nichtgrafisch) noch Stunden in Anspruch nahm, kann
dieselbe Arbeit heute mit CASE-Tools wie Delphi in wenigen Minuten erledigt
werden. Die Produktivität der Softwareentwicklung nimmt also durch diesen
technische Fortschritt zu, der/die ArbeiterIn erledigt mehr in der selben
Zeit als zuvor, die Arbeit hat sich also intensiviert.

Mit der zunehmenden Verwissenschaftlichung der Produktion, mit
fortschreitender Automatisierung und der damit verbundenen Rationalisierung
und der Computerisierung der Produktion hat die technische
Produktivkraftentwicklung eine neue Stufe, jene der digitalen Revolution,
erreicht. Durch die gesteigerte Produktivität wird die lebendige Arbeit in
der Warenproduktion immer unnötiger. Dies erklärt auch, warum der
Dienstleistungsbereich sich seit den 60ern immer weiter ausdehnte. In der
industriellen Produktion sind immer weniger Menschen nötig, daher wird
versucht, in anderen Bereichen Profit zu realisieren. Dies kann als die
eigentliche Ursache des Übergangs zur "Informationsgesellschaft" und der
Ausweitung des tertiären Sektors betrachtet werden. Durch die Erhöhung der
Produktivität und den verstärkten Einsatz von Maschinen in der digitalen
Revolution erhöht sich die organische Zusammensetzung des Kapitals [Image].
Daraus erwächst der tendenzielle Fall der Profitrate (TFPR) als Moment und
wesentliche Bedingung der ökonomischen Krisen seit den 70ern. Marx hat
diesen Fall der Profitrate im 3. Band des Kapitals genau beschrieben:

Der Einsatz neuer Maschinerie vermindert die Anzahl der beschäftigten
Arbeitenden, sie werden überflüssig, ihr Gebrauchs- und Tauschwert erlischt.
Ein Teil von v wird also in c verwandelt, das konstante Kapital produziert
jedoch keinen Mehrwert, dieser kann nur aus der lebendigen Arbeit erwachsen.
Ein Widerspruch besteht darin, daß die Rate des Mehrwerts [Image]dadurch
erhöht wird, daß sich die Arbeiterzahl verkleinert. Der Logik folgend,
müßten nämlich normalerweise mehr Arbeitende mehr Mehrwert als zuvor
schaffen. Hier verhält es sich aber eben umgekehrt: Eine geringere Anzahl
von Arbeitenden schafft mehr Mehrwert als zuvor. v nimmt relativ zu c ab
(d.h. die organische Zusammensetzung des Kapitals steigt). Um im Warenwert W
= c + v + m m mindestens gleich zu halten, muß die Rate des Mehrwerts durch
Steigerung von m erhöht werden. Dies kann durch die gesteigerte
Produktivität der neuen Maschinerie einfach gewährleistet werden. Der
Exploitationsgrad der Arbeit steigt, gleichzeitg nimmt die "überflüssige
Arbeiterpopulation"/die "industrielle Reservearmee", also das Heer der
Arbeitslosen, zu.

Durch Akkumulation wächst das Kapital. Trotz einer solchen absoluten Zunahme
kann durch den Einsatz produktiverer Maschinerie v relativ zu c abnehmen,
d.h., daß die organische Zusammensetzung des Kapitals steigt. Marx erläutert
den tendenziellen Fall der Profitrate mit folgendem Beispiel: Durch die
Entwicklung der Produktivkräfte wächst c relativ und absolut, die Rate des
Mehrwerts wird als konstant angenommen. Im Lauf von 5 Zeitschritten stellt
sich das in Tabelle 3.2. ersichtliche Ergebnis ein:

  i     ci      vi   [Image]

  1     50     100   [Image]

  2     100    100   [Image]

  3     200    100   [Image]

  4     300    100   [Image]

  5     400    100   [Image]

Tab 3.3..: Beispiel für den tendenziellen Fall der Profitrate ([Marx1894],
S. 221)

Die Profitrate fällt zeitlich. [Image] ist dabei konstant, würde jedoch m
anwachsen, so auch c und v. Wenn also z.B. bei i=1 c1 und v1 doppelt so groß
wären, also c1 = 100 und v1 = 200, so wäre auch m1 höher, z.B. m1=200. An
der Profitrate würde dies aber nichts ändern, sie wäre noch immer [Image] .
Dies zeigt, daß beim tendenziellen Fall der Profitrate v relativ zu c fällt,
obwohl die Kapitalmasse durchwegs steigen kann. Wenn also durch Akkumulation
das Kapital wächst, also c und v absolut, kann die organische
Zusammensetzung des Kapitals trotzdem steigen, wenn c auf Grund der
technisch erhöhten Produktivität schneller wächst als v.

Marx erwartete durch den TFPR die Verlendung der Massen, da immer mehr
Menschen aus dem Prozeß der Warenproduktion ausgeschlossen würden, wodurch
die Arbeitslosigkeit und die Armut zunehmen und die dermaßen proletarisierte
Bevölkerung zur sozialen Revolution übergehen würde, die kapitalistische
Produktionsweise aufheben würde. "Je größer der gesellschaftliche Reichtum,
das funktionierende Kapital, Umfang und Energie seines Wachstums, also auch
die absolute Größe des Proletariats und die Produktivkraft seiner Arbeit,
desto größer die relative Überbevölkerung oder industrielle Reservearmee.
Die zur Verfügung stehende Arbeitskraft wird durch dieselben Ursachen
entwickelt, wie die Expansivkraft des Kapitals. Die verhältnismäßige Größe
der industriellen Reservearmee wächst also mit den Potenzen des Reichtums.
Je größer aber die Reserve im Verhältnis zur aktiven Arbeiterarmee, desto
massenhafter die ständige Überbevölkerung, deren Elend im umgekehrten
Verhältnis zu ihrer Arbeitsqual steht. Je größer endlich die Lazarusschicht
der Arbeiterklasse und die industrielle Reservearmee, desto größer der
offizielle, amtlich anerkannte Pauperismus. Dies ist das absolute,
allgemeine Gesetz der kapitalistischen Akkumulation" ([Marx1867], S. 581f).

Marx betonte auch, daß es Gegentendenzen zum TFPR gibt: die Löhne v können
absolut gesenkt werden, es kann versucht werden, daß konstante Kapital zu
verbilligen, die Methoden des absoluten und des relativen Mehrwerts sind
anwendbar (z.B. Intensifikation der Arbeit durch Steigerung des
Exploitationsgrades der Arbeit, etwa: [Image]), der auswärtige Handel und
der Absatz von Waren über ihrem Wert (erhöht Profitrate) können gegensteuern
(letzteres bedingt die ständige Ausweitung des kolonialen Absatzmarktes),
das fixe konstante Kapital entwertet sich unbeständig oder das Kapital wird
gewaltsam (z.B. durch Krieg) entwertet. Im vierzehnten Kapitel des 3. Buches
des Kapitals beschreibt Marx diese Gegentendenzen detailliert (siehe
[Marx1894], S. 242-250).

Ohne solche Gegentendenzen würde der Kapitalismus zusammenbrechen. Bisher
zeig(t)en sich zwar zyklische Krisen des Kapitalismus, Gegentendenzen
verhindern aber zumeist den Zusammenbruch.

Der TFPR ist genauso wie die von Marx unpassenderweise so genannte "Anarchie
der Produktion", d.h. die unkoordinierte Produktion nach
Profitentscheidungen fernab des tatsächlichen Bedarfes, und die
Unterkonsumption, d.h. eine Störung im Warenkapitals W', das nicht mehr in
G' verwandelt werden kann (z.B. auf Grund mangelnder Nachfrage oder
Überproduktion), eine Ursache von zyklischen Krisen im Kapitalismus.

Seit den 70ern zeigt sich eine zyklusunabhängige Massenarbeitslosigkeit, die
digitale Revolution verstärkt die Arbeitslosigkeit immer mehr, die
gesellschaftlich notwendige durch den Menschen zu leistende Arbeit sinkt.
Wie damit umgegangen werden soll, ist eine Streitfrage. Fest steht, daß mit
weniger aufgewendeter Arbeit immer mehr Produkte im gleichen Zeitraum
produziert werden können.

Welche Folgen der TFPR für gesellschaftliche Entwicklungen seit den 60ern
hatte, werden wir in Abschnitt 3.6. sehen. Da der Technikeinsatz anscheinend
Arbeitslosigkeit verursacht, ist es sinnvoll, sich näher mit dem Verhältnis
von Technik und Gesellschaft auseinanderzusetzen.

Das Verhältnis von Technik und Gesellschaft

In westlichen Ländern zeigt sich ein Trend dazu, daß eine Elite von
High-Tech-Arbeitskräften entsteht, die sehr gut verdienen und mit
entsprechendem Streß und Überarbeitung zu tun haben. Parallel dazu steigt
die Anzahl der Arbeitslosen, befristeten Arbeitsverhältnisse, Teilzeitjobs,
ZeitarbeiterInnen, LeiharbeiterInnen, geringfügig Beschäftigten und der
prekären Arbeitsverhältnisse. Die digitale Revolution des Kapitalismus
produziert zwei Klassen: GewinnerInnen und VerliererInnen der
Automatisierung und der Zunahme der Bedeutung der Produktivkraft Wissen.
Erstere ist eine kleine Elite, die Anzahl jener, die zur zweiten zu rechnen
sind, steigt permanent.

Der Maschinensturm in der Form der Zerstörung von Maschinen war ein sozialer
Protestschrei im sich industrialisierenden England. Die erste derartige
Rebellion gegen die neue Verwertungslogik war 1811 die Ludistische Rebellion
der Strumpfarbeiter in Nottingham. Sie protestierten gegen Entlassungen und
Lohnkürzungen, indem sie nachts durch die Straßen zogen und Maschinen
zerstörten. Sie hielten also die Technik für den Verursacher sozialer
Probleme. 1812 wurde Maschinensturm mit der Todesstrafe belegt. Ist an
Armut, Lohnkürzungen und Arbeitslosigkeit, die klar in einem
Technikzusammenhang stehen, die Technik selbst Schuld oder ihre
gesellschaftliche Einbettung? Marx meinte zum Maschinensturm: "Es bedarf
Zeit und Erfahrung, bevor der Arbeiter die Maschinerie von ihrer
kapitalistischen Anwendung unterscheiden und daher seine Angriffe vom
materiellen Produktionsmittel selbst auf dessen gesellschaftliche
Exploitationsform übertragen lernt" ([Marx1867], S. 373).

Technik und Gesellschaft stehen in einem dialektischen Verhältnis, es
bestehen wechselseitige Abhängigkeiten und Wechselwirkungen. Technik kann
auf einer Mikroebene als Teilsystem der Gesellschaft (Makroebene) gesehen
werden. Die Wirkung der Gesellschaft auf die Technik besteht darin, daß der
Mensch die Technik gestalten kann und über den Technikeinsatz und dessen
Form entscheidet. Da die Technik auf die Gesellschaft rückwirkt, entstehen
soziale Auswirkungen des Technikeinsatzes. Diese sind nicht immer
vorhersehbar, oft entstehen unerwünschte Folgen. Der Technikeinsatz kann
gesellschaftliche Probleme, die als emergente Phänomene der Gesellschaft
gesehen werden können, erzeugen.

Soziale Probleme, die durch den Einsatz von Technik verschärft werden,
entspringen also nicht aus Eigenschaften der Technik selbst, sondern liegen
in der Einbettung der Technik in die Gesellschaft begründet. Nicht die
Technik schafft Arbeitslosigkeit, sondern ihre gesellschaftliche Anwendung
als Mittel der Automatisierung. Nicht die I&K-Technologie schafft Probleme
im Kontext der ökonomischen Globalisierung, sondern ihre gesellschaftliche
Verwendung als Medium und Verstärker der Globalisierung trägt dazu bei. D.h.
also, daß eine Technologie unter verschiedenen gesellschaftlichen
Rahmenbedingungen völlig andere Auswirkungen haben kann. Wie sieht dies
jedoch beispielsweise bei Kriegsmaschinerie, oder Kernenergie, also
Technologien, die mit der prinzipiellen Assoziation negativer Auswirkungen
verbunden sind, aus? Wer ist für die entsprechenden Folgewirkungen
verantwortlich? Gesellschaft oder Technik?

Die Anwendung von Kriegsmaschinerie ist verantwortlich für den Tod von
Menschen. Eine "positive" Verwendung ist also gar nicht möglich. Trotzdem
muß gesagt werden, daß sich die Gesellschaft diese Technologien selbst
schafft, es liegt in ihrem Ermessen, ob in Zukunft vollständig darauf
verzichtet wird oder nicht. Es ist auch eine Frage der gesellschaftlichen
Machtverteilung von Interessensgruppen, ob eine einmal als "gefährlich"
erkannte Technologie tatsächlich weiter verwendet wird oder nicht.
Tatsächlich sind die Folgen des Technikeinsatzes in manchen Fällen nicht
vollständig abschätzbar. Es kann z.B. heute nur erahnt werden, welche
emergenten Phänomene die Ausdehnung des Einsatzes der Gentechnologie hätte.
Dieser Einwand gilt jedoch nicht für die Kriegsmaschinerie, die auf Grund
ihres Zerstörungscharakters keine positive Verwendung haben kann. Die Vision
des Friedens wäre daher nur unter dem Verzicht des Einsatzes und der
Erzeugung von Kriegstechnologie realisierbar. Eine friedliche Gesellschaft
ist jedoch nicht nur abhängig von einem solchen Verzicht, sondern auch von
der Veränderung gesellschaftlicher Rahmenbedingungen, die heute zu immer
neuen Auseinandersetzungen führen.

Die Informationsgesellschaft ist also anscheinend mit gesellschaftlichen
Problemen konfrontiert, die mit der Anwendung von Technik verbunden sind.
Heißt das nun, daß ein Technikeinsatz, der den Menschen das Leben
vereinfacht, nicht möglich ist? Bedeutet der Einsatz von Technik prinzipiell
Not und Armut? Diese Fragen sollen jetzt geklärt werden.

Die Auswirkungen des Technikeinsatzes unter bestehenden gesellschaftlichen
Bedingungen

Es ist möglich, zwei Arten des Einsatzes von Technik in der nahen Zukunft zu
identifizieren:

1. Unter unveränderten Rahmenbedingungen werden die Unterschiede zwischen
einer qualifizierten Elite von ArbeiterInnen und Arbeitslosen sowie zwischen
Arm und Reich weiter wachsen. Die soziale Kluft wird sich einerseits in der
Nord-Süd-Richtung verstärken, d.h. ein Wohlstandstransfer von
kapitalistischem Zentrum in die Peripherie bleibt aus und kehrt sich noch
stärker als bisher um. Andererseits wird sich die soziale Kluft auch in den
kapitalistischen Metropolen weiter verschärfen: Eine kleine, herrschende,
reiche Elite und eine arme Masse, die vom Wohlstand ausgeschlossen bleibt.
Technik trägt über die Verstärkung des Rationalisierungspotentials und die
permanente Steigerung der Produktivität wesentlich zu einer derartigen
Entwicklung bei: Die gesellschaftlich notwendige Arbeit, die durch den
Menschen zu verrichten ist, nimmt ab, da es aber zu keiner
gesamtgesellschaftlichen Gleichverteilung des Wohlstandes und der zu
leistenden Arbeit kommt, nimmt das Heer der "industriellen Reservearmee" und
damit die Armut dramatisch zu.

Postkapitalistischer Technikeinsatz und die Aufhebung der Lohnarbeit

2. Es ist aber auch ein emanzipatorischer Nutzen aus Robotern,
Automatisierung, I&K-Technologien, Vernetzung und Computern vorstellbar:
Vorstellbar ist, daß die durch den Menschen zu verrichtende gesellschaftlich
notwendige Arbeit auf ein Minimum reduziert wird, indem der massive Einsatz
solcher Mittel den Faktor menschliche Arbeit entlastet. Eine vollständige
Automatisierung kann es dabei jedoch niemals geben, da beispielsweise
unvorstellbar ist, daß soziale Tätigkeiten von Maschinen übernommen werden.
Wenn es keine zwei Klassen von GewinnerInnen und VerliererInnen der
Automatisierung gibt und alle gleichermaßen von der maschinellen Tätigkeit
profitieren können, so erscheint eine solche Vorstellung realisierbar.
Derzeit führt die digitale Revolution zur Zunahme der sozialen Kluft und
damit zur Verstärkung gesellschaftlicher Spannungen, eine Dichotomie
zwischen hochqualifizierten techno-wissenschaflichen ArbeiterInnen als High
Tech-GewinnerInnen und immer mehr unter prekären Umständen lebenden
ArbeiterInnen als VerliererInnen der digitalen Revolution manifestiert sich
immer deutlicher.

Derzeit bedeutet Arbeit im wesentlichen Lohnarbeit, sie ist eine
wertbildende Tätigkeit. Es ist ein bestehender gesellschaftlicher Zwang, daß
Menschen ihre Arbeitskraft verkaufen und damit Mehrwert produzieren bzw.
dazu notwendige Rahmenbedingungen (z.B. als techno-wissenschaftliche
ArbeiterInnen) gestalten. Eine der ersten Fragen, wenn man/frau jemanden
kennenlernt, ist meist: "Was machst du?". Und das vermittelt, daß jemand nur
als gesellschaftlich akzeptabel gilt, wenn er/sie einen "anständigen" Job
hat und daß wir derart sozialisiert werden, daß wir die Lohnarbeit als eine
Notwendigkeit betrachten. Das Nachdenken über Alternativen dazu kommt den
Menschen entweder nicht einmal in den Sinn oder es wird als ein Hirngespinst
abgetan. Die Arbeit ist nicht nur bürgerlicher Fetisch, sondern sie wurde
auch zu einem Ideal der Arbeiterbewegung und des sogenannten
"Realsozialismus". Erwartet wurde, daß ArbeiterInnen freiwillig hart für den
Nutzen der Gemeinschaft arbeitet. Der Kommunismus war also
Arbeitsgesellschaft, nicht die Befreiung der Gesellschaft von der
Lohnarbeit, sondern die Befreiung der Lohnarbeit aus ihren kapitalistischen
Fesseln stand im Vordergrund.

Und auch heute lautet eine der zentralsten und häufigsten Ankündigungen von
PolitikerInnen, daß sie Arbeit schaffen und Vollbeschäftigung garantieren
werden. Mit der permanenten Steigerung der Produktivität durch die digitale
Revolution entwickelt sich die organische Zusammensetzung des Kapitals immer
mehr zugunsten des konstanten Kapitals. Immer weniger Arbeitende werden
benötigt, um immer schneller Waren herzustellen. Die Rate des Mehrwerts
steigt, indem weniger Arbeiter beschäftigt werden und die Arbeit durch
Technikeinsatz intensiviert wird. Der konstante Anteil des Kapitals steigt
dazu also relativ zum variablen. Wie diese Ankündigung also realisiert
werden soll, wenn die Arbeit tatsächlich immer weniger wird und der Staat im
Neoliberalismus zum nationalen Wettbewerbsstaat wird, erscheint ein Rätsel.
Die Arbeit wird immer weniger, im Kapitalismus hat dies fatale Folgen. Dies
erkannte auch Marx: Die Maschinerie sei das gewaltigste Mittel, um "die zur
Produktion einer Ware nötige Arbeitszeit zu verkürzen" ([Marx1867], S. 347),
die Auswirkungen des Technikeinsatzes bestimmen sich jedoch aus dem
Verhältnis von Technik und Gesellschaft, also den gesellschaftlichen
Rahmenbedingungen des Technikeinsatzes: "Die von der kapitalistischen
Anwendung der Maschinerie untrennbaren Widersprüche und Antagonismen
existieren nicht, weil sie nicht aus der Maschinerie selbst erwachsen,
sondern aus ihrer kapitalistischen Anwendung! Da also die Maschinerie an
sich betrachtet die Arbeitszeit verkürzt, während sie kapitalistisch
angewandt den Arbeitstag verlängert, an sich die Arbeit erleichtert,
kapitalistisch angewandt ihre Intensität steigert, an sich die Arbeit
erleichtert, kapitalistisch angewandt ihre Intensität steigert, an sich ein
Sieg des Menschen über die Naturkraft ist, kapitalistisch angewandt den
Menschen durch die Naturkraft unterjocht, an sich den Reichtum des
Produzenten vermehrt, kapitalistisch angewandt ihn verpaupert usw., erklärt
der bürgerliche Ökonom einfach, das Ansichbetrachten der Maschinerie beweise
haarscharf, daß alle jene handgreiflichen Widersprüche bloßer Schein der
gemeinen Wirklichkeit, aber an sich, also auch in der Theorie gar nicht
vorhanden sind" ([Marx1867], S. 385).

Dem Argument, daß eine höhere Produktivität tendenziell mehr Arbeitslose
schafft, wird oft entgegengehalten, daß durch Technikeinsatz auch neue
Arbeitsplätze geschaffen werden. Schon in der klassischen Ökonomie meinte
beispielsweise David Ricardo, daß Technik zwar Arbeitslosigkeit schaffen
kann, diese sei jedoch nur ein Übergangsphänomen, da es durch eine
gesteigerte Produktivität zu einer Langzeitkompensation käme. Auch
klassische bürgerliche Ökonomen wie MacCulloch oder Senior meinten, daß eine
durch Maschinerie verursachte Arbeitslosigkeit nur vorübergehend sein könne,
da durch die Anwendung der Maschinen neue Arbeitsplätze geschaffen würden,
die eine vollständige Absorption der freigesetzten Arbeiter in der
Arbeitsmarkt erlaubten. An diesen Kompensationstheorien kann kritisiert
werden, daß die Freisetzung von Arbeitenden bedeutet, daß aus KäuferInnen
NichtkäuferInnen in gewissen Bereichen werden, da sie weniger Geld zur
Verfügung haben. Die Nachfrage in diesen Bereichen wird also vermindert, die
Profitraten sinken und es kommt zu weiteren Entlassungen. In einer solchen
Situation führt also Arbeitslosigkeit zu noch mehr Arbeitslosigkeit. Eine
einfache Kompensation kann m.E. auch deshalb nicht möglich sein, da die
freigesetzen Arbeitenden sehr unwahrscheinlich die Kompetenzen haben, die
für neu geschaffene Arbeitsplätze notwendig sind. Dies ist eine Frage der
Qualifikation, in der derzeitigen Situation gibt es vor allem neue
Arbeitsplätze im hochqualifizierten techno-wissenschaftlichen Bereich
(ProgrammiererInnen, SystemanalytikerInnen, Multimediajobs, usw.), während
unqualifizierte und niedrig qualifizierte Arbeiten Opfer der
Rationalisierung sind. Technikeinsatz erzeugt zwar eine Arbeitszunahme, Marx
meint dazu jedoch beispielsweise (Vgl. den Abschnitt über
Kompensationstheorien im 13. Kapitel des 1. Bandes des Kapitals, [Marx1867],
S. 381ff), daß diese immer kleiner sei als die durch die Anwendung bewirkte
Arbeitsabnahme. Durch den Maschinenbetrieb wächst die Maschinenindustrie,
ihr Wachstum hängt jedoch vom Verhältnis ihres konstanten und variablen
Kapitals zu diesen Kapitalteilen in jenen Bereichen, die die Maschinen
verwenden, ab. Ein Beispiel: P1 sei der maschinenproduzierender Bereich, P2
der maschinenanwendende. c1, c2, v1, v2 sind die enstprechenden Kapitalteile
in P1 bzw. P2, m1 und m2 die Mehrwerte der Maschine als erzeugte Ware in P1
bzw. einer durch diese Maschine in P2 erzeugten Ware. w1 = c1 + v1 + m1, w2
= c2 + v2 + m2. v1 wird auf Grund des Kapitalwachstums wachsen, v2 relativ
sinken (Maschinenanwendung reduziert v relativ zu c). Steigt v1 jedoch zu
stark, so werden die Kapitalisten in P2 die Maschine aus P1 nicht kaufen, da
sonst c2 derart steigt, daß es günstiger ist, die bisher beschäftigten
Arbeiter weiter zu beschäftigen.

Nicht "Hoch die Arbeit" und "Recht auf Arbeit" müssen die Devisen lauten,
als Möglichkeit erscheint auch die konsequente Reduzierung der durch
menschliche Hand zu verrichtenden, gesellschaftlich notwendigen Arbeit und
durchwegs das "Recht auf Faulheit" ([LaFargue1887]). Aber nicht im Sinne
eines prinzipiellen Nichtstuns, sondern im Sinn einer Ausweitung der
Freizeit. Dazu erscheint jedoch die Veränderung der gesellschaftlichen
Rahmenbedingungen eine Notwendigkeit: die bestehende Wertform der Arbeit als
Quelle der Produktion von Mehrwert, die Durchdringung aller
gesellschaftlichen Bereiche mit dem Konkurrenzprinzip, das Profitprinzip,
die Produktion nach reinen Profitinteressen fernab vom gesellschaftlichen
Bedarf, eine asymmetrische Verteilung von Macht und Eigentum und das
Lohnarbeitsprinzip scheinen dieser Veränderung im Weg zu stehen und müßten
einer Gleichverteilung von Macht, Wohlstand und Eigentum sowie einer
Aufhebung von Lohnarbeit, Konkurrenz, Profitprinzip und der Warenform zu
einer Form der Gesellschaft, in der jedeR nach seinen/ihren Bedürfnissen
bekommt und nach seinen/ihren Fähigkeiten arbeitet und in der die Produktion
auf Basis kurzfristiger Bedarfserhebungen organsiert ist, weichen.

Unter veränderten gesellschaftlichen Rahmenbedingungen erscheint also das
Verhältnis von Technik und Gesellschaft so gestaltbar, daß dessen derzeitige
gesellschaftliche Effekte - wobei es sich im wesentlichen um die
Verschärfung globaler Probleme wie Armut und Arbeitslosigkeit handelt -
aufgehoben werden. Dazu erscheint nicht die Schaffung von Lohnarbeit nötig,
sondern ihre Abschaffung. Eine veränderte Produktionsweise unter der
Zuhilfenahme von I&K-Technologien wäre in einer postkapitalistischen
Gesellschaftsformation prinzipiell vorstellbar. Wie könnte sie aussehen?

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