Message 01168 [Homepage] [Navigation]
Thread: oxdeT01154 Message: 3/20 L2 [In index]
[First in Thread] [Last in Thread] [Date Next] [Date Prev]
[Next in Thread] [Prev in Thread] [Next Thread] [Prev Thread]

Re: [ox] Gedanken von den Berliner Konferenzen



Hi Markus!

Yesterday Markus Lauber wrote:
Stefan Merten wrote:
Spannend fand ich aber an dem zweiten Panel, wie da die alte und die
neue Welt aufeinandertrafen. Als Vertreter der alten Welt tat sich
Wolfgang Schimmel von den IG Medien hervor, der eigentlich nichts
anderes im Sinn hatte, als althergebrachte Standesinteressen zu
verteidigen. Zugespitzt würde ich sagen, daß es ihm am liebsten wäre,
wenn wir Computer oder mindestens das Internet wieder abschaffen. Als

Ich finde diese Kennzeichnung gewerkschaftlicher Arbeit schon mehr als
entlarvend.

Momang. Das war nicht meine Kennzeichnung, sondern die von dem
zitierten Herrn. Glücklicherweise haben wir hier auf der Liste auch
Leute von der IG Medien, die deutlich weniger ihrer Zeit hinterher
sind als der liebe Herr Schimmel.

Was meinst Du denn ist die Alternative zu einer Verteidigung von
Arbeitnehmerinteressen?

Na wer verteidigt die denn überhaupt? Die Gewerkschaften? Und vorneweg
die IG Chemie oder was? Das ich nicht lache - und das weißt du ja auch
selbst.

Die computergestuetzte Subsitenzwirtschaft?

Wie kommst du auf diese idiotische Idee mir das zu unterstellen?
Zuviel Fritjof Bergmann gelesen oder was? Ich heiße jedenfalls Stefan
Merten...

Ich
schaetze der IG Medien

Ich habe gelernt, daß es "die IG Medien" nicht gibt.

geht es wie den anderen Gewerkschaften nicht darum
Computer abzuschaffen,

Woher nimmst du die Sicherheit, daß die Gewerkschaften das nicht
wollen? Es gab Zeiten, da war die Skepsis jedenfalls groß.

Und BTW: Im Interesse einer Interessenvertretung kann das ja durchaus
richtig sein. Dann müßten die das einfach fordern.

sonder das was man damit tut einer
gesellschaftlichen/demokratischen Rueckkopplung zu unterwerfen und die
entstehenden Produktivitaetsfortschritte anders zu verteilen.

Das Problem ist, daß du die Produktivitätsfortschritte im Web nicht
bei irgendwelchen bösen Arbeitgebern - Entschuldigung: netten
Tarifpartnern - hast, sondern jedeR KopiererIn ihrE eigeneR VerlegerIn
ist. Wenn dann jemensch wie der o.g. Herr lediglich die
Standesinteressen der AutorInnenschaft vertritt, dann mußt du mir mal
erklären, was daran der Fortschritt in der
gesellschaftlich/demokratischen Rückkopplung ist und wie die
Produktivitätsfortschritte dann mit gewerkschaftlicher Hilfe anders
verteilt werden sollten.

Aber das ist genau der Punkt, wo du einfach begreifen mußt, daß die
digitale Kopie diese ganzen ollen Kamellen einfach unterläuft. Da ist
es einfach überholt sich mit den Konzepten der Buchdruck-Ära zu
positionieren.

Vertreter der neuen Welt präsentierte sich Pit Schultz (hi Pit :-) ),
der viel im Bereich der Musik macht. Vor allem Streaming aus
Musik-Clubs wenn ich's richtig verstanden habe.

Meinst Du also die Alternative zu gewerkschaftlicher Vertretung sei das MP3
Streaming in Clubs oder wie darf ich das verstehen?

Da müßtest du mir schon genauer auseinanderlegen, wie du aus dem
Gesagten auf diesen Schluß kommst. Dann beantworte ich gerne deine
Frage.

Einen interessanten Ausspruch zum Thema Freie Software und Eigentum
fand ich allerdings: "Freie Software *unterläuft* kapitalistische
Eigentumsrechte". Das finde ich das mit Abstand treffendste zu diesem
Thema, was ich bisher gehört habe.

Das mag sie tun. Die Frage ist, ob dies nicht eher ein Randphaenomen in
einem Teilbereich einer ansonsten kapitalistisch gepraegten Gesellschaft
ist.

Wenn du unsere Diskussionen länger (oder aufmerksamer?) verfolgt
hättest, dann hättest du bemerkt, daß wir über genau diese Frage
nachdenken. Mir fallen dazu jetzt jedenfalls viele, viele Gedanken
dazu ein, die hier schon geäußert worden sind.

Und selbst wenn, der realexistierende Kapitalismus war immer schon in
der Lage neue und effektive Verfahren zu integrieren (Gruppenarbeit im
Postfordismus, Wegrationalisieren von Repressionsinstanzen).

Der Kapitalismus kann Freie Software und deren Erfolg nicht
integrieren - jedenfalls nicht, ohne den Erfolg zu zerstören. Es geht
nicht, weil die Selbstentfaltung, die den Kern der Freien Software
bildet, nicht mit der Fremdbestimmung kompatibel ist, die den Kern der
kapitalistischen Lohnarbeit ausmacht. Hast du sicher nur kurz
vergessen, denn diese Aussage kommt hier so ca. einmal im Monat und
steht auch in den diversen Texten, die dir auf der Web-Site sicherlich
aufgefallen sind.

Und selbst Integrations-/Zerstörungsversuche müssen fehlschlagen, weil
die einmal in die Welt gesetzte Freiheit der Freien Software nicht
mehr einzufangen ist. Selbst wenn z.B. Folgeprodukte Freier Software
auf irgendeinem Weg privatisiert werden sollte - was nach GPL nicht
geht, aber die mag irgendwie anfechtbar sein -, dann kann jedeR das
Verfügbare nehmen und Frei weitermachen. Im extremsten Notfall kannst
du auch ganz von vorne anfangen.

Wenn die
Produktion von Software kuenftig zwar gesellschaftlich erfolgt, aber nicht
mehr einer Mehrwertverwertung zuzufuehren ist - so what. Die Fabriken,
Minen, Logistikkonzerne usw. werden deswegen deswegen noch lange nicht
darauf verzichten.

Na ja, die Anfänge siehst du in der kapitalistischen industriellen
Produktion ja schon. Da wird menschliche Arbeitskraft zunehmend durch
Roboter oder andere informatisierte Verfahren ersetzt. Damit
unterliegt aber auch die materielle Produktion immer stärker der
Produktion von Informationen und gehorcht immer mehr deren Gesetzen.
Z.B. wäre also auch zu erwarten, daß Freie Hardware-Projekte eine
höhere Qualität aufweisen, als kommerzielle Hardware-Projekte. Werden
wir sehen, die Link-Liste auf der Web-Site gibt ja immerhin einige
Hinweise.

Es wäre also langfristig durchaus zu erwarten, daß Freie Projekte den
kommerziellen den Rang ablaufen - weil sie kostenlos *und* besser
sind. Freie Software macht das jedenfalls schon vor. Die aktuell
spannenden Entwicklungen laufen wohl im Bereich der Musik ab - wir
leben in spannenden Zeiten.

Und auch diese Auseinandersetzung ist noch lange nicht gelaufen. Wenn man
sieht wie willfaehrig die Bundesregierung grossen Konzernen ihre
Monopolgewinne sichert, egal ob sie nun Telekom, Thyssen (Transrapid),
Holzmann, EADS (Eurofighter) oder wie auch immer heissen, darf man annehemn,
dass hier das Potential noch nicht ausgeschoepft ist.

Stimmt: Eine Freie Bundesregierung müßte her ;-) . Am besten im Sinne
von Andy Müller-Maguhn: "Macht doch was ihr wollt, ich mache es ja
auch" ;-) .

Und es ist dann sicher
auch kein Zufall wenn sich Leute wie Schroeder demonstrativ mit Bill Gates
beim Verteilen 'kostenloser' Softwarepakete an Schulen zeigen. Zum Gleuck
wird im Innenministerium und im Forschungsministerium offenbar verstaerkt
ueber den Einsatz freier Software nachgedacht, aber gelaufen ist die
Auseinandersetzung noch lange nicht.

Niemensch hat gesagt, daß die Bundesregierung ein Agent der
GPL-Gesellschaft ist. Allerdings ist es wohl so, daß mittlerweile
einige Leute in der Verwaltung von der Faszination angesteckt sind,
die Freie Software ausstrahlt - ein Phänomen übrigens, das du in
Computerkreisen überall findest.

Und ich wuerde mal tippen, dass Produkte (wenn es denn solche sind) wie
Linux auch auf eine gewisse Markenbildung (Branding) angewiesen sind um sich
ausserhalb einer verschworenen Community (:-) durchzusetzen

Was meinst du mit Branding?

- ich kann mir
durchaus vorstellen, dass man gegen Laeden wie SuSE und redHat eines Tages
z.B. kartellrechtlich vorgeht -

Auf welcher Grundlage?

Aber wenn es so wäre, daß gegen die repressiv vorgegangen würde, dann
wäre das nur ein Beweis dafür, daß die bürgerliche Gesellschaft und
ihre Agenten die existentielle Bedrohung erkannt hätten, die für sie
von Freier Software ausgeht. Hoffen wir, daß sie das nicht so bald
merken.

und ob dann eine GPL vor Gericht oder der
EU-Kommission Bestand hat, scheint mir ungeklaert.

Das wäre natürlich zu klären. Aber ich wüßte mit bestehenden Gesetzen
nicht, was da anfechtbar sein sollte.


						Mit li(e)bertären Grüßen

						Stefan


----------------------
http://www.oekonux.de/



[English translation]
Thread: oxdeT01154 Message: 3/20 L2 [In index]
Message 01168 [Homepage] [Navigation]