[ox] Einleitungsartikel Perspektivwechsel
- From: UlrichLeicht t-online.de (Ulrich Leicht)
- Date: Wed, 25 Oct 2000 21:00:34 +0200
helmut free.de
UlrichLeicht t-online.de
Listige aller Orten und andere Interessierte
Infos und Grüße aus Dortmund. Die Artikel 2. und 3. wurden Euch schon
zugemailt, bzw. kann mensch bei den angegebenen Webadressen einsehen und/oder
herunterladen. Es folgt der Rest, den wir in die Debatte der bundesweiten
gewerkschaftslinken Vernetzung zur Diskussion einbringen
Uli
*********************************** Der Text ******************************
Dortmunder Vorschläge zur Anregung der Wiederaufnahme der Debatte um
gewerkschaftliche Perspektiven.
(Da wir vermutlich nicht an der Frankfurter Konferenz teilnehmen können,
reichen wir dies schriftlich ein)
Neben dem hier folgenden Einleitungsartikel zur Notwendigkeit der Debatte
und zur Erläuterung und Stützung unseres Anliegens und von uns favorisierter
Orientierungen haben wir drei Beiträge anzubieten, einen neuen eigenen und
zwei von anderen AutorInnen:
1. Helmut Weiss/Ulrich Leicht
Tradierte Konzepte überwinden
Open Theory für die gewerkschaftliche Zukunft - (Light) Version 1.2
Sieben Thesen. Mehrere Hochzeiten - und ein Todesfall?
2. Mag Wompel (maintainerin www.labournet de.) "Fetisch Arbeit und die
Gewerkschaftslinke" (zu finden unter:
http://www.labournet.de/diskussion/arbeit/bfa-ak.html)
Ein hervorragender Artikel, der schon länger auch im Netz steht, aber
in der Debatte, unserem Eindruck nach, leider nicht genug Beachtung findet.
Er setzt sich anläßlich des "2. Bündnisses für Arbeit ..." in ähnlicher Weise
auch kritisch mit dem Arbeitsfetischismus - wie der dritte noch ältere Text -
und anderen Defiziten der Gewerkschaftslinken auseinander.
3. Robert Kurz, "Die deutsche Version der sozialen Paralyse: ein 'Bündnis für
Arbeit'" (Das dritte Kapitel des Textes "Letzte Gefechte", der vollständig
unter http://www.giga.or.at/others/krisis/r-kurz_die-letzten-gefechte_krisis18_
1996.html zu finden ist)
Dieser Text setzt sich nicht nur konkret mit dem ersten "Bündnis für
Arbeit", sondern auch grundsätzlich mit der Entwicklung der Gewerkschaften
in diesem Lande, ihrem Dilemma und möglichen Auswegen auseinander, und
verleiht dabei dem aus unserer Sicht für die Debatte um Perspektiven
notwendigen wert- und arbeitskritischen Aspekt besonderes Gewicht.
---------------------------- Einleitungsartikel ---------------------------
Quo vadis Gewerkschaftslinke?
Für einen Perspektivwechsel der um Perspektiven ringenden Gewerkschaftslinken
Das Ringen der Gewerkschaftslinken um eine Perspektive ist nach anfänglichen
Bemühungen, Artikeln, Plattformen und Plattform-Weiterentwicklungen (wie die
ohnehin im spannenden Punkt 15. abgebrochenen und dann nie weiter geführten,
erstmals ansatzweise in neue Richtungen weisenden Thesen Bachmann/Riexinger)
zum Stillstand gekommen.
Auch wenn die Programm-Gestaltung des jetzigen Kongresses in Frankfurt die
Wiederaufnahme der Debatte nicht vorsieht, ist es für eine Gewerkschaftslinke,
die diesen Namen auch verdient, existenziell, der Wiederbelebung der
klammheimlich eingeschlafenen Debatte um einen Perspektivwechsel, also den
notwendigen strategischen Teil der Klärung gewerkschaftlicher Politik, noch
einmal auf die Sprünge zu helfen.
Natürlich ist es nicht falsch sich konkreten Themen zu widmen - Renten,
Tarifpolitik, Mitbestimmung. Ohne Frage sind wir dort mit neuen Angriffen auf
soziale Errungenschaften konfrontiert, die aber auch nicht nur Ergebnisse des
konkret verabredeten Bündnisses Nr.2, sondern Folge schon immer auch solch
weniger offiziell bzw. unter anderen etiketten betriebener Bündnispolitik
bundesdeutscher Gewerkschaften schlechthin geschuldet sind.
Zumindest werden sich von alleine aus dem Tummeln auf den von kapitalistischen
Marktfetischisten, Politik, Staat vorgegebnen konkreten Politikfeldern keine
neuen Perspektiven ergeben, es besteht eher die Gefahr bzw. bewahrheitet sich
schon, daß ohne die grundätzliche, strategische und für uns heißt das auch
systemsprengende Orientierung diesen eben auch selbige fehlt oder abhanden
kommt.
Was jetzt stattfindet ist ja alles andere als neu. Jetzt werden nur vorwiegend
altbekannte Konzeptionen (versuchtes Revival von Keynes versus Neoliberalismus,
"rheinisch-kapitalistisches Sozialpartnetschaftsmodell" gegen "angelsächsisch
radikal-marktwirtschaftlichen Shareholder-Kapitalismus") gemeinsam von Kräften
angegangen, die bis vor einiger Zeit nicht an einem Tisch, in gemeinsamen
Arbeitsausschüssen usw. saßen. Für deutsche Verhältnisse und linke Streitkultur
ist dies ja nicht wenig aber reicht das aus? Bleibt es nicht letztlich schön
deutsch bieder, anbiedernd und althausbacken?
Wer beispielsweise seit zwei Jahren mit dem Konzept eines "Bündnis für Arbeit
..." als neuer Etappe des Sozialparterschaftsmodells à la BRD in Form des
Korporatismus für den Fetisch Standort und Wettbewerb als
Krisenbewältigungsmodell konfrontiert ist und sich als Linke nicht dazu
aufraffen kann,
1. ein grundsätzliches Nein gewerkschaftlichen Engagements dagegen in den
Mittelpunkt zu rücken und dort
2. eine neue wegweisende Perspektive jenseits der Slogans "Für eine neue
Poltik", "Arbeit für alle", "Vollbeschäftigung", "soziale Gerechtigkeit" usw.
also "Einforderung der Wahlwerbeslogans" zu entwicklen, der wird kein besseres
Schicksal erfahren, und hat es auch nicht verdient, als die real existierenden
bundesdeutschen Gewerkschaften - Auslaufmodell. Für uns als leidenschaftliche
Anhänger einer konkreten ver.di-Politik, die hätte sein können und müssen die
Möglickeit eines Neuansatzes und Runderneuerns bisheriger klassischer
Gewerkschaftspolitik, stellen wir fest, dies gilt leider auch für die reale
"ver.di"-Gewerkschaft (ob als "5er" oder noch schlimmer "4[PHONE NUMBER REMOVED]"- Variante) -
gestorben bevor richtig geboren, ein megagroßer Papiertiger ohne Krallen, mit
alten Inhalten und keinesfalls neuen und umwälzenden, weil Matrix-Strukturen,
wie unsere geschätzte IG-Medien-Kollegin Sybille Stamm meint.
Da wir alle miteinander suchende und fragende sind, finden wir es richtig, daß
nicht auf "Deubel komm raus" versucht werden soll, diesen Findungsprozeß durch
Verabschiedung von Plattformen zu behindern oder auf falsche Kompromisse und
Konsense einzufrieren. Das wäre nur die Kehrseite des jetzt eingetretenen
Aussetzens der Debatte. Denn es steht ja außer Frage, daß sich in dieser
Vernetzung, und das muß so sein, real sehr unterschiedliche Kräfte der Linken
versammeln. Da der Punkt 15 in den Thesen "Linke Strömumg in den
Gewerkschaften" vielleicht auch nicht zufällig noch aussteht, haben wir uns ja
diesen notwendigen Klärungen auch über Vergangenes noch nicht gestellt.
Uns ist noch im Ohr die Intervention von Wolfgang Schaumberg (GoG Bochum) 1999
in Stuttgart "Was ist eigentlich links an dem, was wir hier veranstalten?".
Denn wie Wolfgang haben natürlich etliche der Teilnhmer an diesen Runden als
Gewerkschaftsmitglieder schon sehr konkrete, auch konfrontative und dennoch
auch erfolgreiche gewerkschaftsoppositionelle Politik - z. B. mit
oppsitionellen Listen zu Betriebsratswahlen (1972/1975 - einige von uns haben
entsprechende Erfahrungen und an Bemühungen um Sammlung dieser Kräfte zu einer
Vernetzung der Gewerkschaftsopposition vor mehr als 25 Jahren, die mißlang und
KPD/ML-parteigelengt zu einer verfehlten Neuauflage der RGO in engeren
Zusammenhängen pervertierte, teilgenommen).
Der Großteil der anderen Teilnehmer der jetzigen Vernetzung, stand diesen
Ansätzen, sofern er sich damals links einordnete, nicht nur kritisch sondern
in altlinker Manier "feindlich" und mit dem Vorwurf "Spaltungsmanöver"
gegenüber. Während mancher Wortführer der Gewerkschaftslinken heute damals
vielleicht Befürworter der Unvereinbarkeitsbeschlüsse war, befinden sich unsere
anwesenden Gewerkschaftsoppositionellen aus dem Chemiebereich noch heute
weitgehend im "Exil" und wurden und mußten nicht wie die Freunde von Opel
Bochum oder Hoesch-Spundwand, deren Kämpfe und Engagement wir zurecht als
ermutigende Beispiele heute hochhalten, wieder in die IG Metall
aufgenommen werden.
Oder welche Schlüsse sind zu ziehen aus den Erfahrungen des Versuchs der
Betriebs- und Gewerkschaftslinken um "express", eine antikapitalistische
Perspektie aus "sozialistischer Betriebs- und Gewerkschaftspolitik" zu
gewinnen?
Den am meisten angesehenen und sozusagen salonfähigen Part - auch in
akademisch-wissenschaftlicher und gewerkschaftlicher Landschaft verankert
und zumindest geduldet - spielt das Spektrum um das Forum Gewerkschaften von
Sozialismus. Diese Nähe oder auch Teilhabe zu offizieller Gewerkschafts-und
anderer Politik und akzeptierter Präsens in verschiedensten gesellschaftlichen
Bereichen kann eine Bereicherung sein, sie kann aber auch, wenn - wie es uns
momentan der Fall zu sein scheint - als dominierendes Moment zu einer
Blockade des Findens der dringend neuen Perspektiven sozialkritischen
Engagements von Gewerkschaftern werden.
Deshalb plädieren wir für eine Wiederaufnahme und Fortführung auch der
Perspektiven-Debatte, als eine offene, heißt: laßt verschiedene Ansätze sich
präsentieren, zurren wir keine falschen zu engen Konsense per Plattform oder
Aufrufen fest. Vielleicht könnte (wenn noch vorgesehen) das zu Ende
geschriebene Thesenpapier (Bachmann/Riexinger) der Basistext für eine "open
theory" gewerkschaftlicher Perspektiven sein, den wir in offener Debatte
weiterentwickeln können: Das muß nicht vorwiegend auf bundesweiten Treffen
sondern kann permanent im Netz stattfinden. Wenn die maintainer von
labournet.de (Mag und Dave) es schaffen, sogar dort. Ansosnten holen wir uns
Hilfe und Unterstützung bei den "free-software-Protagonisten" aus dem
"Oekonux-Bereich", wo sie schon immer offene Debatten um eine andere
Gesellschaft in der Tradition der Entwicklung von "wert- und marktfreier
Software" wie Linux führen. Wer sich erkundigen will, wie mensch so etwas
macht, schaue auf die webseite: http//www.opentheory.org.
Unser eigener Ansatz, auch Hintergrund unserer Thesen, ist kurzgefaßt
folgender:
Auch für Gewerkschaften und erst recht Gewerkschaftslinke gilt bzw. wird heute
möglicherweise mehr denn je aktuell, da die Aufgabenteilung zwischen
politischern Parteiformationen der Arbeiterklasse und treade-unions endgültig
obsolet geworden ist und auch bleiben sollte, was Marx in den bekannten
Passagen am Ende seiner Schrift "Lohn, Preis und Profit" zu der Aufgabe von
Gewerkschaften gesagt hat:
"... daß die ganze Entwicklung der modernen Industrie die Waagschale immer
mehr zugunsten des Kapitalisten und gegen den Arbeiter neigen muß und daß es
folglich die allgemeine Tendenz der kapitalistischen Produktion ist, den
durchschnittlichen Lohnstandard nicht zu heben, sondern zu senken oder den
Wert der Arbeit mehr oder weniger bis zu seiner Minimalgrenze zu drücken.
Da nun die Tendenz der Dinge in diesem System solcher Natur ist, besagt das
etwa, daß die Arbeiterklasse auf ihren Widerstand gegen die Gewalttaten des
Kapitals verzichten und ihre Versuche aufgeben soll, die gelegentlichen
Chancen zur vorübergehenden Besserung ihrer Lage auf die bestmögliche Weise
auszunutzen? Täte sie das, sie würde degradiert werden zu einer
unterschiedslosen Masse ruinierter armer Teufel, denen keine Erlösung mehr
hilft. Ich glaube nachgewiesen zu haben, daß ihre Kämpfe um den Lohnstandard
von dem ganzen Lohnsystem unzertrennliche Begleiterscheinungen sind, daß in
99 Fällen von 100 ihre Anstrengungen, den Arbeitslohn zu heben, bloß
Anstrengungen zur Behauptung des gegebnen Werts der Arbeit sind und daß die
Notwendigkeit, mit dem Kapitalisten um ihren Preis zu markten, der Bedingung
inhärent ist, sich selbst als Ware feilbieten zu müssen. Würden sie in ihren
tagtäglichen Zusammenstößen mit dem Kapital feige nachgeben, sie würden sich
selbst unweigerlich der Fähigkeit berauben, irgendeine umfassendere Bewegung
ins Werk zu setzen.
Gleichzeitig, und ganz unabhängig von der allgemeinen Fron, die das
Lohnsystem einschließt, sollte die Arbeiterklasse die endgültige Wirksamkeit
dieser tagtäglichen Kämpfe nicht überschätzen. Sie sollte nicht vergessen,
daß sie gegen Wirkungen kämpft, nicht aber gegen die Ursachen dieser Wirkungen;
daß sie zwar die Abwärtsbewegung verlangsamt, nicht aber ihre Richtung ändert;
daß sie Palliativmittel anwendet, die das Übel nicht kurieren. Sie sollte
daher nicht ausschließlich in diesem unvermeidlichen Kleinkrieg aufgehen,
der aus den nie enden wollenden Gewalttaten des Kapitals oder aus den
Marktschwankungen unaufhörlich hervorgeht. Sie sollte begreifen, daß das
gegenwärtige System bei all dem Elend, das es über sie verhängt, zugleich
schwanger geht mit den materiellen Bedingungen und den gesellschaftlichen
Formen, die für eine ökonomische Umgestaltung der Gesellschaft notwendig sind.
Statt des konservativen Mottos: "Ein gerechter Tagelohn für ein gerechtes
Tagewerk!", sollte sie auf ihr Banner die revolutionäre Losung schreiben:
"Nieder mit dem Lohnsystem!"
(...)3. Gewerkschaften tun gute Dienste als Sammelpunkte des Widerstands gegen
die Gewalttaten des Kapitals. Sie verfehlen ihren Zweck zum Teil, sobald sie
von ihrer Macht einen unsachgemäßen Gebrauch machen. Sie verfehlen ihren Zweck
gänzlich, sobald sie sich darauf beschränken, einen Kleinkrieg gegen die
Wirkungen des bestehenden Systems zu führen, statt gleichzeitig zu versuchen,
es zu ändern, statt ihre organisierten Kräfte zu gebrauchen als einen Hebel
zur schließlichen Befreiung der Arbeiterklasse, d.h. zur endgültigen
Abschaffung des Lohnsystems."
Auch im Kampf der Gewerkschaften heute um soziale Emanzipation muss es
gelingen, die Dialektik von Reform und Revolution, konkreter gefasst
"täglicher Kleinkrieg gegen die Wirkungen des bestehenden Systems " und
"endgültigen Abschaffung des Lohnsystem", zwischen systemimmanenten und
systemübergreifenden und -sprengenden Orientierungen und Kämpfen zu
bewerkstelligen. Wobei ersteres ohne eine Perspektive letzterer Art nicht
zu machen und auch nicht durchzuhalten ist.
* Wiederholte Neuauflagen auch in Varianten einer alten systemimmanent
beschränkten Politik machen noch keine neue Politik und schon gar keine
Perspektive aus.
* Die Krisenwirklichkeit und innere Widersprüchlickeit des warenproduzierenden
kapitalistischen Systems darf nicht ausgeblendet werden. Denn diese
Krisenwirklichkeit hat auch den klassischen Reformismus und seine Konzepte in
selbige gebracht.
* So flotte Spüche wie "Geld ist genug da - wir müssen es nur richtig
verteilen" akzeptierten nicht nur die kapitalistische Fetischwelt von Geld und
abstraktem Reichtum, sondern verbauen auch den Weg zu einer Analyse und Kritik
der realen politischen Ökonomie heute, die offenbar von strukturellen Krisen
auch der Kapitalakkumaltion (mehrfacher Entkopplung von realer und fiktiver
Schein-Akkumulation), Wertschöpfung, Arbeit usw. mit allen verheerenden Folgen.
oder die Globalisierung nur ein Mythos und keine reale Entwicklung in mit
weitreichenden Konsequenzen für nationale Politikansätze und -möglichkeiten
Sie sind zu hinterfragen und taugen nicht zur Formulierung von alternativen
Ansätzen und Fiannazierungsmöglichkeiten einer besseren anderen Politik.
* Und überhaupt. Wie wir ein immer wieder in den Mittelpunkt gestellteses
Umverteilungsprojekt angehen, geschweige denn realisieren wollen, ohne in das
Räderwerk der kapitalistischen Verwertunsgmaschinerie und ihren Zwängen
eingreifen zu müssen, also das System sprengen und eine gewaltige soziale
Bewegung in Gang setzen zu wollen, bleibt ein Rätsel? Machen wir uns nicht
lächerlich, wenn wir so tun, als ob wir die Schwerkraftgesetze der
kapitalistischen Marktwirtschaft mit Vorschlägen vornehmlich politischer
Eingriffe ernsthaft außer Kraft setzen könnten, so z.b. dem
Shareholder-Value-Kapitalismus, als einer Erscheinugsform nachfordistischer
Krisenentwicklung und Globalisierung mit der Einführung der Tobin-Tax?
* In jeder Frage des Teewassers - Steuer, Rente, Lohn und Gehalt, Arbeit,
Mitbestimung/Selbstbestimmung - stoßen wir an die Grenzen kapitalsitischer
Verhältnisse. Daß wir sie einfach sprengen könnten und alle mitmachen -
geschenkt. Aber wir könnten versuchen sprengende Reformschritte ausfindig zu
machen, "altlinke" Politik-Muster und Schablonen mal hinter uns zu lassen und
über neue Gesellschaftskritik und Aufhebungsmöglichkeiten und-bewegungen
nachzudenken.
Für Gewerkschaften hieße das:
* dem gesamtgesellschaftliche Terrain der Auseinandersetzung mehr Gewicht zu
geben, nicht das Bündnis und vornehmlich immer wieder auch das Gespräch mit
den Vertretern der Marktwirtschaft und der offiziellen Politik, sondern mit
den anderen in sozialen Auseiandersetzungen stehenden Gruppen und Bewegungen
ohne Absicht der Bevormundung zu suchen. Natürlich auch die wesentlich
Abwehrkämpfe im Betrieb und anderen Arbeitsplätzen um Lohn/Gehalt gegen
Prekarisierung und für Reduzierung der Arbeit und für bessere
Arbeitsbedingungen und Qualifizierung zu führen. Aber nicht in der Art, der
Angelpunkt ist der Kampf um mehr Geld und notwendig radikalere Kampfformen.
Nein zunächst brauchen wir sicher eine Radikalisierung der Inhalte und neue
Formen der Kämpfe: wie radikale Arbeitszeitverkürzung,
"gesamtgesellschaftlicher Tarifkampf", der das billige Wohnen, die Existenz
der immer größeren Zahl der working poor, der looser und Herausgefallenen,
eben auch die Reproduktionsebene, und dabei auch die Ansätze nichtwarenförmiger
Projekte und Vernetzungen einbezieht. Boykotte und andere Formen der
Verweigerung, Computerattacken und ähnliche Aktionen, die heute mehr Räder
still legen als das traditionelle Mittel des Streiks, das deshalb nicht
aufgegeben werden soll, sondern möglichst um den politischen Streik erweitert
werden müßte.
* Oder wenn wir nicht thematisieren, daß die Ökologie kein inzwischen
schon erfolgreich integriertes Anhängsel der Ökonomie sondern schlechthin die
Ökonomie der Zukunft sein muß und wird, mit tiefgreifenden Folgerungen für
Arbeitsplätze, Arbeitswelt und Lebensweise, und in unsere Perspektiven
einbeziehen, dann sind und bleiben wir perspektlos und werden letztlich auch
nicht über Varianten des Kampfes jener "Männer" hinauskommen, die im letzten
Jahr in Sorge um ihre Arbeitsplätze Furore machten:
- die Daimler-Männer, die empört waren und sind über die Infragestellung der
Lieferung ihrer Leopard II an die Türkei;
- die "Mannesmänner", die mit dem Ruf auf den Lippen "Wir sind das Kapital"
nicht weit davon entfernt waren, wegen drohender feindlicher Übernahme "'gen
Engelland zu ziehen" und
- die "Holzmänner", die es mehr als "einen 6er im Lotto" fanden, demnächst bei
erheblich verschlechterten Lohn- und Arbeitsbedingungen, den
Billiglohnanbietern auf den Baustellen endlich Paroli bieten zu können.
Welche Antwort finden wir auf die Frage
"What's left? Eine Linke, die die Benennung des Kapitals als Kapital und des
Profits als Profit schon für den Gipfel ihrer Kritik hält, weil sie die
Bedingungen und Produkte der gesellschaftlichen Arbeit selbst nur noch in
Kapitalform denken kann. Eine Linke, die (von Ausnahmen abgesehen) die "Suche"
nach oder "Diskussion über grundlegende Alternativen [Plural!] zur
kapitalistischen Marktwirtschaft" nur noch beschwört, um ihr "linkes"
Gewissen zu beruhigen. Denn wenn sie die Beschwörung ernst meinte, würde sie
die Suche selbst aufnehmen, ihre eigene Geschichte reflektieren und mit dem
brechen, was bisher ihre einzige Beschäftigung war - dem vergeblichen Versuch,
mit der illusionär gewordenen Perspektive eines Kapitalismus der vergoldeten
Ketten die Lohnabhängigen zum Kampf gegen das Kapital zu mobilisieren. So aber
wird sie bleiben, was sie ist: "linke" Randerscheinung einer Arbeiterbewegung,
die "sich zur Arbeitsbewegung verharmlost hat".
(W.Imhoff in: "Die Sackgasse der Betriebs- und Gewerkschaftslinken", auch zu
finden unter: http://www.labournet.de/diskussion/gewerkschaft/sackgasse.html)
Helmut Weiss, Ulrich Leicht, Anne Eberle (Sprecher und Mitglieder des
Geschäftsführenden Vorstandes der IG Medien Dortmund)
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