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Re: [ox] das Wesen des Menschen



Hi Liste!

Zunächst mal möchte ich mich dem Dank an Sabine anschließen.

Und ich möchte auch nicht damit hinter dem Berg halten, daß ich bei
Hartmuts Mails diverse Male kräftig geschluckt habe. Mein Eindruck
ist, daß diesem Standpunkt ein recht autoritäres Grundkonzept zugrunde
liegt, was zumindest auf dieser Liste angenehmerweise nicht angesagt
ist - wie auch verschiedene Reaktionen zeigen.

Ich versuche es, als Herausforderung zu verstehen und daran unsere
Argumentation nochmal zu schärfen und erfreulicherweise schaffen wir
es ja auch, das Ganze produktiv zu wenden. In diesem Sinne möchte ich
gerne auf Christoph eingehen.

Yesterday Christoph Reuss wrote:
Sabine Nuss schrieb vorhin:
Ich will halt nochmal doch das alte Ding mit dem "Das Sein
bestimmt das Bewußtsein" bemühen, wobei ich überzeugt bin,
dass auch das "Bewußtsein bestimmt das Sein" mit dazu gehört
(nicht ausschließend, sondern wechselwirkend). Dies zu denken
dürfte nicht schwerfallen, schließt aber Sätze wie "die Leute
würden dann mehr mitnehmen, als sie wollen", oder "die wären
dann faul oder aggressiv" völlig aus. Es geht wirklich nicht, dass
hier zu beobachtende Verhaltensauffällgkeiten von Leuten
ahistorisch ins zeitlose, naturhafte Wesen des Menschen hinein
gedacht werden. Da landen wir im Nichts oder in Ideologie. Es läßt
sich schlicht nichts (!!!) sagen, darüber, wie der Mensch wäre wenn.

Hmmm...  aber ist diese Negierung nicht *auch* eine Ideologie ?
(d.h. die Behauptung, dass es eben *kein* solches "Wesen" gibt)

Nein.

Wenn nein, warum nicht ?

Weil es ein beobachtbares Fakt ist.

Als Beispiel: Nimm ein Mitglied eines bislang "unentdeckt" gebliebenen
Stammes aus dem Amazonas-Urwald und einen New Yorker Yuppie. Beides
unzweifelhaft Menschen. Was bleibt da noch an Gemeinsamkeiten? Meine
These: Das ist nahe bei Null. Sogar biologische Grundfunktionen wie
die Nahrungsaufnahme sind kulturell überformt.

Es gibt wohl beides:  Ein gewisses "Basis-Wesen" (angeboren), auf
das dann von der jeweiligen Kultur/Epoche ein "Kultur-Wesen" (erlernt)
"draufgesetzt" wird.  Komplizierend kommt dann hinzu, dass es auch ein
überlagertes Spektrum von *individuellen* "Wesen" gibt, wobei dieses
Spektrum anscheinend auch kultur-abhängig ist (wie auch die
"Selektions-Kriterien", die dieses Spektrum beeinflussen).

So könnte es vielleicht ausgedrückt werden.

Die Frage ist also, ob die von Hartmut Pilch aufgezählten Eigenschaften
(die einer GPL-Gesellschaft in der Tat ziemlich im Wege stehen könnten)
zum Basis-Wesen oder zum Kultur-Wesen gehören, und inwiefern (wie stark)
solche Eigenschaften im überlagerten individuellen Spektrum ausgeprägt
sind.

Genau. Und das obige Beispiel zeigt m.E. schon deutlich in die
Richtung, daß das Basiswesen de facto uninteressant ist, weil die
Kultur (nahezu) alles so stark überformt, daß nur noch die Sinn macht.

Zum Stichwort "ahistorisch ins zeitlose ... Wesen ... hinein gedacht"
möchte ich eine Studie erwähnen, die gemeinsame viktimologische
Strukturen bewaffneter Konflikte des Zeitraumes von 2885 v.Chr. bis 1973
(also von fast 5 Jahrtausenden) untersucht hat, und dabei signifikante
Gemeinsamkeiten fand.

Gut, daß du die mal erwähnst. Das wäre vielleicht mal interessantes
Material, um sich an dieser Frage hier nochmal am konkreten Beispiel
abzuarbeiten.


						Mit li(e)bertären Grüßen

						Stefan


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