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Re: [ox] Hinweis



Mir persoenlich faellt es allerdings schwer, einen Text der so andaechtig
englische Woerter wie "Human Capital" ins Deutsche mischt, zu lesen.  Das
wirkt sprachfetischistisch, marktschreierisch, direkt verwandt mit der
Mentalitaet jener Juppies und Werbefuzzies, die im Zeitalter des
Medienfeudalismus von der Unsichtbaren Hand besonders gefoerdert wird.
 
Warum diesen Deutschnationalen Sprachbeschraenktheit?

Ich schreibe in recht vielen Sprachen.  Sprachvielfalt ist nicht
beschraenkt, Sprachdurchmischung fuehrt jedoch zur Einfalt, besonders wenn
alles aus einer Quelle kommt.

Wortfetischismus ist auch beschraenkt.  Er bedeutet, dass ich die aeussere
Form des Gedankens von anderen zum Verehrungsgegenstand mache.

Englisch ist genau so gut die Sprache der Indier, Australier,
der Rapper und Akademiker.  Negri hat sein Buch Empire
auf Englisch geschrieben. Das ist etwas grossartiges. 

Ich schreibe auch viele Sachen auf Englisch.  Aber wenn ich in einer
anderen Sprache schreibe, dann achte ich das System und die Sprecher
dieser Sprache.  Wenn diese Sprecher Englisch hoeren wollten, dann koennte
ich ja gleich auf Englisch schreiben.

Die Englische Sprache hat nichts mit der Marktideologie zu tun.  Es
freut mich sehr das mehr und mehr englischen Woerter und Begriffen in
Deutschen Texte auftauchen. Das deutet auf Offenheit.

Das deutet m.E. nur auf Fantasielosigkeit und mangelnde Sprachmoral.
Ja, so etwas gibt es auch.  Sprechen ist auch eine Form des Handelns.

Weder die Reinheitsgebote.

Aehnlich wie das Umhersenden von Msword-Dateien eine Verunreinigung der
Infosphaere darstellt, verhaelt es sich mit dem Einfuehren unbenoetigter
Fremdkoerper in Sprachsysteme.  Die Existenz eines gemeinschaftlichen 
Systems bedingt einen kategorischen Imperativ zur Pflege dieses Systems.

Ich bin demgegenueber etwas empfindlicher, eben weil ich eine ganze Reihe
Sprachen pflege.  Ich merke uebrigens auch, dass das Durchmischen von
Sprachen bei der Kindererziehung dazu fuehrt, dass ein Kind keine Sprache
richtig lernt.  Aehnlich ist es auch bei Erwachsenen.  Diejenigen, die das
tun, verunreinigen nicht nur das Medium das sie mit anderen gemeinsam
benutzen, sie schaden auch ihrer eigenen Denk- und Ausdrucksfaehigkeit.

Zum reifen Denken gehoert eine scharfe Trennung zwischen aktivem und
passivem Wortschatz.  Unabhaengig von der Interferenz fremder Sprachen
muss man als Denker staendig bemueht sein, sein Begriffsssystem auf
wesentliche Grundbegriffe zu reduzieren und ungerechtfertigte komplexe
Begriffe zu reduzieren oder eliminieren.  Eindeutschung (z.B. human
capital ==> Humankapital) ist eine Art der Reduktion. Wer einfach alles
aufgreift und verwendet, was irgendwie hipp klingt, verhaelt sich wie ein
Trittbrettfahrer, der sich mit Marken, Moden, Quark-Express-Dateien uvm
schmueckt und zu bequem ist, fuer sich und andere zu filtern, zwischen
Spreu und Weizen zu trennen und sich an der Suche nach allmendengerechten
Kommunikationsstandards zu beteiligen.

Im Falle der deutschen Sprache ist die Allmende auf die deutsche
Sprechergemeinschaft beschraenkt.  Diese Gemeinschaft hat das Recht, ihre
eigenen Standards zu waehlen und zu pflegen.  Verkehrssprachen sind immer
eine Sache von Minderheiten und der Normalbuerger muss sich, wie von
Gesetzen und Verfassungen garantiert, in seiner Muttersprache ungehindert
bewegen koennen, aehnlich wie wir uns gerne mithilfe offener Standards
bewegen koennen wollen und ein Umhersenden vom Quark- oder Word-Dateien
oder die Umbenennung von "Staerke" zu "Maizena" als Aggression empfinden.

Ich habe einige der Grundsaetze diese Kommunikationsethik unter

	http://wortbasar.ffii.org/logsys/
	http://wortbasar.ffii.org/logsys/ag/ev/zweck/

zusammenzufassen versucht.

-phm




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http://www.oekonux.de/



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